Tourismus Mit dem Kanu auf der Bode im Salzland unterwegs
Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Goethe hat sicher nicht die Bode vor Augen gehabt, als er seinen Vers schrieb. Doch wer den Fluss mit dem Kanu erkundet, denkt daran. Die Volksstimme ging auf eine Bootstour auf der Bode.
Gänsefurth/Staßfurt - Die Sonne glitzert auf der Wasseroberfläche. Die alten mächtigen Bäume werfen ihre Schatten auf einen Fluss, der noch im Dämmerschlaf zu liegen scheint. Ab und zu zwitschert ein Vogel, leuchtend-blaue Libellen tanzen auf dem kühlen Nass. Ein nahezu perfektes Naturidyll. Mitten in Staßfurt. Es ist ein warmer Julivormittag, an dem wir die Kanus auf die Bode setzen. Ideale Bedingungen, um beim Paddeln auf dem Fluss dem Alltag für ein paar Stunden zu entfliehen. Am Schütz gibt es einen Einstieg. Einen von bislang nur zwei vorhandenen im Salzlandkreis.
„Jetzt ist Teamgeist gefragt!“ Boris Funda hält das Kanu fest, ermöglicht uns so ein trockenes Einsteigen. Der Inhaber des gleichnamigen Bootsverleihs zeigt uns heute bei einer Tour, warum die Bode längst kein Geheimtipp mehr ist, durchaus aber noch Potenzial hat. Für Touristen und Einheimische gleichermaßen. Wir legen mit zwei Booten ab. Funda und sein Mitarbeiter Holger Ulrich sitzen jeweils hinten. Als Steuermänner. Das ist auch gut so. Hinten sollten immer die Erfahrenen sitzen, erklärt der Experte.
Kaum sind wir unterwegs, schlängelt sich die Bode zwischen alten Bäumen und reichlich Grün Richtung Nordwesten. Die Strömung ist fast gar nicht zu spüren. Hier scheint die Natur noch intakt zu sein. Diese Unberührtheit und das Dickicht der Bäume rechts und links des Flusses lassen Erinnerungen an den Spreewald aufkommen. Nur dass sich die Bode nicht so extrem windet wie die Spree und ihre unzähligen Arme. Das Idyll ist das Gleiche.
Das war nicht immer so. Funda kennt die Gegend schon aus DDR-Zeiten. Seinerzeit habe hier niemand paddeln wollen. „Die Verschmutzung durch Industriebetriebe ist massiv zurückgegangen“, erzählt er, während wir uns einfach gleiten lassen. „Wir haben hier Badequalität.“ Auch Fische fühlen sich wohl, lassen sich immer wieder an der Oberfläche sehen. „Die Natur hat sich die Bode zurückerobert“, ist der Bootsverleiher und Naturliebhaber froh. Selbst der Biber ist wieder da. Ihn treffen wir heute zwar nicht. Gartenanrainer erzählen uns aber, dass er sich bevorzugt abends zeigt. Jetzt ist es gerade Mittagszeit. Während Funda vom Wasserwandern schwärmt, paddeln wir gemütlich weiter stromaufwärts. Lassen die Waldlandschaft hinter uns. Vor uns offenbart sich wenig später das Schloss Gänsefurth. Der Familiensitz derer von Trotha ist öffentlich nicht zugänglich. Und nur vom Wasser aus so gut sichtbar. „Eine Augenweide“, verspricht Funda, der hier 2006 seinen Bootsverleih eröffnete, nicht zu viel. Als die Trothas das Schloss vor zehn Jahren zurückkauften, musste er seinen Anlegeplatz hier räumen. Längst hat er seinen Firmensitz an der Saale in Bernburg. Unweit des dortigen Schlosses. Die Liebe zur ursprünglichen Bode ist aber geblieben. Und wenn Paddler gern auf der Bode unterwegs sein wollen, bringt er die Boote auch zum Schütz nach Staßfurt.
Wir verschnaufen, genießen den Anblick dieses geschichtsträchtigen Bauwerks. Diesen Natur- und Architekturgenuss direkt vor der Haustür zu haben, hatten wir nicht erwartet. Und auch nicht, dass das Paddeln gar nicht anstrengend sein würde. Es hat schon fast etwas Meditatives. Wir wenden, wollen ja auch trockenen Fußes wieder an Land gehen. Nun müssen wir die Paddel noch seltener einsetzen, die sanfte Strömung sorgt dafür, dass wir uns treiben lassen können. Physisch genauso wie mental.
Bis Ende nächsten Jahres können Kanuten insgesamt acht Ein- und Ausstiegsstellen im Salzlandkreis nutzen. Die nächstgelegene von Gänsefurth aus gesehen entsteht in Löderburg, flussaufwärts weitere in Unseburg, Wolmirsleben und Etgersleben. Flussabwärts folgen solche Treppen im Stadtzentrum von Staßfurt, in Hohenerxleben, Löbnitz und in Nienburg, bevor die Bode in die Saale mündet. Der Salzlandkreis lässt sich den Ausbau der wassertouristischen Infrastruktur 881 000 Euro kosten. Der Großteil (rund 836 000 Euro) sind Landes- und Bundes-Fördermittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Der kommunale Anteil liegt bei 5 000 Euro pro Ein-/Ausstieg.
Die Anlegestellen seien essenziell, um die Bode mit dem Boot zu erkunden, sagt Funda. Doch alle Baumaßnahmen nützten nichts, wenn flussabwärts nichts gegen die teils übermächtigen Wasserpflanzen getan werde. Sie bedecken ab Staßfurt fast durchgängig den Flussbereich bis Nienburg. In Hohenerxleben stehen sie dicht an dicht, lassen die Bode fast nur noch erahnen. Ein unnatürlicher Anblick. Hier sei es unmöglich, ein Kanu durchzumanövrieren. „Solange man das nicht in den Griff bekommt, kann man hier nicht paddeln, da bleibt man stecken“, sieht Funda die Kreisverwaltung in der Pflicht. Über die Ursache kann Funda nur spekulieren. Mit unterschiedlichen Wasserhöhen habe es nichts zu tun, die gebe es auch stromaufwärts. Hier die Ursache zu erforschen sei wichtig, bevor die Treppen gebaut werden. Zumindest müssten die Pflanzen gekürzt werden. Und das in regelmäßigen Abständen. So dass Paddler mit Beginn der Saison unterwegs sein und an Attraktionen wie dem Schloss Hohenerxleben vorbeifahren können.
„Die Natur lädt ein, diesen Fluss zu erleben“, hofft Funda, dass das auch bald über die ganze Distanz möglich ist. Dann hat der Salzlandkreis noch einen Hauch mehr von Spreewald.