Dieselmotorenwerker erinnern sich an ihre gemeinsame Zeit im einstigen VEB Werk "Wie ein Familienbetrieb waren wir"
Alle halbe Jahr treffen sich einige Mitarbeiter des ehemaligen Dieselmotorenwerks, um in Kontakt zu bleiben. Einige Geschichten aus dem Arbeitsalltag sind in guter Erinnerung geblieben. Die Volksstimme gesellte sich dazu.
Schönebeck l Es wird laut in der Gaststätte als sich die Mitarbeiter des einstigen Dieselmotorenwerks freudig begrüßen. Alle halbe Jahr trifft sich "der harte Kern" der ehemaligen Versuchsabteilung, damit der Kontakt untereinander nicht verloren geht. 1995 wurde das Werk endgültig geschlossen. "Wir hier am Tisch sind mit die Letzten, die bei Werkschließung noch da waren", erklärt Jutta Müller. Sie war Planungschefin für Forschung und Entwicklung. Die Motoren wurden vor Ort nämlich nicht nur hergestellt, sondern auch entwickelt und ständig verbessert.
Sieben Menschen sitzen nun um den Tisch und freuen sich auf einen gemeinsamen Abend: Dr. Klaus Korb, Friedrich Nolting, Hans Berg, Ursula Stahlke, Jutta Müller, Georg Poler und Walter Musche. Anfänglich werden noch Floskeln ausgetauscht, später dann auch nach den Verwandten gefragt. Die Beziehung unter einander ist immer noch eng und vertraut. "Wie ein Familienbetrieb war das bei uns", sagt Georg Poler. Er ist im Dieselmotorenwerk in die Lehre gegangen. Hat Schlosser gelernt, später seinen Meister gemacht. Am Ende war er leitender Angestellter im Kundendienst. Von der Pike an dabei, "so sollte es ja auch sein", meint Poler. Wer weiß, wie die eigenen Motoren funktionieren kann den Kunden besser bedienen. "Zulieferfirmen gab es da noch nicht, so wie heute. Wie haben alles selber entwickelt, hergestellt und anschließend beim Kunden montiert. Außer vielleicht die riesen Schiffsmotoren. Die mussten dann nach Rostock zur Montage gebracht werden."
Anfang 1985 wurde die ganze Fertigungshalle zerstört
Nachdem die Getränke gebracht werden, erwacht auch bei den anderen die Erzähllust. Hans Berg war Chefkonstrukteur und ist der Älteste unter den Anwesenden. Am 15. August 1956 hat der heute 82-Jährige im Dieselmotorenwerk angefangen, das weiß er genau. In guter Erinnerung geblieben ist noch die Zusammenlegung von den VEB Traktoren- und Dieselmotorenwerk am 1. Januar 1985. Die damit einhergehenden betrieblichen Veränderungen waren gewiss eine Umstellung für alle Beteiligten. Ein paar Tage nach diesem großen Ereignis verursachte ein Brand in der Fertigungsanlage einen großen Schaden: Die ganze Halle wurde zerstört. Auch Hans Berg erinnert sich noch an diesen Abend. Der 82-Jährige war gerade am Schönebecker Bahnhof, als es begann. "Plötzlich stieß über dem Werk ein Feuerstrahl, wie eine Rakete in den Himmel", beschreibt Berg, was er gesehen hat. Das Feuer entwickelte sich zu einem Flächenbrand auf dem Dach. Berg rannte los. Erst zu der Telefonzelle am Bahnhof, um den Brand zu melden. Doch im Werk wusste man schon Bescheid. Berg lief daraufhin weiter, den ganzen Weg zum Werk bei eisigen Temperaturen. "Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass der Prüfstand brennt", bekennt er. Gemeint ist die Maschine, durch welche die Leistung der Motoren geprüft werden konnte. Dann sah er jedoch, dass es die große Werkshalle getroffen hatte. Die wahre Katastrophe folgte jedoch erst. Durch die minus 15 Grad Celsius Außentemperatur waren die Anschlussstellen für die Löschschläuche der Feuerwehr gefroren und konnten nicht in dem Maß genutzt werden, wie es nötig war. So brannte die Halle bis auf die Grundmauern nieder. "Am nächsten Tag hing das Löschwasser in Eiszapfen von den verkohlten Dachbalken. Selten sieht man so ein Zusammenspiel von Feuer und Wasser", schildert Georg Poler seine Beobachtung. Die Betroffenheit spiegelt sich auch heute noch in den Gesichtern seiner Kollegen.
Doch es gibt auch schöne Erinnerungen. Gerne wird betont, wie gut sich alle Mitarbeiter verstanden haben. Das kommt auch mit der langen Zusammenarbeit. Immerhin kennen sich einige schon ein halbes Jahrhundert. Walter Musche und Hans Berg zum Beispiel. Mit Lob hält man sich nicht zurück. Ursula Stahlke ist die Sekretärin des Chefkonstrukteurs gewesen. In hohen Tönen preist Berg ihre Arbeit. Kaum war das Protokoll diktiert, lag es schon ausgefertigt auf dem Schreibtisch.
Auf Familienfesten traf man alle möglichen Kollegen
Georg Poler erzählt, dass er in der werkseigenen Volkstanzgruppe Tanzen gelernt hat. Überhaupt wurde im Dieselmotorenwerk wie in VEB-Betrieben üblich auch viel auf das soziale Engagement geachtet. Es gab unter anderem Sportfeste, Orchester und einen Männerchor. Die persönliche Beziehung der Mitarbeiter war für den Erfolg des Unternehmens Ausschlaggebend, sind sich die Anwesenden einig. "War ich auf einem Familienfest, einer Hochzeit beispielsweise, traf ich alle möglichen Kollegen", so Poler. Da sah man erst einmal, wie viele Familien durch den Betrieb auf irgendeine Weise miteinander verbunden waren.
Als das Essen serviert wird, verstummt es um den Tisch herum. Die Gedanken schweifen ab. Nach dem Essen wird ein neuer Termin für ein Wiedersehen vereinbart. Dr. Klaus Korb kümmert sich ein bisschen darum, mit dem Wunsch, dass der Kontakt noch lange erhalten bleibt.