Marienkirche Barby Marienkirche Barby: Geschichte und Geschichtchen rund um die Entstehung des Bauwerks
„Unsere Kirche ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet“, informiert ein Schild an der Barbyer Marienkirche. Besonders bei großer Sommerhitze folgen Besucher dankbar dieser Einladung. Oft sind es Radtouristen, die die Elbestadt erkunden.

Barby - Die 47 Meter hohe „Dicke Marie“ grüßt von weitem, egal, aus welcher Himmelsrichtung man sich dem Elbestädtchen nähert. Sogar vom 80 Kilometer entfernten Brocken soll man den wuchtigen Turm schon gesehen haben. Darauf verweist ein Zeitungsartikel aus den 1920er Jahren. Darin heißt es: „Dank unseres starken Fernrohrs … und einer außergewöhnlich klaren Winterluft konnten wir den Bismarckturm bei Calbe, den Barbyer Kirchturm und sogar das Schloß Leitzkau erkennen“. Was die Hintergründe zur Entstehung der Kirche sind, die von allen Barbyer geliebt wird.
Willem Verhoeven und seine Partnerin sind auf dem Elberadweg unterwegs. Die Niederländer haben an der Barbyer Elbbrücke ein Schild gesehen, das sie „an das andere Ufer gelockt hat“, wie Femke Van Heuvel gesteht. (Die Arbeitsgruppe Elbbrücke hatte die riesige Werbetafel erst vor wenigen Monaten mit Hilfe einer Hebebühne gereinigt.) Nun schlendern die Niederländer durch die Marienkirche, die wohltuende Kühle und interessante Geschichten bietet.
Hier erzählt ihnen ein Barbyer, der sich zufällig in der Kirche aufhält, eine Legende, die vermutlich einen wahren Kern besitzt. Es ist die Geschichte um den verzweifelten Baumeister der Barbyer St. Marienkirche. Authentisch ist, dass ihr Turm wegen eines statischen Mangels 56 Jahre nach seiner Erbauung 1505 wirklich einstürzte. Etwa um die Mitte des 12. Jahrhunderts war es, als man in Barby zum Bau einer zweiten Kirche rüstete, obwohl die Johanniskirche gerade erst fertig geworden war. Aber dieses Gotteshaus gehörte dem Franziskanerkloster, und ein seltsames Abenteuer schaffte unversehens die Mittel zur Errichtung eines größeren Gotteshauses für die Ortsbewohner herbei.
Einer des Geschlechts derer von Barby – sein Name wird wohlweislich verschwiegen – pflegte damals als Raubritter mit Schiffen die Elbe auf- und abwärts zu segeln, andere Schiffe zu überfallen und auszuplündern. Bei Hamburg aber geriet er in die Übermacht eines Hanseschiffes und wurde, trotzdem sein Leibdiener vom Mastbaum herab flehentlich für seinen Herrn um Gnade bat, mit seiner Mannschaft nieder gemetzelt. Erbarmungslos trennte man den Kopf vom Rumpf.
Marienkirche: Hamburger Lösegeld sorgt für Entstehung der Kirche
Von der ganzen Besatzung des erbeuteten Schiffs vermochte nur der treue Diener sich und die Leiche seines Herrn durch List aus den Händen der Feinde zu retten. Er brachte den kopflosen Leichnam nach Barby zurück, wo er in der Klosterkirche (Johanniskirche) beigesetzt wurde, und nun forderte das schwer gekränkte Geschlecht des Getöteten als Sühne ein bedeutendes Lösegeld von den Hamburgern, das diese letztendlich auch zahlten und das von den Empfängern zum Bau einer großen Stadtkirche bestimmt wurde. Sie sollte der Mutter Gottes, „unserer lieben Frauen“, als der Schutzheiligen der Stadt Barby, gewidmet werden.

Der Mann, dem man den Bau übertragen konnte, war bald gefunden. Er hieß Gunthardt und begann nach seinen Plänen mitten im Städtchen die stattlichen Grundmauern zur Marienkirche auszuführen. Das Kirchenschiff war fast fertig, und auch der Unterbau des Turmes stand schon in beträchtlicher Höhe da, als Gunthardt mit jähem Erschrecken eines Baufehlers gewahr wurde. Völlig verzweifelt ließ der Baumeister sein Werk im Stich, da er seinen Ruhm, seine Ehre und sein Ansehen bei den Menschen für immer daran einzubüßen meinte, und in den trübsten Gedanken irrte er tagelang in den Wäldern am jenseitigen Elbufer umher.
Rettungsplan für die „Dicke Marie“?
Unablässig in seinen quälenden Vorstellungen mit dem verunglückten Kirchenbau beschäftigt, schnitt er Ruten, um ein Modell zu bauen. Wie er die biegsamen Gerten zum Dachstuhl zusammen schloss, blitzte in ihm plötzlich ein Gedanke auf, wie durch ein paar nachträglich eingefügte Stützbalken und Klammern im Turmansatz der Fehler noch auszugleichen sei.
Doch zurück zur Realität: Der regierende Graf Wolffgang I. schaffte in den Folgejahren Geld und Baumaterial herbei, so dass der Wiederaufbau 1565 beginnen konnte. Wann der reparierte Turm fertig gestellt wurde und was die Gründe für den Einsturz waren, bleibt im Dunkel der Geschichte.
Beim Abriss einer maroden Scheune auf dem Grundstück von Stefan Celba gegenüber der Kirche kamen 2010 großformatige Sandsteinquader zum Vorschein, die vermutlich Ziersteine des alten Turms waren. Möglicherweise hatte sie der Nachbar im 16. Jahrhundert aus dem Schutt geborgen und recycelt.