Hundesportlerin Cornelia Wiesner kümmert sich um gestressten Hund "Räuber" nach Fluttagen wieder ganz der Alte
Die Juni-Flut hat Spuren hinterlassen. Menschen kämpfen noch immer um ihr hab und Gut, Natur ist zerstört. Auch Tiere tragen die Folgen. Der Hund "Räuber" hat wohl die aufwühlendsten Tage seines kurzen Leben gehabt.
Breitenhagen l Sirenen schallen durch das Dorf, Rettungskräfte im Dauereinsatz. Die Deich ist gebrochen, die Leute müssen raus, heißt es am 8. Juni in Breitenhagen. Viele aus dem Dorf schnappen sich einige Habseligkeiten, stürzen ins Auto und machen sich davon. Andere können sich höchstens schnell noch eine Jacke schnappen und fahren mit Sammeltransporten ab. Ein großes Durcheinander, weil alles schnell gehen muss. Tatsächlich ist der Saaledamm erst einen Tag später gebrochen. Doch die Evakuierung des Elbe-Saale-Winkels, jetzt offiziell Katastrophengebiet, lässt kaum Zeit für Atempausen. Viele Menschen aus Breithagen, Groß und Klein Rosenburg oder Tornitz haben das so erlebt, sind traumatisiert oder zumindest geprägt bis heute.
"Er ist sonst zugänglich, spielte mit den Katzen und den Hühnern, richtig liebenswert."
"Räuber" ist mittendrin im Gewusel. Ein Welpe, ein Schäferhund-Malinois-Mix, gerade einmal ein bisschen mehr als Jahr alt, hat er die Sorgen aller und besonders seiner Familie mit Heidemarie Ihlau und Friedhelm Radespiel "fellnah" mitbekommen. Und war nicht mehr wieder zu erkennen. "Räuber hat alles und jeden angebellt. Er war aggressiv", sagt sein Frauchen. Heidemarie Ihlau und Friedhelm Radespiel erinnern sich an den Morgen des 8. Juni. Gegen 10 Uhr ging die Sirene, dann war alles in Aufruhr. Die beiden Breitenhagener haben sich "Räuber" geschnappt und sind mit dem Auto nach Eggersdorf gefahren. Für den Vierbeiner war es die erste Fahrt überhaupt. Neben allem Erlebten eine neuerliche ungewohnte Situation.
Zu viel für "Räuber". Während sich Heidemarie Ihlau und Friedhelm Radespiel in der zur Notunterkunft umfunktionierten Bördelandhalle stärkten, machte der Hund draußen Rabatz. "Trotz Wassers und Futters war er nicht zu bändigen. So langsam machten unsere Nerven uns einen Strich durch die Rechnung", sagt Heidemarie Ihlau. In diesem Moment überforderte der liebgewonnene Vierbeiner beide nur noch. "Er ist sonst zugänglich, spielte mit den Katzen und den Hühnern, richtig liebenswert", sagt sein Frauchen fast zärtlich über ihren Kaltschnäuzer. Doch um diese Zuneigung gegenüber ihrem kleinen Liebling aufbringen zu könne, bedurfte es in dieser Situation echter Geduld.
Die war bei Heidemarie Ihlau und Friedhelm Radespiel fast am Ende. Da das Paar "Räuber" nicht alleine lassen konnte, schlief es zwei Nächte lang mit draußen im Auto, immer an der Seite des Vierbeiners. "Wir waren ziemlich fertig, wie lange sollte das so weiter gehen?".
Bördelands Bürgermeister Bernd Nimmich war in den Fluttagen täglich in der Eggersdorfer Halle. Er schaute nach dem Rechten, kümmerte sich mit vielen anderen Helfern darum, dass alles reibungslos läuft. Und seine Idee wurde zum Lichtblick für Heidemarie Ihlau, Friedhelm Radespiel und ihren "Räuber". Der Bürgermeister vermittelte den Kontakt zu Cornelia Wiesner vom Hundesportverein in Biere. "Ihre Erfahrung sollte uns zur großen Hilfe werden."
Conny, wie sie die Vereinsfreunde und Bekannten liebevoll nennen, war sofort zur Stelle. Nicht nur wegen "Räuber". "Wir wollten insgesamt schauen, wie es den Tieren geht, die aus den evakuierten Gebieten mit nach Eggersdorf gekommen sind." Dabei sei "Räuber" aufgefallen, berichtet die Hundeexpertin. Sie erkannte sofort, was Sache war: "Der Hund war im Stress, alles war in Aufregung, die Besitzer waren durcheinanderund reagierten nicht wie gewohnt." Einzig probates Mittel in dieser Situation sei eine Entschleunigung, sei Ruhe gewesen, sagt Cornelia Wiesner. Sie hat "Räuber" mit zu sich genommen und damit auch unter die Fittiche von "Paul". Der Beauceron, ein französischer Hirtenhütehund, ist vor allem eins: gelassen! "Räuber hat schnell von dem viel erfahreneren Tier gelernt", berichtet die Hunde- sportlerin. Sie hab gar nichts machen müssen. Die Hunde haben miteinander gespielt, klipp und klar war gestellt, wer Herr und wer Gast im Hause ist. "Die Tiere entwickeln schnell ein Gespür für diese Hierarchie", sagt Cornelia Wiesner. Ein Aspekt, der auch bei den Welpenspiel- oder Hundespielstunden des Vereins zum Tragen kommt, wenn sich dutzende verschiedene Rassen regelmäßig auf dem Bierer Hundeplatz tummeln. Ganz ohne Stress, spielerisch und neugierig aufeinander.
"Der Hund war in Not. Für ¿Räuber\' war das so ein bisschen wie Ferien auf dem Bauernhof."
Zu diesen Stunden kommen Heidemarie Ihlau und Friedhelm Radespiel jetzt einmal in der Woche auch mit "Räuber". Conny Wiesner sagt, dass der Hund wie "ein Rohdiamant hier den letzten Schliff" bekäme. Hier gibt es auch Training, der Hund lernt Unterordnung. Das Paar ist der ausgewiesenen Hundeexpertin dankbar, dass sie den Vierbeiner unentgeltlich für mehrere Tage aufgenommenhat. Rund 58 000 Euro Flutschaden beklagt es am eigenen Grundstück. "Ein Trost ist, dass ¿Räuber\' wieder ganz der alte ist", sagt Heidemarie Ihlau. Für Tierfreundin Conny Wiesner eine Selbstverständlichkeit. Als "Räuber" nach Biere kam, war er kaum fünf Minuten im Zwinger, da habe er schon fest durchgeschlafen. Mal ganz in Ruhe. Cornelia Wiesner würde alles wieder so machen und Hilfe anbieten. "Der Hund war in Not. Für ¿Räuber\' war das ein bisschen wie Ferien auf dem Bauern- hof!"