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Tierseuche Wer möchte 3000 Schweine haben?

Bei ihrer Jahreshauptversammlung macht die Jägerschaft Schönebeck die Afrikanische Schweinepest zu ihrem Themenschwerpunkt.

Von Thomas Linßner 21.03.2018, 00:01

Barby l Seit Jahren ist die Seuche auf dem Vormarsch. Das für Schweine hoch ansteckende, aber für Menschen ungefährliche Virus wurde bereits in Tschechien und Polen nachgewiesen.

Zwar hören in Barby die anwesenden Weidmänner Rechenschaftsberichte, nicken zustimmend, als Vorsitzender Jens Dedow etwas zur Unzufriedenheit vieler Revierinhaber mit ihrer Berufsgenossenschaft sagt oder runzeln die Stirn über den Anstieg der eingeschleppten Tierarten wie Waschbär und Marderhund. Schwerpunkt der Jahreshauptversammlung im „Rautenkranz“ ist allerdings ein Thema: die Afrikanische Schweinepest.

Aus Sicht des Umweltministeriums würde die derzeit hohe Wildschweindichte in Deutschland dazu führen, dass sich die Tierseuche - falls sie eingeschleppt wird - schnell ausbreitet. Die Bekämpfungsmaßnahmen müssten dann von den Landkreisen, Städten und Gemeinden durchgeführt werden. Impfmittel gebe es derzeit nicht. Schwarzwild müsse deutlich mehr bejagt werden, wie bisher. Jens Dedow nennt Zahlen: Betrug der Wildschweinbestand im Jagdjahr 2008/09 noch 700 Stück, hatte sich der Bestand 2016/17 verdoppelt.

Zur Vorbeugung gegen die Afrikanische Schweinepest fordert der Bauernverband den Abschuss von 70 Prozent der Wildschweine in Deutschland. Ein Ausbruch würde „katastrophale Folgen“ für die Schweinehalter haben, die Märkte zusammenbrechen. Mit Blick auf die zuweilen ausartende öffentliche Diskussion zum Status der Jäger, bemerkt Dedow sarkastisch: „Wenn wir Tiere töten, sind wir Mörder - wenn es um die ASP geht, sollen wir plötzlich liefern.“

Und: „Selbst wenn wir das schaffen würden, wo sollten wir mit rund 3000 Schweinen hin?“, schüttelt Dedow den Kopf. Wer würde einen solchen Schub abnehmen? Der Vorsitzende regt eine bessere „strategische“ Vermarktung an. Man müsse Fleischer finden, die das Wild abnehmen und die bisherige Werbekampagne „Wild auf Wild“ deutlicher proklamieren. Denn die Verbraucher wüssten zu wenig davon. Frank Bläsing, Wirt des Rautenkranzes, hört aufmerksam zu: „Klar, würden wir mehr Wild anbieten. Alles eine Frage des Preises.“

Auch Salzlandkreis-Amtstierärztin Dr. Marina Bradtke stimmt der breiteren Wildvermarktung zu. Was sei ökologischer und regionaler als Wildfleisch?! Und sie gibt Hinweise, was zu tun ist, damit sich die Afrikanische Schweinepest nicht weiter verbreitet. Es soll eine Sachverständigengruppe aufgebaut und ein Maßnahmeplan aufgestellt werden. „Wir können nichts am grünen Tisch entscheiden. Wir brauchen Ihren Sachverstand“, sagt sie zu den Jägern. Das Maßnahmepaket sei jedenfalls geschnürt. So sollen im Kreis beispielsweise 22 Parkplätze geschaffen werden, wo Trucker übernachten und ihre Abfälle in gut verschließbaren Containern entsorgen können. Mit der Vielzahl osteuropäischer Fahrer kämen Lebensmittel nach Deutschland, landeten Abfälle in Mülleimern. Die Ausbreitung der Seuche aus Osteuropa nehme laut Marina Bradtke so ihren Lauf. „Zur Früherkennung unterstützen wir die Jägerschaft ab sofort mit einer Prämie: Für die Beprobung von Fallwild erhalten Sie jeweils 50 Euro“, kündigt die Veterinärin an.

Kreisjägermeister Jens Hennicke macht auf ein lokales Problem aufmerksam. Durch die Erweiterung der Kernzone im Lödderitzer Forst werde sich der Schwarzwildbestand extrem vergrößern. Abgesehen von zwei Gesellschaftsjagden müsse dort das Jahr über der Finger gerade gelassen werden. „Wenn Landwirte und Politik von uns fordern, dass wir 70 Prozent des Bestandes erlegen sollen, dann kann es nicht sein, dass in solchen Schutzgebieten keine Jagd stattfinden darf“, grollt Hennicke. Eine deutliche Ansage in Richtung Landespolitik, eine Regelung zu schaffen. Der oberste Jäger des Kreises geißelt zudem das Verhalten des Landesforstes bei der jüngsten Lödderitzer Drückjagd im Dezember 2017, wo das erlegte Wild sofort – fast konspirativ – abgefahren und nicht, wie nach alter Tradition üblich, „als Strecke gelegt“ wurde. Für diese Worte erntet Hennicke leidenschaftlichen Applaus.

Der Salzlandkreis übernimmt die Kosten für die Schwarzwild-Trichinenproben, die bisher die Jäger trugen. Hennicke lobt das ausdrücklich. Und er legt seinen Weidgenossen ans Herz, fortan „weidgerecht aber beherzt“ zu jagen.