Lödderitzer Jäger- und Heimatfest pflegt selbst erfundene Traditionen Sandmännchen kommt mit einem Riesen-Dumper
Seit 1974 hat das Lödderitzer Jäger- und Heimatfest eine gute Tradition. Die 231-Einwohnergemeinde am Rande des Biosphärenreservats feierte am vergangenen Wochenende mit einem originellen Programm.
Lödderitz l Zum traditionellen Auftakt zählte am Freitag der Auftritt des Sandmännchens, das in der Vergangenheit mit allen möglichen Mobilen kam. In diesem Jahr war es aus wahrhaft naheliegendem Grund ein riesiger Dumper. Stadtrat und Heimatvereinsmitglied Ingolf Fietz hatte die Firma Jaeger gebeten, die unweit des Dorfes den neuen Deich baut. Und so geschah, was eigentlich verboten ist: Ein riesiger Lkw rollte mitten durchs Dorf, um das Sandmännchen als den Star des Abends vorzufahren. (Es wurden vor Jahren extra Umgehungsstraßen gebaut, um die vielen Transporte aus dem Ortskern fernzuhalten.)
Wobei es alle Jahre wieder ein eindeutiges Reglement zu beachten gilt: Ein Kind im frühen Grundschulalter, das in Lödderitz wohnen muss, schlüpft dann in die Rolle des Sandmännchen.
In diesem Jahr war es Lucas Wischnowski, der bald in die 3. Klasse kommt.
Was mit einem artigen Ponygespann begann, steigerte sich bis zum russischen Riesen-Lkw "Krass", einem gewaltigen Autokran, der seinen Ausleger in den Himmel schob oder der Feuerwehr. Sogar die Polizei konnte schonmal gewonnen werden, den Spitzbart im Streifenwagen vorfahren zu lassen. Im vergangenen Jahr wurde das Sandmännchen mit Simson-Mopeds der Marke "SR 2" eskortiert.
Ein - benutzt man mal das strapazierte Modewort - Alleinstellungsmerkmal für Lödderitz.
Leihgeber stellen "Bierhumpen" zur Verfügung
Eine nicht weniger lange Tradition haben auch Sonderausstellungen in der Heimatstube. Dort drehte sich mal ausnahmsweise nicht alles um den Biber - sondern ums Bier. Zumindest um dessen Trinkgefäße.
Heimatvereinsmitglied Birgit Litschke hatte Leihgeber aus nah und fern aufgetrieben, die mehr oder weniger kunstvolle Humpen zur Verfügung stellten. Die Spanne reichte von Kitsch ("Wo früher unsere Leber war, ist heute eine Minibar") bis Antiquität. Letztere steuerte Ingolf Fietz bei, dessen patriotischen Reservistenkrüge über hundert Jahre unter dem Zinndeckel haben. Einer von ihnen zeigte den rauschebärtigen Kaiser Wilhelm I., andere ins Zivile entlassene Pickelhaubenträger.
Passend dazu darf man wohl die Sportart "Maßkrugschieben" bezeichnen, die allerdings infolge großer Wasser- planscherei im Freien stattfand.
Eine gute Idee war beim Tanzabend die Einlage "DDR-Modenschau". Die Lödderitzerin Ina Fritzsching wurde kurzerhand als Moderatorin verpflichtet, um typische und schräge Textilkombinationen aus VEB-Zeiten anzukündigen. Von der Nylon-Kittelschürze über sowjetische Pelzmode bis hin zum volkseigenen Dessous trafen die launigen Models Ingelore und Heidi den Publikumsgeschmack.
Außerdem wurde der Schützenkönig gekürt, der zum vierten Mal in Folge Martin Knopf heißt.
1974 wurde das Jägerfest in der Gaststätte von Willi Kuckuck aus der Wiege gehoben. Besonderer Renner war damals ein Wildgulasch, das in einer geliehenen Gulaschkanone des MLK-Calbe zubereitet wurde. Die Leute kamen sogar vom Campingplatz Akazienteich Aken, um in Milchkannen das leckere und vor allem seltene Mahl wegzuschleppen.
Damals wurde dem Sieger als erster Preis ein Wildschwein überreicht, was einer kleinen Sensation im Broilerstaate gleichkam.
In jener Zeit erlegte man bei Lödderitz jährlich 120 Stück Schwarzwild; heute ist es nicht mal die Hälfte. Wie ein Zeitzeuge berichtete, wurden in den 60er Jahren 5500 Hasen geschossen. Zahlen, die uns heute wie aus einem Märchen erscheinen.
Besonders stolz sind die Jäger, dass seit knapp 30 Jahren wieder Rotwild ansässig ist. (In den 80ern fiel bei Diebzig ein 21-ender Hirsch.) Nach dem Krieg rotteten der Hunger und die Besatzungsmacht diese stolzen Tiere aus.