Historisches Stuhlregister war als gut organisierter Sitzplan für das Gotteshaus ein einträgliches Geschäft Frauen saßen in Kirche meist auf "billigen" Plätzen
"Sage mir, wo du in der Welslebener Kirche sitzt und ich sage dir, wer du bist - Und wieviel du dafür bezahlen musst". So umreißt Albrecht Knauft den bemerkenswerten Fund, der parallel zur Sanierung von St. Pankratius im benachbarten Kirchenarchiv aufgetaucht ist.
Welsleben l Während bei den Sanierungsarbeiten am inneren Mauerwerk von St. Pankratius die Spuren einer zweiten Empore freigelegt wurden (Volksstimme berichtete), bestätigt nun auch ein aufgetauchtes Stuhlregister aus dem Jahr 1790 deren Existenz. Die vielen Jahrzehnte, in denen die Skizze der Kirchenbestuhlung unbeachtet im Kirchenarchiv schlummerte, scheinen spurlos am Papier vorbeigegangen zu sein.
Plätze in der dritten Reihe gab es schon zum halben Preis
Die Plätze in der Kirche sind auf dem Sitzplan mit Nummern versehen. Dabei tauchen handschriftlich Welslebener Familiennamen wie Horrmann und Diesing auf, die noch heute im Dorf und der Umgebung bekannt sind.
Das historische Dokument ist ein Spiegel seiner Zeit. Einer Zeit, in der ein Kirchbesuch am Sonntag fest im gesellschaftlichen Leben integriert und ein Muss war. Wenn Pfarrer heute oftmals über wenig Gottesdienstbesucher klagen, sah es vor rund 200 Jahren noch ganz anders aus. "Im Jahr 1811 wurde jede Ecke der Kirche ausgenutzt, um noch einen Sitzplatz anbieten zu können", sagt Albrecht Knauft mit Blick auf das Dokument. Ähnlich wie beim Ticketkauf heutiger Konzerte waren die "billigen" Plätze diejenigen, die im hinteren Teil des Kirchenschiffes lagen oder ungünstig an einem Pfeiler gelegen waren. So kosteten Männersitze im Jahr 1790 in der ersten Reihe 20 Silbergroschen, in der zweiten Reihe 15 Silbergroschen und in der dritten Reihe lediglich zehn Silbergroschen. Die Zuordnung der Kirchenstühle erfolgte auf der Grundlage des gesellschaftlichen Rangs und des Standes beispielsweise von Großgrundbesitzern oder einfachen Bauern. "Die zweite Empore war damals ausschließlich mit Sitzplätzen für Männer ausgewiesen. Unten saßen die Frauen", erklärt Knauft. Deren Sitzplätze waren mit sechs Silbergroschen in den Blöcken A bis D deutlich günstiger. Dass die Welslebener Pfarrer stets auch eine akurate Buchhaltung betrieben, wird an den ebenfalls gut erhaltenen Original-Belegen für den Kauf eines Sitzplatzes deutlich. "Übrigens brauchten die Pfarrersfamilien, die in vorderster Reihe saßen, nichts zu löhnen", ergänzt Albrecht Knauft, der an den regelmäßig erscheinenden Heimatheften mit dem Titel "Welsleben gestern und heute" mitarbeitet. Dank seiner eigenen Weiterbildung kann er in ungezählten Stunden die Handschrift zahlreicher Belege und weiterer Dokumente entziffern. "Das Internet bietet für das Lesen alter deutscher Schriften eine gute Wissensbasis."