Razzia Albanischer Drogenring in Staßfurt
Ein albanischer Drogenring hat in einer Spielothek in Staßfurt große Mengen an Marihuana anbauen lassen. Warum gerade in Staßfurt?
Staßfurt/Berlin/Antwerpen l Um 6 Uhr am 6. Februar dieses Jahres stürmen schwerbewaffnete Polizisten nicht nur die Spielothek in der Lehrter Straße in Staßfurt. Zeitgleich werden 30 Häuser durchsucht, fünf weitere Cannabis-Plantagen ausgehoben, Bargeld, Handys, Pistolen und Munition im Wert von 60.000 Euro sichergestellt und 25 Mitglieder eines albanischen Drogenrings festgenommen – in Spanien, Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Berlin, Brandenburg und Staßfurt. Das geht aus Informationen der Europol, eine Art europäische Interpol, hervor, die die Ermittlungen leitete.
Warum gerade Staßfurt, klärte sich am Mittwoch am Amtsgericht Aschersleben. Dort stand der Kontaktmann zwischen der internationalen albanischen Drogenmafia und den Inhabern der Spielothek in Staßfurt vor Gericht. Während die 25 Bandenmitglieder nach Belgien ausgeliefert wurden und dort laut Antwerpener Gericht im Gefängnis auf ihren Prozess warten – laut Europol organisierte der Kopf der Bande von dort aus den Drogenhandel zwischen Südamerika und Europa – spielte der Kontaktmann nur eine Nebenrolle.
Am Amtsgericht Aschersleben musste sich der 45-Jährige wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verantworten, worauf ein bis 15 Jahre Freiheitsstrafe stehen können. Der Angeklagte räumte seine Mitwirkung am Aufbau der Plantage in Staßfurt ein. Bei der Razzia im Februar fanden die Ermittler immerhin 2158 Cannabis-Pflanzen.
Dazu ergab eine Analyse des Landeskriminalamtes: Bei den Pflanzen handelte es sich zwar noch um Setzlinge, die einen geringen Wirkstoff aufwiesen und noch „unreif“ waren. Als ausgewachsene Pflanzen hätte das Marihuana aber 200.000 bis 400.000 Euro eingebracht.
Seit Mitte 2019 soll die Cannabis-Plantage in der Staßfurter Spielothek aufgebaut worden sein, offenbar bei laufendem Betrieb. Der 45-jährige, der jetzt vor Gericht stand, war bis dato ein unbescholtener Bürger und nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Der mazedonische Staatsbürger albanischer Herkunft lebt seit über 25 Jahren in Berlin, spricht fließend deutsch und brachte sich, seine Frau und zwei Kinder mit Jobs beim Bau, Umzugs- und Sicherheitsfirmen über die Runden.
Letztes Jahr wird er krank und kann nicht mehr körperlich arbeiten. Er nimmt in Berlin einen neuen Job als Übersetzer bei albanischen Geschäftsmännern an. Zunächst übersetzt er bei völlig legalen Geschäften ins Deutsche. Schnell wird ihm aber klar, dass die Gruppe sich auch in illegalen Sphären bewegt.
Dann behaupten die Albaner, er habe bei einer wichtigen Verhandlung falsch übersetzt - dadurch sei ihnen ein finanzieller Schaden von 25.000 Euro entstanden. Auf die angeblichen Schulden erpressten ihn die Albaner.
„Er hat dann mitbekommen, dass die Gruppe auf der Suche nach einem Lager war“, erklärte der Anwalt des Angeklagten vor Gericht. Der Familienvater stellt also den Kontakt zu zwei Geschäftsführern einer Berliner Immobilienfirma her, die auch in Besitz der Staßfurter Spielhalle ist. Die beiden Männer hatten die Spielothek 2018 übernommen und seitdem betrieben.
Der Kontaktmann übersetzte mehrere Vermittlungsgespräche zwischen den Albanern und den Berlinern. Sollte die Sache Erfolg haben, waren die Albaner bereit, ihm die Schuld zu erlassen.
Im letzten Jahr liefert die Gruppe im Lkw Teile zum Aufbau der Plantage am Neumarkt in Staßfurt an. „Er half beim Entladen des Materials, besorgte einige Dinge im Baumarkt und holte Lebensmittel für die Albaner, die auf der Plantage beschäftigt waren“, räumte der Anwalt ein.
Der Kontaktmann stand weit außerhalb der Gruppierung, hatte nichts mit Anbau, Verkauf und Profit zu tun und musste sich bei jedem Gang zur Spielhalle telefonisch anmelden. „Dennoch hat er sich an der Sache beteiligt und sich davon einen finanziellen Vorteil erhofft“, so Richter Robert Schröter. Der 45-Jährige, der unfreiwillig in die Geschichte hineingerutscht war, bekommt drei Jahre auf Bewährung.
Die angeblichen 25.000 Euro Schulden erlassen ihm die Albaner bis heute nicht, weil ihr Geschäft nicht geglückt war. Das Geld muss er sich bei seiner Familie leihen. „Eine Kaution konnte er sich nicht leisten“, sagte sein Anwalt. Er war im Februar nach den europaweiten Verhaftungen ins Gefängnis Burg zur Untersuchungshaft gesteckt worden. Die Inhaber der Spielhalle konnten die 10.000 Euro Kaution auf den Tisch packen und sind bis zu ihrem Prozess auf freiem Fuß.