Weizenernte Schlimmer als vermutet
Bei der Agrar GmbH in Barby ist bereits die letzte Ernte eingefahren worden.
Barby l Erntemaschinen dreschen das gelbe Korn auf den Feldern zwischen Calbe und Barby. Die Mitarbeiter der Agrar GmbH Elbe-Saale & Co. KG sind auf den Weizenflächen unterwegs gewesen – am Mittwoch das letzte Mal. Denn in Barby wurde die letzte Ernte eingefahren. Richtig glauben kann der Geschäftsführer des landwirtschaftlichen Betriebes, Yves Blume, das noch nicht. In den vergangenen Jahren begann die Ernte meist erst Mitte Juli. 2018 fuhren die Mähdrescher schon ab 19. Juni aus – und brachten Weizen mit, der für Kopfzerbrechen und Existenzängste sorgt.
Blume denkt zurück: 2014 sei ein gutes Erntejahr gewesen. Nun ist es allerdings das vierte Jahr in Folge, in dem eine extreme Trockenheit zu verzeichnen sei. „Es ist schlimmer als vermutet oder sich ein Laie ausmalt“, erzählt der Agrar-Chef.
Besorgnis erregende Zahlen schiebt er hinterher: So seien seit Jahresbeginn insgesamt 142 Millimeter Regen gefallen. Um ein vernünftiges Ernteergebnis zu erzielen, hätte es mindestens 250 Millimeter regnen müssen.
Dass die extremen Witterungsbedingungen in diesem Jahr erneut für einen Negativrekord bei den Landwirten sorgen, ist mehr als bedauerlich. Auf rund 3000 Hektar betreibt das Barbyer Unternehmen reinen Ackerbau. Auf dem Großteil der Fläche – etwa 1000 Hektar – steht Weizen. Die Einbußen belaufen sich laut Blume bei dieser Getreideart auf rund 50 Prozent. Ähnlich sehe es bei der Gerste, weit schlimmer noch beim Raps aus. Der geringe Niederschlag in Kombination mit der extremen Trockenheit sorgt für diese hohen Ernteausfälle.
Der Mais steht noch. Dessen Blätter kringeln sich. Hier und da erwecke er den Eindruck von Schilf. „Schläfrig“ sehen zudem die Rüben mit ihren am Boden liegenden Blättern aus. Durch die äußeren Bedingungen haben sich im Ackerboden riesige Risse aufgetan. Selbst ergiebiger Regen würde die übrig bleibende Ernte nicht mehr retten, gibt Blume einen Einblick in die gegenwärtige Situation. Der Boden sei so trocken. Die Kulturen würden von dem potenziellen (kurzen, aber kräftigen) Wasserüberfluss kaum etwas haben. „Den letzten richtigen Regen hatten wir hier am 11. April“, sagt der Chef über 25 Mitarbeiter.
Auswirkungen zeigen sich bereits beim Blick in die Lagerboxen, die teilweise bis zu 4000 Tonnen an Weizen aufnehmen können. Pardon, könnten. Zahlreiche der Kammern bleiben leer. In der größten Lagerbox macht das rund ein Drittel des gesamten Aufnahmevolumens aus. Die Qualität des Weizens, der eingefahren wurde, ist mäßig bis schlecht, kommentiert Blume. Zwar haben verarbeitende Betriebe, wie Mühlen, bereits Abstriche bei der angenommenen Getreidequalität gemacht, aber Blume und seinem Team nützt das nichts. Ihr Weizen erfüllt selbst die herabgesetzten Parameter nicht. Bedeutet: Kein Barbyer Weizen wird in diesem Jahr an Mühlen geliefert. Das „Beste“, was man zu bieten hat, wandert diesmal in die unweit entfernte Weizenstärkefabrik Cargill.
Der Geschäftsführer nimmt eine Handvoll Körner aus einer 1000 Tonnen umfassenden Lagerbox. Die Körner sind klein. Manchmal verschwindend klein. „Das ist nichts, das ich verkaufen kann“, sagt er mit Blick in seine Hand. Problematisch auch, dass in diesem Jahr weniger „Korn im Korn“ ist. Das senke das Gewicht – und verringere mögliche Verkaufsmengen. Die Körner, die er zeigt, seien allerdings ohnehin nicht für den Verkauf. Sie besitzen schlichtweg eine zu schlechte Qualität für derartige Zwecke. Daher wird mit ihnen die Biogasanlage – das zweite Standbein des Agrarbetriebs – gefüttert.
Natürlich könne ein Landwirt auf Rücklagen zurückgreifen. „Damit kann man mal ein, zwei schlechte Jahre überbrücken“, sagt er. „In den letzten fünf Jahren hat es aber auch keine gewinnabwerfenden Preise gegeben, sodass die Rücklagenbildung zu gering ist, um über mehrere Jahre eine schlechte Ernte abfangen zu können“, betont er klar. Das wird Folgen haben. Sicher keine Entlassungen, aber vielleicht einen zusätzlichen Kredit und gleichzeitig Einsparungen. Wodurch letztere entstehen, darüber hat er sich bereits Gedanken gemacht: So könnte 2019 an der einen oder anderen Pflanzenschutzmaßnahme gespart werden, überlegt er.
Investieren? Auch – allerdings in Beregnungssysteme. Eine sogenannte Kreisberegnung – nach jetzigen Überlegungen für die Rüben (hier ist der Ertrag pro Tonne höher als etwa beim Getreide) – solle angeschafft werden. Kostenpunkt: rund 70.000 Euro.
Yves Blume rechnet allein bei der aktuellen Ernte mit einem Millionenschaden. Letztlich hoffe er auf ein Reagieren der Politik. Ein Agieren des Landwirtes könne nach seiner Ansicht aber nicht darin bestehen, dass er von einem Jahr auf’s andere ertragreichere Kulturen gegen weniger gewinnbringende austauscht. „Das geht nicht so einfach. Hier muss allerlei beachtet werden, zum Beispiel die Fruchtfolge“, sagt er. Diese wird als eine zeitliche Abfolge der auf einer landwirtschaftlichen Fläche angebauten Nutzpflanzenarten im Ablauf der Vegetationsperiode und Jahre verstanden.
Von der Politik und auch von Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert wünscht er sich konkrete Vorschläge. „Welche trockenresistenten Pflanzen soll ich anbauen, die über zwei, drei Monate kein oder kaum Wasser benötigen und trotzdem gedeihen?“, will er wissen. Er kenne keine, kommentiert er.
Nach seiner Ansicht müsse auch der Staat einschreiten, indem er eine staatliche, bezahlbare Dürreversicherung anbietet. Eine Art Gefahrenversicherung, denn – auch davon ist Blume überzeugt – „besser wird es nicht“. Positiv sei nur eines: Keines seiner Felder sei abgebrannt. Dann, sagt er, wäre es zu einem Totalausfall gekommen, den seine Versicherung nicht getragen hätte.