Heimatgeschichte Alte Straßenbahn Staßfurt: Mit Gebimmel durch die Stadt
Die Geschichte Staßfurts ist geprägt von gewaltigen Veränderungen. Das Bild der Stadt hat sich massiv verändert. In einer Serie blickt die Volksstimme zurück. Zum neuen Rätsel hier die Auflösung der fünften Folge: Die Straßenbahn, die 57 Jahre lang durch Staßfurt fuhr.
Staßfurt - Ja, es gab Nachfragen. Sogar mehrere. Läuft die Serie „Wie gut kennst Du Staßfurt?“ eigentlich noch? Kommen weitere Teile? Nun ja, liebe Leser. Gerade ist Urlaubszeit, daher hat es mit der Auflösung des fünften Teils eine Weile gedauert. Nach drei Wochen können wir sagen: Na klar, die Straßenbahn, die durch Staßfurt und von dort bis nach Löderburg und Hecklingen fuhr, ist bekannt.
Unser Leser Heinz Berg berichtet, dass er 1982 Staßfurter wurde, bis 1961 aber in Güsten gewohnt habe. „So dass ich Staßfurt recht gut kenne und mit der ,Chlorodontschaukel’ oft bis 1957 zu Fußballspielen nach Hecklingen oder Löderburg gefahren bin“, wie er schreibt. „Des Öfteren haben wir die Straßenbahn kurz vor der rechtwinkligen Kurve zum Schaukeln gebracht, so dass die Leitungsrolle der Bahn aus der Oberleitung sprang. Da musste die Bahn, da sie stromlos war, halten und der Triebwagenführer oder Schaffner die Rolle wieder in die Oberleitung einfädeln.“
Inge Heide aus Löderburg ist als Kind öfter mit der Straßenbahn gefahren. Als Kinder hätte man damals über die Straßenbahn auch ein Lied gesungen, zu einer alten Melodie: „Von Löderburg nach Staßfurt, da fährt 'ne Straßenbahn. Das eine Rad, das eiert, das andre fährt in' Grab’n! Der Fahrer ist besoffen, der Schaffner, der ist dumm und alle fünf Minuten, da kippt die Karre um!“ Gescherzt wurde schon immer.
Heide erinnert sich, dass in Löderburg eine Haltestelle in der Neustaßfurter Straße gegenüber vom heutigen Feuerwehrhaus war. Außerdem hielt die Straßenbahn in Neu Staßfurt, bei Bedarf auch dazwischen am „Kohlenschacht“. „Es wurde auch schon mal gewartet, wenn sich jemand verspätete, der sonst regelmäßig mitfuhr. Man kannte sich ja!“, meint Inge Heide. Natürlich habe es auch eine Kassiererin an Bord gegeben. „Zwischen Neu Staßfurt und Staßfurt sprang die Straßenbahn öfter mal aus den Schienen und wurde dann mit Eisenstangen und mit viel Muskelkraft wieder in die Gleise zurückgehoben.“
Hans Werner aus Hohenerxleben erinnert sich, dass sein Opa erzählt habe, dass die Bahn auch mal bis Hohenerxleben fahren sollte. „Wenn ich mit dem Motorrad den Prinzenberg hochfuhr und die Bahn mir entgegenkam, musste ich in den Gegenverkehr fahren“, so Werner.
Straßenbahn 57 Jahre lang im Einsatz
Die Straßenbahn gab es in Staßfurt 57 Jahre lang. Die Einweihung war im April 1900. Sie wurde aus praktischen Gründen eingeführt. Die Arbeiter aus Hecklingen und Löderburg konnten damit schneller zur Arbeit nach Staßfurt kommen. Vorher mussten sie laufen. 20 Triebwagen und 14 Beiwagen waren in der Zeit im Einsatz. Der Rat des Kreises hatte dann im Jahr 1957 beschlossen, die Straßenbahn abzuschaffen, es war die erste Einstellung einer Straßenbahn in der DDR. Unter anderem, weil das Straßennetz recht veraltet war. Die Mehrheit der Staßfurter wollte jedoch die Straßenbahn behalten.
Das Depot befand sich im Athenslebener Weg. Heute ist dort der Hauptsitz der Staßfurter Stadtwerke. Davor steht der letzte Wagen aus der Zeit, der aus Naumburg erworben wurde, aber vorher in Staßfurt unterwegs war. Der Staßfurter Geschichtsverein hegt und pflegt die alte Straßenbahn. Alle anderen Wagen wurden verkauft und verschrottet. Chorodont-Schaukel hieß die Straßenbahn übrigens wegen der Zahnpasta. Ein Werbeschild war oben auf dem Wagen angebracht. Und ja, die Straßenbahn habe tatsächlich immer ziemlich gewackelt, weiß der Staßfurter Geschichtsverein zu berichten.
Nach 1957 wurden die Spuren der Straßenbahn beseitigt. Heinz Berg aus Staßfurt war dabei. „1959 war ich am Institut für Lehrerbildung Student. In dieser Zeit, die anderen Studenten waren in einem Lager für vormilitärische Ausbildung, wurde ich verpflichtet in der Staßfurter Ankerwickelei zu arbeiten. Mit Kollegen des Betriebes wurde die Oberleitung, die teilweise an Häusern und an frei stehenden Masten befestigt war, von der Bodebrücke bis auf Höhe des Friedhofes in der Hecklinger Straße abgebaut“, erinnert sich unser Leser.
Berg hat auch völlig richtig erkannt, dass das Bild von vor drei Wochen den ehemaligen Sandplatz gezeigt hat. Und ja, das Bild ist vor dem Ersten Weltkrieg entstanden, es stammt aus dem Jahr 1901. Die beiden Gebäude in der Mitte des Fotos stehen noch. Im rechten Gebäude hatte die Sparkasse ihren Sitz, heute hat der Staßfurter Geschichtsverein dort seine Vereinsräume. Das linke Gebäude steht leer. „Die Gebäude rechts davon wurden nach 1961 wegen Bergbauschäden abgerissen. Heute steht da ein Neubaublock unter anderem mit der DAK-Krankenkasse“, so Berg.
Kunst im öffentlichen Staßfurter Raum
Die DDR war nicht nur ein Arbeiter- und Bauernstaat. Es gab auch eine große – wenn auch gesteuerte – Kunstszene. In Staßfurt stehen bis heute an mehreren Stellen Stahl-Skulpturen, die in der DDR-Zeit geschaffen und aufgestellt wurden. So auch im Bild links. Wo ist das Foto entstanden? Wo stehen die anderen Skulpturen? Wer war der Künstler und was verbinden Sie damit? Schreiben Sie uns die Lösung und Ihre Erinnerungen an redaktion.stassfurt@volksstimme.de. Wir freuen uns auf viele ganz persönliche Geschichten über die Stadt.