Haltungsbedingungen lassen zuweilen zu wünschen übrig / Sollte es prinzipiell einen "Hunde-Führerschein" geben? Die Leidensgeschichte des Hundes Chico
Ein Tier anzuschaffen, ist in Deutschland gemeinhin kein Problem. Die Bedingungen der Haltung aber lassen manchmal genauso zu wünschen übrig wie das Verständnis für die Bedürfnisse eines Tieres - von der Liebe zum Tier ganz zu schweigen. Ein Beispiel ist die Leidensgeschichte von Chico.
Schönebeck l Die Treue eines Hundes ist ein kostbares Geschenk. Dieser Satz wird dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz zugeschrieben. So einige Menschen können mit diesem Geschenk aber nichts anfangen. Immer wieder werden Fälle schrecklicher Tierhaltung öffentlich. Angefangen von bewusster Quälerei, wie dem Ausdrücken von Zigaretten im Fell eines Hundes, bis hin zu völlig unzureichender Fütterung und Unterbringung: Die Liste der Vorkommnisse ist lang.
Ein vierbeiniges Opfer fehlender menschlicher Fürsorge ist Chico. Der Rottweiler ist sieben oder acht Jahre alt. Sein Besitzer zog weg und hinterließ sein Tier in einer Gartenlaube. Mitarbeiter des Veterinäramtes des Salzlandkreises befreiten den Hund im August 2011 aus seiner misslichen Lage. "Er war dort seit drei Wochen eingesperrt und im Grunde sich selbst überlassen worden", berichtet die Vorsitzende des Tierschutzvereins Salzlandkreis, Christine Strempel. Der Hund kam in die Obhut des Vereins.
Chico\' s Verhalten war aggressiv, sein Gesundheitszustand schlecht. "Seine Unsicherheit machte ihn in manchen Situationen unberechenbar", erinnert sich Christine Strempel. Natürlich wollte ihn niemand haben. Eine Vermittlung war nicht möglich. Engagierte Mitglieder des Vereins arbeiteten mit ihm, so dass Chico langsam wieder Vertrauen fand zu den Menschen.
"Dann bemerkten wir im März 2012 bei Chico eine Umfangsvermehrung, die sich als massive Wasseransammlung herausstellte", erzählt die Vereinschefin weiter. Vom Tierarzt ging es direkt zur Tierklinik in Magdeburg. Die Kosten der Untersuchungen beliefen sich auf über 500 Euro. Die Diagnose lautete Eiweißverlust-Syndorm. "Dass heißt, er leidet unter einem anhaltenden, übermäßigen Verlust von Protein infolge einer Darmwandschädigung", klärt Christine Strempel über das Krankheitsbild auf.
Ethisch höherer Anspruch für Tiere wie Hund und Katze
Ihre Tochter Jessica nahm das Tier zu sich. Dank eines Sponsors und dank des Vereins konnte sie die Kosten für Medizin und Futter begleichen.
Im November 2012 fing Chico an zu lahmen. "Also sind wir wieder zum Tierarzt", blickt Christine Strempel zurück. Eine erste Untersuchung blieb ohne Befund. Erst mit einer Computertomographie in der Tierklinik Braunschweig kamen die Tierärzte der Ursache der Beschwerden auf den Grund. Die erste Diagnose lautete: Arthrose und Ellenbogendysplasie. Später stellten die Ärzte auch noch eine leichte Hüftgelenksdysplasie und links einen Kreuzbandriss fest. Weitere Operationen wurden notwendig. Weitere Kosten fielen an. Die überstiegen inzwischen die finanziellen Möglichkeiten des Vereins. Strempels bezahlten aus privater Tasche.
Die letzte - oder besser gesagt jüngste - Operation liegt nun drei Wochen zurück. "Sie ist sehr gut verlaufen", freut sich Jessica Strempel. Sie hat sich damit abgefunden, Chico für den Rest seines Hundelebens bei sich zu behalten. "Er ist ein typischer Rottweiler. Wen er einmal als seinen Herren anerkannt hat, dem folgt er für immer. Das ist nun leider bei ihm schief geggangen. Ich bin ja schon die dritte Besitzerin", sagt die junge Frau. Chico bleibe aufgrund seiner leidvollen Erfahrungen und seiner möglicherweise damit verbundenen Krankheiten und Eigenarten (futterneidisch) nicht vermittelbar. "Trotzdem ist er verschmust. Und er ist gehorsam, aber dafür muss mit ihm gearbeitet werden", erklärt Jessica Strempel. Sie selbst hat bereits zwei Hunde. Chico ist nun in diesem Bunde der Dritte.
Die Volksstimme fragte beim Fachdienst für Veterinärangelegenheiten des Salzlandkreises (früher Veterinäramt) nach, wie mit Hinweisen oder Anzeigen aus der Bevölkerung bei vermuteter Tierquälerei umgegangen wird.
"Grundsätzlich wird jede Anzeige, auch anonym, bearbeitet", erklärt Dr. Christian Lutter. In der Regel werde dann ein Tierarzt oder ein Mitarbeiter des Fachdienstes Veterinärangelegenheiten sich vor Ort über die Beschwerde informieren und die Beschwerdegründe objektivieren und mit den Mindestanforderungen abgleichen. "Problematisch ist der ethisch durchaus höhere Anspruch an Tierhaltungen für Heimtiere wie Hund, Katze aber auch Pferde und Zirkustiere im Vergleich mit Nutztieren", führt Dr. Lutter weiter aus. Der Salzlandkreis ist verantwortlich, dass die tierschutzwidrigen Zustände abgestellt werden. "Alle dazu zu treffenden Maßnahmen liegen in unserer Zuständigkeit", lässt der Tierarzt wissen und ergänzt: "Ist die zur Handlung führende Maßnahme einer Straftat verdächtig, so muss die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung involviert werden. In diesen Fällen zeigen wir den Verdacht der Straftat an."