Pandemie 70.000 Proben auf Corona getestet
Im Bernburger Zentrallabor von Ameos werden Corona-Proben aus Schönebeck, Bernburg, Halberstadt, Haldensleben und Alfeld ausgewertet.
Bernburg/Schönebeck l Das Ameos-Zentrallabor in Bernburg hat seine Kapazitäten für Corona-Tests seit März massiv ausgeweitet. Proben aus Kliniken, Testzentren und Arztpraxen werden untersucht. Der Technische Leiter der Mikrobiologie, Dr. Mark Wasner, spricht im Interview über die aktuelle Lage.
Volksstimme: Wie schätzen Sie die Corona-Lage im Salzlandkreis ein?
Dr. Mark Wasner: Die Testzahlen steigen deutlich an, auch getrieben durch die Wiedereröffnung des Fieberzentrums Bernburg und andere Testaktivitäten. Aus unserer Sicht droht jedoch kein Versorgungsengpass. Wir liefern Testergebnisse wie bisher 24 Stunden ab Probeneingang in unserem Labor. Seit März haben wir 70.000 Proben auf Corona untersucht. Etwa die Hälfte kommt heute aus den Kliniken, die andere Hälfte aus dem ambulanten Bereich mit Fieberzentren und Arztpraxen.
Wie beurteilen Sie den Andrang im Testzentrum Bernburg – der Landkreis berichtete kürzlich von 250 Personen, die dort Schlange standen?
Es ist natürlich verständlich, dass der eine oder andere bei steigenden Infektionszahlen oder aus anderen Beweggründen als gesundheitlichen wissen möchte, ob er Corona haben könnte. Diese Panik ist aber meines Erachtens der Politik geschuldet, die völlig verschiedene Linien fährt. Der Vorstoß von Haseloff zu 100.000 Schnelltests ist eine schöne Idee, aber führt zugleich zu Verwirrung in der Bevölkerung.
In den ersten vier Wochen der Pandemie hatte Ihr Labor 4.344 Abstrichproben auf Corona untersucht. Wie ist die Auslastung jetzt?
Wir sind bei einer Auslastung von etwa 1.000 Proben am Tag. Von der Stimmung her herrscht unter den Kollegen eine gewisse Unsicherheit, wie die Zukunft aussieht. Zum einen sind wir froh, dass unsere Arbeitsplätze nicht betroffen sind. Zum anderen würden wir unsere Testkapazitäten gern hochfahren, aber es ist schwierig Fachpersonal zu bekommen. Wir haben Stellenausschreibungen laufen, um die bestehenden Kollegen zu entlasten. Im Kern sind es drei Personen, die das Arbeitsaufkommen im Labor abzuarbeiten haben. Man beginnt morgens um 8 Uhr und ist durchaus bis 21, 22 oder 23 Uhr beschäftigt.
Verlief der Sommer für Sie im Labor entspannter?
Entspannt ist in Corona-Zeiten gar nichts. Es läuft in der aktuellen Form seit dem Frühjahr. Probleme wie andere sie hatten, dass man nicht wusste, wohin man mal noch schnell in den Sommerurlaub fährt, hatten wir zumindest nicht.
Wie viele positive Tests haben Sie bisher herausgefischt?
Wir haben keine Quote der positiven Testresultate mehr errechnet. Dies macht keinen Sinn, da Personen oft mehrfach getestet werden, zum Beispiel das Personal an den Ameos-Kliniken. Außerdem kommt es zu vielen Negativtestungen bei asymptomatischen Patienten, wo es nur darum geht, dass diese gefahrlos in medizinische Einrichtungen eingewiesen werden können.
Mittlerweile haben sich die Zahlen zwar relativiert, aber der Salzlandkreis hatte in letzter Zeit den höchsten Inzidenzwert unter den Landkreisen in Sachsen-Anhalt, nur Magdeburg lag davor. Wie erklären Sie sich das?
Dies hatte sich im Frühjahr bereits angedeutet. Damals sind wir mit recht wenigen Infektionen durch das Corona-Geschehen gekommen, haben also wenige immune Menschen im Salzlandkreis, die Infektionsketten unterbrechen könnten, und dafür viele empfängliche Patienten. Aber das ist nur eine Theorie. Wie das aktuelle Bild zustande kommt, ist heute aufgrund der mosaikartigen Verteilung des Virus nicht mehr abzulesen. Der Eintrag passiert an vielen Stellen - durch Reiserückkehrer, ältere Menschen, Kitas und Schulen.
Warum sind zunehmend Kitas und Schulen betroffen?
Das kann ebenso durch die vergleichsweise geringen Infektionsraten im Frühjahr und Sommer kommen. Kinder wurden bisher besonders geschützt. Sie sind außerdem generell anfällig für Atemwegs-erkrankungen, wegen der Art ihrer sozialen Kontakte und weil respiratorische Erkrankungen besonders im Alter bis 16 Jahren auftreten. Heute betrifft das Infektionsgeschehen auch mehr Familien beziehungsweise wird das Virus in Familien verteilt.
Aktuell haben die Gesundheitsämter Mühe, alle Kontaktpersonen von Infizierten zu ermitteln. Was passiert, wenn man diese Teststrategie in Zukunft nicht mehr aufrechterhalten kann?
Infektionsketten komplett nachzuverfolgen wird immer schwieriger für die Gesundheitsämter, weil die entsprechende Anzahl an Mitarbeitern nicht zur Verfügung steht. Irgendwann ist die Viruslast in der Bevölkerung so hoch, dass man von Infektionen nicht mehr auf einzelne Events oder Partys schlussfolgern kann. Ob die Teststrategie der Kontaktverfolgung dann noch sinnvoll ist, muss sich noch herausstellen. Kostenlose Tests quer durch die Bevölkerung wie in anderen Bundesländern dürften in Zukunft nicht durchführbar sein. Bundesweit gibt es dafür nicht genug Labore, nicht genug Ärzte und nicht genug Material auf dem Weltmarkt.
Was heißt es für Ihr Labor, wenn die Infektionszahlen noch weiter steigen?
Wir sind noch nicht an der Kapazitätsgrenze angelangt und erwarten in dieser Woche die Installation einer neuen Geräteplattform. Auch wenn in Zukunft vielleicht nicht mehr alle Kontakte zurückzuverfolgen sind, werden wir im Labor nicht weniger Proben haben. Wenn der Wellenbrecher-Lockdown wirkt, kann die Anzahl kurz abnehmen. Aber ein weiterer Anstieg wird kommen.
Im Salzlandkreis werden auch proaktive Testungen etwa in Pflegeeinrichtungen durchgeführt, das heißt, es wird ohne konkreten Verdachtsfall vorsichtshalber getestet. Wie ist das Labor dabei eingebunden?
In Zusammenarbeit mit den Landratsämtern testen wir teilweise proaktiv in Behinderteneinrichtungen, Kitas, Schulen und Altenheimen, wenn wir vom Gesundheitsamt dazu legitimiert werden. Ansonsten macht es wenig Sinn, proaktiv zu testen. Man kann nicht loslaufen und an der Straßenecke trommeln, um alle mal durchzutesten.
Massentests machen also keinen Sinn?
Was würden wir daraus lernen, wenn wir Tausende Menschen negativ abstreichen, besonders wenn diese asymptomatisch sind und keinen belegten Kontakt zu Infizierten hatten? Zudem ist ein Test nur eine Momentaufnahme, der stündlich variieren kann. Der Patient kann sich eine Stunde später im Einkaufszentrum anstecken. Man sollte sich beim Testen auf Kontaktpersonen, das Personal im Gesundheitswesen, Risikogruppen und symptomatische Patienten beschränken.
Welche Fehlerquote verzeichnen Sie bei Corona-Tests?
Kein Test ist fehlerfrei. Es gibt Einzelfälle, wo das Ergebnis nicht passt. Deswegen werden immer ein Retest und die Überwachung des Patienten empfohlen. Das Testergebnis kann beeinflusst werden durch Probenahme-Sets, die vom Personal kontaminiert wurden, Medikamente oder Störfaktoren im Rachen oder dass nicht ausreichend Probematerial eingesandt wurde, aber auch durch die Natur der Erkrankung, bei der man nie sagen kann, ob sie gerade am Anfang, in der Mitte oder am Ausklingen ist.
Was haben Sie seit März über das Coronavirus gelernt?
Es ist ein Virus wie viele andere und eines, das sich gut nachweisen lässt, wenn man die Analytik einhält. Analog zu anderen Viren zeigt das Coronavirus einzelne sehr schwere Infektionen sowie auch asymptomatische Verläufe.
Sehen Sie im Labor Veränderungen des Corona-Virus?
Im Moment deutet sich nicht an, dass wir das Virus demnächst nicht mehr erkennen würden. Wir arbeiten mit einer Multi-Target-Strategie (Anmerkung der Redaktion: mehrfacher Nachweis des Virus bei einer Probe für höhere Testsicherheit). Veränderungen des Virus werden wir im nächsten Jahr sehen, wenn es länger im Umlauf war.
Inwieweit spielen Antigen-Tests eine Rolle?
Der Antigen-Test wird in unseren Kliniken dort eingesetzt, wo sofort ein Indiz zum Ausschluss einer möglichen Erkrankung notwendig ist. Diesem muss immer ein negativer Labortest folgen. Auch bei diesem Thema wird viel Unruhe in der Bevölkerung durch die Politik provoziert: Mit dem Antigen-Test kann man nicht jeden testen. Fehler durch ungeschultes Personal erhöht das Risiko falscher Ergebnisse.
Welche Probleme beschäftigen Sie im Labor?
Verbrauchsmaterialien sind nicht so verfügbar wie wir es gern hätten. Wir müssen manchmal schon überlegen, wie wir die nächsten Tests durchführen. Das ist vor allem ein Zuliefererproblem.