Kurzfilm Doku über Falco als Herzensprojekt
Einen Trip nach Wien nutzten die Staßfurter Marcus Schulze und Daniel Meier, um eine Dokumentation über Falco zu drehen.
Wien/Staßfurt l Die Stimme wird tiefer, flüstert nun fast, die Begleitmusik verstummt beinahe, dann fragt sich Falco in die Gehirnwindungen des Hörers: „Muss ich denn sterben, um zu leben?“ Nach einer ganz kurzen Pause, in der die Härchen des Konsumenten Zeit haben, sich aufzustellen, beginnt der Refrain von „Out of the Dark“. Eines der bekanntesten Lieder des Wiener Sängers, das erst nach seinem tragischen Tod im Jahr 1998 zum riesigen Hit wurde.
Vielleicht wie kein zweites beschreibt dieses Lied die Zerrissenheit des manchmal depressiven, aber auch überaus exzentrischen Musiker. Es erklärt auch, warum der Wiener auch über 20 Jahre nach seinem Tod noch immer Fans in halb Europa hat. Auch in jener Zielgruppe, die selbst noch Kinder waren, als Falco starb. So wie auch die beiden Staßfurter Marcus Schulze und Daniel Meier.
Anlässlich seines Todestages am 6. Februar produzierten die beiden 27-Jährigen einen knapp 15-minütigen Film über Falco. Und überzeugen dabei mit Interviews von Weggefährten. Schließlich kommen mit Peter Paul Skrepek, Bernhard Rabitsch und Peter Vieweger gleich drei Bandmitglieder zu Wort, die Falco kannten, bevor er ein Star wurde. Die wussten, wie er tickte, lebte und musizierte. Warum dieses Werk? „Mich hat Falco ein Leben lang begleitet“, sagt Marcus Schulze, der in Staßfurt zur Schule gegangen ist, heute in Halle an der Saale lebt und Projektleiter der Karrieremesse „Chance“ ist. „Meine erste Musik-Kassette habe ich mit sechs Jahren bekommen. Es hat mich immer beschäftigt, der Stil ist einzigartig. Wir sind Fans. Der Film jetzt war eine Schnapsidee.“
Bezug zu Falco hat auch Daniel Meier, der als freiberuflicher Kameramann in Leipzig wohnt und wie Schulze in Staßfurt zur Schule gegangen ist. „Marcus hat mich angefixt“, sagt er. „Falco hat in Extremen gelebt, hatte Höhen und Tiefen, war zerrissen. Ich fand den Menschen an sich spannend.“
Und so kam es, dass die beiden Kumpels sich im Sommer 2018 nach Wien aufmachten. Eigentlich war der Trip als normaler Urlaub geplant, schnell versuchten die beiden Falco-Fans, die schon mehrere Kurzfilme zusammen gedreht hatten, gleich an Ort und Stelle Nägel mit Köpfen zu machen. Über das Internet nahmen die beiden Kontakt zu Peter Paul Skrepek auf, der Gitarrist an Falcos Seite war. Der hatte schnell zugesagt, wollte aber erstmal schauen, was die beiden Staßfurter eigentlich von ihm wollten. „Erst kurz vor der österreichischen Grenze wurde uns das Interview bestätigt“, erzählt Schulze.
Nur drei Tage waren die beiden in Wien, in diesen wuppten die Falco-Fans aber das ganze Filmmaterial. „Logistisch gesehen war das eine Sensation. Eigentlich braucht man dafür mehrere Leute“, so Schulze. Das erste Interview mit Skrepek fand in einem kleinen Konzertsaal statt. Die Entwicklung danach glich dann einem Schneeball.
Bernhard Rabitsch trafen die beiden Staßfurter in einem Atelier einer Freundin, Peter Vieweger in der eigenen Wohnung. Beide spielten ebenfalls in Falcos Band. „Das Interview mit Peter Vieweger war mega entspannt. Vor dem Interview saß ich bei ihm in der Küche, habe Kaffee getrunken mit ihm. Er ist aber total bodenständig“, so Schulze. „Eigentlich müsste man eine Doku über die Doku drehen, das war verrückt“, sagt auch Meier.
Was die Doku so besonders macht: Sie wirft nicht nur einen Blick auf die Kunstfigur Falco und den tragischen Tod, sondern zeigt deren Entwicklung. Wie wurde Falco zu dem Star, der er später war? Wie fing alles an, warum erwischte Falco mit seiner eigenwilligen Musik den Zeitgeist? „Uns wurde gesagt, die Doku hätte Neuigkeitswert“, sagt Marcus Schulze. „Der ORF hat uns gelobt.“ Allerdings ist der Film ein „Non-Profit-Projekt“, wird also nicht kommerziell vertrieben. Nur auf Youtube ist dieser zu sehen. Trotzdem macht er die Runde. Auf Netzwerk-Seiten wird darüber diskutiert, die Band selbst hat es im Internet geteilt. „Die Bandmitglieder fanden uns einfach sympathisch“, so Meier. Und merkten wohl selbst, mit wieviel Herzblut die beiden Falco-Fans ans Werk gingen. Ende August 2018 waren Marcus Schulze und Daniel Meier in Wien. Anfang Oktober war der Film bereits fertig, da hatte er noch eine Länge von 30 Minuten. Allerdings musste die Hälfte rausgekürzt werden, weil für die verwendeten Lieder keine Genehmigung zur Nutzung vorlag. Diese hätte eben Geld gekostet, welches die Produktion nicht hatte.
Und doch wirkt der Film. „Falco ist Nationalheiligtum, das nicht beschädigt werden darf. Damit muss man sensibel umgehen. Vielleicht dauert es noch 80 bis 100 Jahre, ehe Falco noch größeres Ansehen bekommt. Dann wird vielleicht auch ein Flughafen nach ihm benannt“, sagt Schulze.
Natürlich haben die beiden Staßfurter auch für sich selbst allerhand mitgenommen und gelernt. „Es war ein Abenteuer“, sagt Daniel Meier. „Und es ist Marcus‘ Fanatismus zu verdanken, dass wir diese Kontakte bekommen haben.“ So kam es auch, dass die beiden im Konzertsaal bei Peter Paul Skrepek einen originalen Mikrofon-Ständer von Falco benutzt hatten und bei Peter Vieweger das Studio besuchen durften, in dem Falco selbst einige Demos aufgenommen hatte. „Das hat uns ehrfürchtig gemacht“, so Schulze.
Schulze selbst hatte spätestens da Blut geleckt. Jetzt im Februar war der 27-Jährige erneut einige Tage in Wien. Schließlich ist der Monat Februar der „Falco-Monat“. Der Monat, in dem der Ausnahmekünstler sowohl geboren wurde als auch gestorben ist. So war der Staßfurter am vergangenen Donnerstag als Besucher im Club „U4“, dem Stammlokal von Falco. Dort kam die ehemalige Band von Falco erneut zusammen, spielte alte Lieder des rappenden Großmeisters, im Hintergrund ertönte die Stimme des viel zu früh gestorbenen Wieners. „Die Faszination für Falco begründet sich zum einen aus der Tragik des Todes und zum anderen aus der Musik“, meint Schulze. „Nach außen war Falco cool und arrogant, nach innen aber depressiv und nie zufrieden“, ergänzt Daniel Meier.
Das erklärt vielleicht auch, warum Falco in heutigen Zeiten fast noch beliebter ist als zu Lebzeiten. So gab es zum Beispiel 2017 ein Tribute-Konzert auf der Donauinsel. An jenem Ort, wo es schon 1993 ein legendäres Konzert gab. Bei der Neuauflage in 2017 strömten 150 000 Falco-Fans Wien. „In Wien muss man erst sterben, damit man lang leben kann“, so sagt es auch Peter Paul Skrepek in dem Kurzfilm von Marcus Schulze und Daniel Meier. Oder man nehme Falco eben selbst: „Muss ich denn sterben, um zu leben? Out of the dark, into the light.“ Also: Raus aus der Dunkelheit, rein in das Licht. Falco lebt und erstrahlt noch immer in den Lichtern der Herzen seiner Fans.
Den Film „Falconized - Falco then and now“ gibt es hier zu sehen.