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Kreisausschuss verlegt Tagungsort in Produktionsanlage / Forderung an Gesetzgeber, bei Vorgaben schnell nachzubessern Es gärt kräftig: Wie viel Potenzial steckt im Biogas?

Von Ulrich Meinhard 06.09.2012, 05:19

Wie sinnvoll ist die Energieerzeugung auf Basis pflanzlicher Stoffe? Kreistagsmitglieder informierten sich in Könnern ganz praktisch. Die Erkenntnisse dürften in Staßfurt eine Rolle spielen. Hier will der Stadtrat am 27. September über eine Anlage entscheiden.

Staßfurt/Könnern l Deutschland will weg vom Atomstrom. Doch Alternativen, wie Windräder oder Biogasanlagen, wollen viele Menschen nicht vor der eigenen Haustür. Das Unternehmen Nordmethan holte sich in Glöthe einen Korb, als es vor den Toren des Ortes eine Anlage bauen wollte. Jetzt soll diese Anlage im Gewerbegebiet Nord-Ost in Staßfurt errichtet werden. Eine Bürgerinitiative will die Umsetzung des Planes verhindern. Befürchtet werden Gestank, Lärm und sogar Krankenhauskeime in der Luft.

Die Mitglieder des Umwelt-, Planungs-, Verkehrs- und Wirtschaftsausschusses des Salzlandkreises hatten am Dienstag ihre erste Sitzung nach der Sommerpause in den Räumen der Nordmethan Produktion Könnern anberaumt. Sie ließen sich von Firmenmitarbeiter Martin Arend umfänglich über den Betriebsablauf informieren und nutzten die Gelegenheit für eine Betriebsbesichtigung.

Die Biogasanlage bei Könnern ist seit drei Jahren im Betrieb. "Wir erzeugen Biogas, reinigen es und speisen praktisch reines Erdgas in das Netz ein", erläuterte Martin Arend. Pro Stunde werden auf der Basis pflanzlicher Stoffe 1450 Kubikmeter Biomethan erzeugt, im Jahr rund 15 Millionen Kunbikmeter.

Posten Zwiebeln erbrachte hervorragendes Gas

Die Anlage, so Martin Arend, steht auf einem 17 Hektar großen Gelände. Für die Erzeugung von Biomethan werden vornehmlich Mais (etwa 50 Prozent), Zuckerrübenschnitzel als Abfallprodukt aus der Zuckerproduktion (etwa 25 Prozent) und weitere Pflanzen sowie Hühnertrockenkot und Gülle verwendet. Lieferverträge bestehen mit 40 Landwirten in einem Umkreis von 20 Kilometern. Etwa 12000 Haushalte können im Jahr mit Biogas aus Könnern versorgt werden.

Ungewöhnlich war das Angebot eines Landwirtes in jüngster Vergangenheit, der in einem üppigen Zwiebeljahr, als die Preise für diese Feldfrucht tief im Keller waren, quasi auf 8000 Tonnen Bollen sitzen zu bleiben drohte. Martin Arend kaufte dem Mann die Tonnage ab und verwandelte sie in Gas. Höchst erfolgreich. "Das Prinzip ist ähnlich wie beim Menschen. Sehr gutes Gas", umschrieb er die ergiebige Ausbeute.

Laut Einspeisegesetz darf allerdings Grünschnitt, das im Sommer in großen Mengen in den Kommunen anfällt, nicht verwendet werden, weil er, laut Lesart des Gesetzes, nicht zu den nachwachsenden Rohstoffen gezählt wird. Dabei würde die Verwendung von Grünschnitt in Biogasanlagen in vielen Kommunen ein echtes Problem lösen helfen, wie Kreistagsmitglied Klaus Bierende (FDP/UWGE) betonte. Der Gesetzgeber, fügte er hinzu, müsse deshalb nachbessern.

Sein Fraktionskollege Johann Hauser, setzte seine Kritik noch fundamentaler an. "Nawaro", argumentierte er und kürzte damit die Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen in einem in der Branche gängigen Begriff ab, "stammt noch aus der Zeit der landwirtschaftlichen Überproduktion." Sprich: Die Politik hatte vor gut zwölf Jahren die Vergütung für Strom aus Pflanzen wie Weizen und Mais, mit dem Eneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelt und damit eine neue Einkommensquelle für Landwirte geschaffen.

Auch Hauser meint nun, dass der Gesetzgeber unbedingt nachbessern muss. Er spricht sich nicht gegen Biogasanlagen aus, will aber, dass vornehmlich Reststoffe wie Grünschnitt, aber auch Speise- oder Schlachtabfälle zur Gaserzeugung genutzt werden und weniger Getreide wie Mais und Weizen. Die technischen Voraussetzungen seien sicherlich eine Herausforderung, könnten aber geschaffen werden.

In Hinsicht auf die geplante Biogasanlage in Staßfurt will Hauser "alle Fakten auf den Tisch". Es müsse klar gesagt werden, welche Tonnagen benötigt, welche Wege für die Transporte genutzt und ob ein umwelthygienisches Gutachten nötig ist für den Fall, dass Speise- oder Schlachtabfälle verwendet werden. "Ich nehme die Argumente der Bürgerinitiative ernst. Probleme aufgrund von Lärm- oder Geruchsbelästigungen durch die Anlage sehe ich aber nicht." Hauser mit Blick auf die deutsche Energiewende: "Alle wollen weg vom AKW. Aber vor der Haustür wollen die meisten Menschen eben dann auch keine Biogasanlage."

Zum Problem einer eventuellen Geruchsbeeinträchtigung sagte Martin Arend: "Wenn so eine Anlage stinken würde, macht der Betreiber etwas falsch und verbrennt Geld, weil irgendwo ein Leck ist." Freilich aber würde etwa Maissilage riechen. In seiner Nase - Arend ist gelernter Landwirt - sei das eher ein Wohlgeruch.

Kreistagsmitglied Jutta Röseler lobte die Möglichkeit der Gaserzeugung über pflanzliche und Reststoffe. Jede Kommune sollte, nach Möglichkeit, in eine (kleine) Biogasanlage investieren. Stadtwerke könnten so Energie vor Ort erzeugen, ohne lange Transportwege. So, wie es in Könnern in größerer Dimension der Fall ist. "Im Biogas steckt noch ein Riesenpotenzial." Im Übrigen würden nur fünf bis acht Prozent der Ackerflächen in Deutschland für Energiepflanzen genutzt. Von einer Bodenvergeudung auf Kosten der Lebensmittelproduktion könne keine Rede sein, relativierte Jutta Röseler.

Auf Nachfrage der Kreistagsmitglieder sagte die Leiterin des Umweltamtes des Salzlandkreises, Christiane von Wagner, dass ein umwelthygienisches Gutachten nur dann nötig ist, wenn Schlachtabfälle verwendet werden. Laut den ihr bekannten Gutachten seien in Gärresten in Biogasanlagen, die Gas auf der Basis pflanzlicher Stoffe produzieren, keine Keime nachgewiesen worden.

"Für die Entscheidung über eine Anlage in Staßfurt, die auf unserer nächsten Stadtratssitzung ansteht, nehmen wir heute sicher etwas mit", schätzte der Staßfurter Stadtratsvorsitzende Dr. Walter Blauwitz ein, er ist zugleich Kreistagsmitglied.

Um den Standort in Staßfurt bewerben sich zwei Unternehmen. Der Stadtrat will am 27. September eine Entscheidung fällen. Der Erlös aus dem Verkauf der Fläche würde auf jeden Fall der Stadtkasse zugutekommen, weil das Gelände der Kommune gehört. Staßfurts Oberbürgermeister René Zok hat sich bereits für die Biogasanlage ausgesprochen.