Otto Heine (64) aus Kade führte seine Schmiedewerkstatt in sechster Generation. Von Kristin Schulze Geschichten zwischen Elbe und Fläming: Reisender Hufschmied mit Glühofen im Wagen
Ein traditionelles Handwerk ist heute noch so modern wie vor hunderten Jahren: Die Handarbeit des Hufschmieds mit Hammer und Amboss kann keine digitale Technik ersetzen. Otto Heine aus Kade bei Genthin kennt alle Facetten dieses Berufs.
Kade l Ein fertiger Gartenzaun und ein nagelneues Tor; unverarbeitetes Material, aus dem ein Treppengeländer entstehen soll... Auf dem Hof von Otto Heine aus Kade sieht man vor allem eins: Stahl. Beziehungsweise Dinge, die daraus gefertigt sind. Weiter hinten wird es idyllischer: Auf der Koppel galoppiert ein Pferd, daneben lassen sich zwei Schafe das Gras schmecken. Das Herz des Anwesens ist die Werkstatt. Hufeisen und alte Ofenplatten schmücken die Wände. Säge, Hammer, Amboss und Nägel liegen an ihrem Plätzen. In der Mitte der Werkstatt befindet sich der Schmiedeofen. Er ist mit Kohle gefüllt. Doch die bleibt heute kalt. Schmiedemeister Otto Heine begutachtet die fertigen Fenstergitter, die noch zum Kunden gebracht werden müssen. Sein Blick fällt auf eine der vielen Ofenplatten an der Wand.
"Ein Hobby von mir", sagt der 64-Jährige, der in seiner Werkstatt etliche dieser uralten Platten aufgehangen hat. Eine zeigt einen Schmied bei der Arbeit. "Aus Schwertern sollen Eisen werden", steht darunter. "Die Platte ist nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon entstanden", erzählt Heine. Das war 1815. Eine ähnlich lange Geschichte hat auch die Schmiede vorzuweisen.
Heute arbeitet hier neben Otto Heine auch Patrick Sens, der die Firma im April 2009 übernommen hat. "Zueinander gekommen sind wir durch Zufall", erzählt der 33-Jährige. Ursprünglich hatte der Gladauer einen anderen Ausbildungsplatz, doch der wurde eine Woche vor Lehrbeginn abgesagt. Heine ergänzt: "Bei mir hatte zu der Zeit ein Lehrling seine Ausbildung abgebrochen. So kam mir Patrick, der sonntags mit seinem Vater vor der Tür stand, gerade recht." Dreieinhalb Jahre lernte Sens in Kade den Beruf des Metallbauers, wurde danach übernommen und arbeitete für Otto Heine.
Heute ist es andersrum. "Ich werde ja auch nicht jünger, darum hat Patrick die Firma übernommen." Aber auch kurz vor seinem 65. Geburtstag denkt der Schmied nicht ans Aufhören. Solange ich kann, werde ich Patrick hier unterstützen."
Schon heute blickt er auf eine ereignisreiche Karriere zurück. Die begann 1964. Otto Heine war 15 Jahre alt, als er seine Lehre zum Schmied begann. Drei Jahre lernte er bei Otto Thiege in Kade alles rund um das Material Stahl. Danach war er in der LPG beschäftigt.
Hufbeschlag war damals noch Pflichtfach während der Lehrzeit. Otto Heine kam das entgegen, Pferde begeisterten ihn schon als Kind. Seine Eltern arbeiteten in der Landwirtschaft, natürlich gab es auch Pferde auf dem Hof. Schon für den jungen Otto Heine war klar, er wollte nicht nur Schmied, sondern auch Hufschmied sein.
Ein Vorsatz, der zu DDR-Zeiten nicht leicht in die Tat umzusetzen war. "Auf den Platz in der staatlichen Hufbeschlagsschmiede musste ich lange warten." Vorher, 1968, ging Heine zur Armee. "Zum Glück brauchte ich nicht weit weg, musste nur nach Kirchmöser und konnte dort sogar ein Jahr in der Schmiede arbeiten."
1975 wurde aus dem Schmied doch noch ein Hufschmied. Otto Heine legte die Meisterprüfung ab. Dem vorausgegangen waren vier Monate Lehrgang. Anatomie des Pferdes, Eisen schmieden und Hufbeschlag standen auf dem Stundenplan. Otto Heine erinnert sich noch gut an seinen ersten Tag in Leipzig. "Wir mussten gleich Hufeisen schmieden. Der Meister sagte zu mir: Sehr gut für den Anfang, aber wie es richtig geht, lernst du hier." Er sollte recht behalten.
Beweis dafür ist unter anderem ein alter Schuppen, in dem sich ein großer Stapel alter Eisen befindet. Wie viele mögen es sein? Tausend? Zweitausend? Und auf diesem Haufen befindet sich nur ein Bruchteil der Eisen, die Otto Heine auf Pferdehufe geschlagen hat. Meistens nach der Arbeit. "Wir machen hier Tore, Gartenzäune, Treppengeländer, Fenstergitter und vieles mehr", erzählt Patrick Sens. Er hat Otto Heine oft begleitet, wenn die Arbeit erledigt war und es danach zu den Pferden ging. "Früher kamen die Pferde zu mir in die Schmiede, später musste der Schmied zu den Pferden", sagt Heine, der mit seinem Auto von Hof zu Hof fuhr und alles dabei hatte, was man für den Beschlag so braucht. Kloppkeule und Hauklinge zum Beispiel sowie eine Schere zum Ausschneiden der Hufe. Natürlich musste auch der Glühofen mit, in dem die Eisen erwärmt werden. "Früher machte man das im Schmiedeofen", erklärt der Fachmann. Der wird deutlich heißer als der neue Glühofen, in dem die Eisen nicht wärmer als 900 Grad werden und somit auch nicht verbrennen können.
Hufbeschlag - das ist für Otto Heine nicht nur Arbeit, sondern auch Hobby. "In der Ausbildung haben wir sogar mal eine Kuh beschlagen", sagt er schmunzelnd. Er blieb trotzdem den Pferdehufen treu.
Doch nicht nur mit den Hufen der edlen Tiere kennt er sich aus. Als Profi an den Leinen ist er früher zwei- und dreispännig gefahren. Im Sattel fühlt er sich dagegen nicht zu Hause. "Sicher sind wir früher mal aus Jux geritten, dann aber eher ohne Sattel. Beim Reiten kann ich nicht mitreden." Mehr als mitreden kann er dafür beim Hufbeschlag. Früher waren es hauptsächlich Wagenpferde, deren Hufe er mit Eisen versorgte. Kaltblüter aus der Forst und der LPG. Später bestand die vierbeinige Kundschaft zu 80 Prozent aus Sportpferden. Hufe und Eisen wurden so mit der Zeit kleiner. Und spezieller. Zum Repertoire jeden Hufschmieds gehört mittlerweile orthopädischer Beschlag für das Pferd, das nicht den perfekten Huf hat. Außerdem brauchen die Eisen Löcher für die Stollen, damit das Turnierpferd im Parcours nicht rutscht. Das und viele andere Extras fuhren in Heines "mobilen Hufbeschlagsstudio" mit. "Die Qualität der Eisen ist mit den Jahren besser geworden", erzählt der Schmied. "Früher haben wir mit Rohlingen ohne Grundform gearbeitet, die Stempellöcher musste man noch nacharbeiten. Das fällt heute alles weg." Geblieben ist der Spaß an der Arbeit.
Auch wenn diese nicht ungefährlich ist. "Ich habe gut 35 Jahre lang Hufbeschlag gemacht, natürlich habe ich den ein oder anderen blauen Fleck davon getragen. Das gehört dazu", sagt Otto Heine. So richtig außer Gefecht gesetzt war er nur einmal durch ein "lockeres Hinterbein", was in der Reitersprache für ein Pferd steht, das ausschlägt. Otto Heine erinnert sich an ein blaues Auge und eine gebrochene Rippe und an ein sechswöchiges Arbeitsverbot vom Arzt. Patrick Sens erinnert sich daran auch noch gut. "Vor allem weil Otti schon am nächsten Tag wieder am Schmiedeofen stand", erzählt Patrick und erinnert bei der Gelegenheit auch an Heines Unfall am Schleifbock. "Ich war mit ihm danach beim Arzt, der ihn ins Krankenhaus überweisen wollte. Dort ist Otti natürlich nie angekommen."
Der Meister entgegnet: "Das ging auch nicht. Ich musste nachmittags Pferde beschlagen." Auch wenn er den Hufbeschlag inzwischen aufgegeben hat, wird seine Schmiede in Kade weiter Bestand haben. Sie ist ein Familienbetrieb, den Heine in der sechsten Generation inne hatte. Viel Arbeit gab es hier immer, nur der Name hat sich verändert: "Siewert, Ende und schließlich Heine. Und nun Sens", sagt der Schmied und schaut über den Hof. "Ich bin froh, dass Patrick den Betrieb übernommen hat und in meinem Sinne weiterführen wird."