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Krankenhäuser Kündigungsstopp bei Ameos

Nach über drei Stunden bei Landrat Bauer in Bernburg: Ameos signalisiert Gesprächsbereitschaft, ohne Gewerkschaften.

10.01.2020, 23:01

Bernburg l Am Ende waren sich zumindest in einem Punkt alle einig: Es waren konstruktive Gespräche. Am  Freitag, 10. Januar 2020, gab es in Bernburg einen runden Tisch im Landratsamt. Landrat Markus Bauer (SPD) hatte im Zuge des seit Anfang November andauerndes Arbeitskampfes an den Ameos-Kliniken die Geschäftsführung um den Regionalgeschäftsführer Lars Timm und den Vorstandsvorsitzenden Axel Paeger sowie die Betriebsräte zu einem Gespräch eingeladen. Mehr als drei Stunden wurde diskutiert.

Initiator Markus Bauer war nach dem Gespräch positiv gestimmt: „Ich bin vollumfänglich informiert worden. Schon das ist ein echter Erfolg. Aber wir haben mehr erreicht, weil klare Botschaften, mit dem Anspruch der Mitarbeiter und dem Standpunkt von Ameos ausgetauscht wurden, sachlich und konstruktiv.“

Ameos hat den Betriebsräten einen Vorschlag gemacht. Die Geschäftsführung ist bereit über Inhalte des sogenannten Zukunftspaketes zu verhandeln. „Wir können über die Entgelthöhe reden, über den Zeitpunkt der Umsetzung und auch über die Höhe der nötigen Unterschriften“, sagt der Regionalgeschäftsführer Lars Timm. 85 Prozent der Angestellten sollten unterschreiben. Bedingung: Die Gespräche mit dem Betriebsräten finden ohne Gewerkschaften statt.

In der nächsten Woche wird es an den Standorten Aschersleben-Staßfurt, Schönebeck und Bernburg Betriebsversammlungen geben. In diesen werden die Betriebsräte über die Inhalte des Gesprächs informieren und das Angebot von Ameos in die Belegschaft tragen. Es wird eine Abstimmung unter den Beschäftigten geben, ob eine Gesprächsbereitschaft unter diesen Bedingungen gegeben ist. „Wir gehen von einer Einigung bis Mitte Februar aus“, so Timm.

Bis dahin hat Ameos einen Kündigungsstopp verhängt. Zudem ist die Geschäftsführung dazu bereit, die kurz vor Weihnachten ausgesprochenen Kündigungen zu prüfen. „Bedingung ist aber, dass es keine weiteren Streiks gibt und in den Gesprächen ein Fachanwalt hinzugezogen wird“, sagt Timm.

Neben Lars Timm und Axel Paeger waren auch die Klinikdirektoren der Ameos-Häuser, die Betriebsratsvorsitzenden samt Stellvertreter, der Bernburger Oberbürgermeister Henry Schütze (CDU) und der Landrat mit Fachbereichsleiter Thomas Michling beim Gespräch dabei.

Zwar waren auch die Betriebsratsvorsitzenden erfreut über die sachlichen Gespräche. Richtig zufrieden klangen diese aber nicht. „Jeder hat seine Position dargelegt. Allerdings ist das Vertrauen komplett weg“, sagt ein Betriebsrat, der anonym bleiben möchte. „Ich finde es nicht gut, dass Verdi nicht am Tisch saß“, sagt ein anderer. „Und das nur, weil es 2012 Probleme gab. Wenn ich mit jedem nicht mehr reden würde, mit dem ich mal aneinandergeraten bin, hätte ich keine Gesprächspartner mehr.“ Ameos blockt dabei alle Gespräche mit Verdi ab. Auch einen Austausch ohne Verhandlungsdruck lehnt die Geschäftsführung mit Nachdruck ab.

Wichtig ist den Betriebsräten jetzt, dass die Beschäftigten voll im Bilde sind über die Gespräche. „Das war 2012 noch anders“, sagt ein Betriebsrat. „Damals hieß es beim alten Betriebsrat noch: unterschreiben oder entlassen werden. Diesen Fehler wollen wir nicht wiederholen. Wir wollen die Belegschaft mit ins Boot holen“, erklärt ein weiterer Betriebsrat.

Natürlich wollen die Arbeitnehmervertreter den Gesprächen kommende Woche nicht vorgreifen. Realistisch ist aber, dass die Beschäftigten das Ameos-Angebot zu Gehaltsverhandlungen ohne Verdi ablehnen werden. So habe es auch an den Standorten bereits Unterschriftensammlungen gegeben, die diesen Willen der Beschäftigten ausdrücken.

Ameos wollte, dass 85 Prozent der Beschäftigten das Zukunftspaket unterschreiben. Bis jetzt haben allerdings nur 20 Prozent unterschrieben. Die Geschäftsführung hält daran fest: Geht der Arbeitskampf weiter, beginnt Ameos mit dem „Sanierungskurs“, wie es Lars Timm bezeichnet. Dann werden schrittweise 800 Beschäftigte entlassen. 500 an den Kliniken im Salzlandkreis, 200 am Ameos-Krankenhaus in Haldensleben und 100 in Halberstadt. „Ich freue mich, dass Landrat Bauer den Ernst der Lage verstanden hat. Es ist allerdings mehr politische Unterstützung erforderlich, wenn das Versorgungsangebot erhalten und ausgebaut werden soll“, so Timm.

Verdi und Marburger Bund, die weiter für eine Anhebung der Löhne auf Tarifniveau kämpfen, bereiten derweil die nächsten Schritte vor. Verdi will Mitte Januar eine Urabstimmung unter den Pflegekräften über einen Erzwingungsstreik durchführen. Dieser wäre dann unbefristet. „Die Abstimmung könnte sich über ein bis zwei Wochen hinziehen“, erklärt Verdi-Sprecher Bernd Becker. „Wir werden wahrscheinlich mit Zetteln von Klinik zu Klinik gehen und die Unterschriften einsammeln.“ Laut Becker brauche es eine deutliche Mehrheit unter den Beschäftigten.

Die vor Weihnachten gekündigten Mitarbeiter können auch nach dem Gespräch am Montag mit der Unterstützung der Betriebsräte rechnen. „Wir werden uns als Betriebsrat weiter für die Gekündigten einsetzen“, sagt ein Vorsitzender.

Tag für Tag gibt an den Ameos-Standorten zudem weiterhin aktive Mittagspausen. Die Gewerkschaften hatten am Dienstag in einem Gespräch mit Arbeitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) Rückendeckung erhalten. „Natürlich darf sich die Politik nicht einmischen“, sagt Bernd Becker. „Aber auch von Seiten der SPD wurde uns zugestimmt, dass Tarifforderungen nicht unverschämt sind. Wir haben zudem bekräftigt und erklärt, dass es nicht stimmt, wenn Lars Timm unsere Forderungen als arbeitsplatzgefährdend bezeichnet.“