Krankenhaus Medizinische Versorgung kurz vor dem Eklat
Sind die Ameos Kliniken im Salzlandkreis, wie in Calbe, noch in der Lage, die Krankenhausversorgung der Bevölkerung zu sichern?
Schönebeck/Staßfurt l Kurz vor dem Eklat. Die medizinische Versorgung von Patienten in den Ameos Kliniken und der von der Arbeiterwohlfahrt getragenen Klinik in Calbe ist offensichtlich zeitweise unzureichend. In der Kritik stehen aktuell vor allem die Ameos Häuser im Salzlandkreis. So hat es im ersten Quartal 2018 insgesamt 207 Abmeldungen von medizinischen Stationen (zum Beispiel innere Klinik, Intensivstation) gegeben. Abgemeldet wird eine Station dann, wenn sie voll belegt ist, wenn dort niemand mehr aufgenommen werden kann. Dann erfolgt eine Abmeldung per Fax an die Leitstelle in Staßfurt, damit von dort kein Rettungsfahrzeug mehr zu diesen Stationen geschickt wird. Ein an sich normaler Vorgang. Besorgniserregend ist die hohe Zahl der Abmeldungen von 207; im Vorjahreszeitraum waren es 33. Diese Zahlen sind am Dienstag während der Sitzung des Gesundheits- und Sozialausschusses in Bernburg genannt worden.
Unzureichend ist zudem die Einhaltung der Hilfsfristen, weniger bei der Erstversorgung durch Notärzte, dafür aber beim Einsatz der Rettungswagen. Das geht aus einer Mitteilungsvorlage der Kreisverwaltung hervor. Nachdem Printmedien u.a. die Volksstimme im Februar über den Fall eines Notfallpatienten aus Egeln berichtet hatten, der stundenlang von einer Klinik in die nächste gefahren wurde, bis ihn endlich ein Krankenhaus stationär aufnahm, kochte die Problematik hoch.
Landrat Markus Bauer (SPD) hatte bereits im November 2017 die Ameos-Klinikleitung in Zürich aufgefordert, die Situation zu bereinigen. Im Februar 2018 wurden von Seiten der Kreisverwaltung das Landesverwaltungsamt in Halle und der Landkreistag einbezogen. Der Salzlandkreis wollte wissen, wer Verstöße gegen eine Aufnahmeverpflichtung verfolgt. Denn das Krankenhausgesetz sagt hierzu nichts. Laut Kreisverwaltung seien dann durch diese Gremien das Innen- und das Sozialministerium des Landes informiert worden. Am 6. März ist die Klinikleitung Ameos in Zürich sowie die Ameos Regionalleitung Ost mit Sitz in Aschersleben vom Landkreis noch einmal aufgefordert worden, ihrer gesetzlichen Verpflichtung gemäß Rettungsdienstgesetz des Landes nachzukommen - am 7. März auch das Awo-Krankenhaus Calbe.
Landrat Markus Bauer schilderte die Situation auch den genannten Ministerien in Magdeburg. Von fehlender Kommunikation kann prinzipiell nicht die Rede sein. Und doch wirft genau das Robert Möller vom Ameos Geschäftsbereich Ost der Kreisverwaltung und insbesondere dem Landrat vor. Der hätte doch bitteschön den Hörer in die Hand nehmen und ihn, Möller, kontaktieren können, sagte er im Sozialausschuss.
Mehr noch: Der Vorsitzende der Ameos AG, Axel Paeger, schrieb am 12. April einen Brief an Markus Bauer, in dem er erstens eine unzulängliche medizinische Versorgung in den Ameos Häusern im Salzlandkreis dementiert und zweitens dem Landrat persönlich androht, rechtliche Schritte gegen ihn einzuleiten. Wörtlich heißt es: „Wir können und werden nicht zulassen, dass Sie Ihr Amt dazu nutzen, vorsätzlich oder fahrlässig falsche Anschuldigungen gegen die Krankenhäuser in Ihrem Landkreis in die Welt zu setzen.“
Eine Drohung, die Kreistagsmitglied Georg Hamm (CDU) kaum fassen kann. Der Landrat, sagte er im Sozialausschuss, sei lediglich seiner Pflicht zum Wohle der Bevölkerung nachgekommen. Auch Kreistagsmitglied Manfred Püchel (SPD) findet: „So führt man keine Kommunikation.“
Den Eindruck, sei alles in Ordnung, versuchte Robert Möller zu vermitteln. Er, der seit 1. Juli 2017 Chef von Ameos Ost ist, sprach von einer „nicht ganz unkritischen Gemengelage“, die er bei Amtsantritt vorfand. Jetzt sei die Situation eskaliert, „das habe ich so noch nicht erlebt“. Möller versicherte, dass Ameos der medizinischen Versorgung der Bevölkerung vollumfänglich nachkomme - und zwar mit größtmöglichem Veranwortungsgefühl. Er gab zu bedenken, dass es schließlich der Salzlandkreis gewesen sei, der sich vor fünfeinhalb Jahren nicht in der Lage sah, die Kliniken wirtschaftlich zu betreiben. Ameos halte im Salzlandkreis „eine absolut ausreichende Anzahl an Betten vor“. Dagegen Thomas Michling von der Kreisverwaltung: „Unsere Mitarbeiter in der Leitstelle wissen manchnal nicht mehr, wo sie Patienten hinschicken sollen.“
Die Vorsitzende der Kreistagsfraktion Die Linke, Sabine Dirlich, bemängelte, dass das Krankenhausgesetz des Landes keine Handhabe für den Kreis vorsieht, bei privaten Krankenhaus-Betreibern regulierend oder sanktionierend einzuwirken. „Mir fällt auf, dass bei den Abmeldungen überdurchschnittlich oft Bernburg betroffen ist. Manchmal auch die Innere und die ITS gleichzeitig in Bernburg, Salzelmen und Calbe“, merkte sie an.
Robert Möller: „Wir haben ein bemerkenswertes Quartal hinter uns, was die internistischen Erkrankungen betrifft.“ Ein Grund sei die Grippewelle gewesen. „Unsere Häuser sind sowieso sehr gefragt. Diese Nachfrage hat sich jetzt noch verschärft.“ Auch Krankenhaus-Mitarbeiter seien von der Grippe betroffen gewesen. „Wir arbeiten daran, solchen Spitzen begegnen zu können“, sagte der leitende Ameos Mitarbeiter. „In der Inneren Klinik und in der Intensivmedizin kommt es immer wieder zu einer vollständigen Inanspruchnahme unserer Ressourcen“, räumte Möller ein.
Ein Streit entspann sich um den 5. März. An diesem Tag hatte die Leitstelle in Staßfurt vom Bernburger Krankenhaus eine Abmeldung - die Notaufnahme betreffend - erhalten. Per Fax, wie vorgesehen, damit etwas Schriftliches vorliegt. Diese Abmeldung sei kurze Zeit später telefonisch zurückgenommen worden, sagte Möller. Beide Seiten beharrten auf der Abmeldung beziehungsweise auf der Rücknahme der Abmeldung.
Robert Möller wie auch Kreistagsmitglied Katrin Schütze-Dittrich (SPD) versuchten, den Blick nach vorn zu lenken. Möller plädierte für eine künftig klarere Kommunikation. In einem nichtöffentlichen Workshop könnten unter Einbeziehung von weiteren Krankenhäusern alle Beteiligten beider Seiten entsprechend weitergebildet werden. Katrin Schütze-Dittrich appellierte an Ameos, den Umgang mit Notfallpatienten - „mit Menschen, die in Not sind“, zu verbessern. Sich vor Gericht zu treffen, bringe keinen Menschen im Notfall früher in ein Krankenhaus. Kreistagsmitglied Sven Hause unterstützte das Ansinnen. „Der Bürger hat keine Lust auf irgendein Theater.“ Hause schlug vor, Vertreter hiesiger Kliniken alle viertel Jahre in den Kreistag einzuladen.
Bei der Ausschusssitzung waren als Gäste mehrere Krankenschwestern aus Ameos Kliniken anwesend. Gegenüber Pressevertretern sagten sie, dass das Problem nicht eine zu geringe Bettenanzahl sei, sondern vielmehr ein Personalmangel. Betten würden gesperrt, weil Personal fehle. Das ist, kritisierten die Pflegerinnen, im Ausschuss überhaupt nicht angesprochen worden. Die Ameos Mitarbeiterinnen, die anonym bleiben wollten, sagten: „Wir sind unterbesetzt.“ „Wir sind am Limit.“ „Wir können die Patienten nicht mehr versorgen.“ Im Vergleich zu anderen Krankenhäusern sei die Besetzung „eine Katastrophe“. Ein Pfleger komme auf vier Notfallpatienten auf der Intensivstation, andernorts sei das Verhältnis eins zu zwei. Diese Extremsituation halte seit einem halben Jahr an. Die Rede war von Kündigungen, schlechten Konditionen, Langzeiterkrankten, fehlenden Bewerbungen und der Abwanderung von Auszubildenden. „Wenn wir nicht mehr machen würden, als wir müssten, könnten wir den Laden dicht machen“, sagte eine Krankenschwester. Da die Arbeit nicht mehr umfassend zum Wohle der Patienten zu schaffen sei, gingen viele Kollegen mit einem schlechten Gefühl nach Hause.
Am Mittwoch führte Landrat Bauer ein Gespräch mit der Staatssekretärin im Sozialministerium in Magdeburg. Die Volksstimme wird berichten.