Kommunalpolitiker reagieren skeptisch Eigenes Budget für Ortschaften?
Sachsen-Anhalts Kommunalverfassung soll überarbeitet werden. Mit dem Vorschlag, Ortschaftsräten ein Budget zuzubilligen, hat Innenminister Holger Stahlknecht für Aufsehen gesorgt. Wie kommt seine Idee bei den Kommunen an?
Schönebeck l Nach der zweiten kommunalen Gebietsreform in Sachsen-Anhalt ist die Stimmung in den kleineren Orten nicht die allerbeste. Gemeinden, die sich Städten angeschlossen haben oder anschließen mussten, verloren ihre Eigenständigkeit. Wenn Geld für Investitionen fließen soll, muss jetzt der Stadtrat zustimmen. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) will die Arbeit von Gemeinderäten erleichtern und die Bürger in den kleinen Orten zu mehr Engagement animieren. Die von seinem Haus geplante Änderung der Kommunalverfassung sieht unter anderem vor, Ortschaftsräte mit einem Budget auszustatten. So könnten sie eigenständig über die Verteilung der Mittel entscheiden und müssten nicht den Tippeltappelweg über den Stadtrat gehen. Eine gute Sache - oder?
"Schwer zu sagen", lautet die erste Reaktion von Friedrich Harwig. Er ist Ortsbürgermeister in Pretzien, das Dorf gehört seit 2009 zu Schönebeck. Es komme auf die Rahmenbedingungen an, sagt der Kommunalpolitiker. Es würde alles keinen Sinn machen, wenn die Vorgaben so formuliert sind, dass das Budget vom Ort letztlich nicht genutzt werden kann. Über einen gewissen Fonds verfüge Pretzien auch jetzt schon, damit der Bürgermeister etwa bei goldenen Hochzeiten oder anderen Jubiläen mit einem Blumenstrauß vor der Tür stehen kann. Größere Investitionen hingegen müssen durch den Stadtrat.
Harwig sieht das Ergebnis der jüngsten Kreisgebietsreform skeptisch. "Sinn war es ja, Kosten einzusparen. Für das Land ist es so gekommen. Aufgaben sind an die Gemeinden runtergegeben worden, allerdings ohne entsprechende Finanzausstattung." Der Ortsbürgermeister hinterfragt den Vorschlag aus Magdeburg von einer ganz anderen Seite: Wenn die Ortschaftsräte mit einem Budget ausgestattet werden, würde dann die Kommunalreform nicht ausgehebelt? Dann hätte man sich das Ganze auch sparen können.
Schönebecks Oberbürgermeister Hans-Jürgen Haase (parteilos) beantwortet die Frage nach dem Sinn des Magdeburger Vorschlags mit einer Gegenfrage: "Woher soll das Geld kommen?" Er verweist auf seine Finanzdezernentin. Die sei in dieser Hinsicht kompetenter.
Doch Ursula Adler mag sich nicht weit aus dem Fenster lehnen. "Das Thema ist jetzt in der Diskussion. Alles andere bleibt abzuwarten", sagt sie. Unterm Strich würde aber alles an der Verabschiedung des Haushaltes und der dann noch nötigen Genehmigung durch die Kommunalaufsicht hängen. Kein Ortschaftsrat würde früher im Jahr liquid mit einem zugebilligten Budget.
Staßfurts Oberbürgermeister René Zok (parteilos) schätzt die Lage wie folgt ein: "Die Ortschaftsräte werden in die Haushaltsdiskussion einbezogen. Ein eigenes Budget ist für sie zwar wünschenswert, kann aber nur aus Mitteln für freiwillige Leistungen bestehen." Für freiwillige Leistungen aber würde es immer weniger Mittel geben. Es sei daher eher zu bezweifeln, dass der Stadtrat Mittel für jeden Ortschaftsrat zur freien Verwendung zur Verfügung stellt. "Unsere Ortschaftsräte und der Stadtrat sind bemüht, auch in der jetzigen Rechtslage, die Belange der Ortsteile zu berücksichtigen", beschreibt Zok den Status quo. Er führt weiter aus: "Die Vorschläge zur Veränderung des Kommunalrechts, die derzeit vorliegen, sehen vielfach eine Stärkung der Ortschaftsräte vor. Ob das bei den derzeitigen Strukturen hilfreich ist, bleibt abzuwarten."
Mehr Demokratie erhofft sich Förderstedts Ortsbürgermeister Peter Rotter (CDU) von der überarbeiteten Kommunalverfassung. Der in den Ortschaften vorhandene Sachverstand sollte genutzt werden. "Warum nicht die Ortschaftsräte mit einem Budget ausstatten? Das ist durchaus eine Variante", meint Rotter. Sie bedeute natürlich nicht, dass mehr Geld zu verteilen wäre.
Pia Leson, Pressereferentin im Innenministerium, erklärt auf Nachfrage der Volksstimme: "Die Höhe des Budgets wird abhängig sein von der Größe der kommunalen Einheiten und den jeweiligen haushaltswirtschaftlichen Leistungsfähigkeiten der Gemeinden im jeweiligen Haushaltsjahr."
Recht konkret ist die Vorstellung über die Verwendung der Mittel: Das Budget könne auch Mittel umfassen, die zur Unterhaltung von öffentlichen Einrichtungen, Gemeindestraßen oder auch zum Um- und Ausbau, der Unterhaltung und der Instandsetzung von Straßen, Wegen und Plätzen einschließlich der Beleuchtungseinrichtungen sowie zur Pflege des Ortsbildes eingesetzt werden sollen, so die Sprecherin.