Geschichte als Hobby Mit Industrie kamen Katholiken
Der Hecklinger Ernst Meyer interessiert sich für Geschichte. Auch die der katholischen Gemeinde.
Hecklingen l Ernst Meyer liebt das Leben in seinem Heimatort. Der Hecklinger hat es sich schon seit vielen Jahren zum Hobby gemacht, die Geschichte zusammenzutragen und für die nächsten Generationen zu dokumentieren. Interessiert an Geschichte und Geschichten, die die Vergangenheit schreibt, kam der Hobbyhistoriker auch der Einladung in die Basilika zum jüngsten Tag des offenen Denkmals nach.
„Es ist schade, dass nur wenige die Gelegenheit genutzt haben, um sich über alte, geschichtsträchtige Gebäude, über historische Begebenheiten in unserer Region zu informieren“, zieht Meyer Bilanz, der dabei gerne das „Aha-Erlebnis“ sucht, wie er sagt.
Der Besuch in der Basilika sei für ihn wieder ein Anlass gewesen, alte Fotos und Postkarten anzuschauen, Berichte und Aufzeichnungen zu lesen, die vom Leben in seinem Heimatort handeln. „Ist es nicht schön und von Interesse, von der Arbeit unserer Vorfahren zu erfahren, von ihren Sorgen und Alltagsproblemen zu lesen, aber auch von ihrem Stolz auf das Erreichte?“
Dabei denkt der ehemalige Schuldirektor gern an die Anfänge seiner Leidenschaft zurück. „So haben wir in den 1970er Jahren den Schülern unserer Hecklinger Schule Angebote gemacht, um sich mit dem Leben unserer Hecklinger Bürger vertraut zu machen und eine gewisse Verbundenheit zum Heimatort aufzubauen.“ Mit einer Arbeitsgemeinschaft habe alles begonnen, erzählt der Hecklinger, der die alten Hefter der Arbeitsgruppe „Junge Historiker“ in seinen Händen hält.
„Schön zu sehen, mit welchem Interesse, mit welchem Eifer die Schüler im Rathausarchiv alte Dokumente durchstöberten, Abschnitte ,Aus Hecklingens Vergangenheit‘ von Carl Windschild aus dem Jahre 1903 herausgearbeitet oder aus der Dokumentation ,Kampf gegen Wasserfluten‘ über Bilder und Berichte vom Unwetter 1937 in Hecklingen diskutiert haben.“ Dabei zeigt Meyer ein Foto von der Einweihung der katholischen Kirche zu Hecklingen aus dem Jahre 1904. „Nun möchte man natürlich mehr über das Leben der katholischen Gemeinde erfahren“, sagt Meyer, der das Foto genauer betrachtet. „Im Hintergrund links ist die Turmwindmühle des Müllers Carl Pfennig zu sehen.“
Viele Zeitzeugenberichte und Erzählungen von alten Hecklingern habe Meyer mit der Zeit über die katholische Kirche zusammengetragen, denn nicht nur über die Basilika gebe es viel zu berichten.
„Noch im 19. Jahrhundert hätte kaum ein Hecklinger geglaubt, dass sich jemals in unserem Dorf, in unserem Lande wieder eine katholische Glaubensgemeinschaft gründen und entfalten würde“, erzählt Meyer. Die Lehns- und Gerichtsherren von Hecklingen, die von Trotha, seien nach der Reformation lutherisch geworden, aber nicht nur sie, sondern auch die Nonnen des hiesigen Klosters seien zum Luthertum übergetreten. „Unsere prachtvolle spätromanische Basilika war bis zur Reformation eine reine Klosterkirche, doch dadurch wurde sie erst zur Gemeindekirche der Hecklinger“, erklärt der Hobbyhistoriker. Wie die Herrschaft seien auch die Ackerbürger und Handwerker dem evangelischen Glauben beigetreten.
Durch die beginnende Industriealisierung in Hecklingen und Staßfurt haben sich die wirtschaftlichen Bedingungen geändert. Es entstanden unter anderem die Zucker- und die Chemische Fabrik, das Gaswerk, das Kalkwerk, die Ziegelei, die Mineralwasserfabrik in Gaensefurth, der Bau der Eisenbahnlinie Staßfurt-Hecklingen-Blumenberg begann, die Straßenbahnlinie Staßfurt-Hecklingen entstand und die Konservenfabrik wurde von Gaensefurt nach Hecklingen verlegt, zählt Meyer auf.
Die Hecklinger Bevölkerung sei natürlich nicht in der Lage gewesen, die benötigten Arbeiter, Schnitter, Saisonarbeiter für die Zuckerfabrik und für die aufstrebende Kaliindustrie in Staßfurt, Bergleute und Industriearbeiter zu stellen.“
So seien viele Familien, unter denen viele Katholiken waren, aus der Warthegegend, aus dem katholischen Eichsfeld und Oberschlesien nach Hecklingen gezogen, um sich hier eine neue Existenz aufbauen zu können. So seien es wohl um die 500 Bürger katholischen Glaubens, die in Hecklingen und Gaensefurth eine neue Heimat fanden – nicht dazu gerechnet die 300 bis 400 Saisonarbeiter – gewesen. „So sah es in vielen Orten unserer näheren Umgebung aus. Um den katholischen Gläubigen eine Heimat zu geben, verfügte das Bischöfliche Generalvikariat in Paderborn, den zielstrebigen Aufbau von Kirchen“, trägt Meyer aus seiner Chronik vor.
Die Glaubensgemeinschaft habe sich ein Gotteshaus aufgebaut, 1904 sei die Kirche eingeweiht worden.
In den Räumen des Vikariats habe sich auch ein Klassenzimmer der privaten katholischen Schule befunden. Im April 1906 habe dort der Unterricht begonnen.
„Schüler dieser Schule waren unter anderem Franz Apel und Paul Dziersan, die mir vor vielen Jahren vom Schulleben in dieser Einrichtung erzählten“, gibt Meyer die Erzählungen wieder. „Die erste Lehrerin war Fräulein Karstdorf (bis 1923), dann Herr Müller, der auch erfolgreich den Männerchor der Kirche leitete, und der letzte Lehrer war Herr Zureck bis 1937.“ Im Klassenraum seien bis zu 45 Schülerinnen und Schüler der ersten bis achten Klasse unterrichtet worden.
Es sei den Lehrern durch eine strenge Disziplin, durch ein gemeinsames Miteinander gelungen, die Schüler zu einer guten Lernhaltung und zur Selbständigkeit zu erziehen. Doch nach der Regierungsübernahme der Faschisten sei diese Schule den nazistischen Machthabern ein Dorn im Auge gewesen, so der Hecklinger. „Man suchte nach Gründen, die Schule schließen zu können, und man fand sie auch.“
Trotz vieler Bemühungen der Kirchenführung und Proteste der Eltern sei die Schule 1939 geschlossen worden, die Schülerinnen und Schüler seien auf die Volksschule in Hecklingen gewechselt.
„Auch über das Leben in der Gemeinde erzählten mir ehemalige Schüler interessante Begebenheiten.“ So habe es eine rege Gemeindearbeit gegeben. Der Zuspruch sei so enorm gewesen, dass sogar zum 25. Kirchweihjubiläum 1925 ein Gottesdienst auf dem Sportplatz gefeiert wurde. Die Probleme in den 1930er Jahren nach der Machtergreifung der Faschisten seien groß gewesen.
Gottesdienste wurden für die polnischen Zwangsarbeiter gefeiert. bis wieder ein Verbot kam, der Pfarrvikar Jochheim wurde 1942 zum Lazarettseelsorger für die Lazarette in Hecklingen und Staßfurt verpflichtet, so konnte er aus zeitlichen Gründen kaum noch Gottesdienste für die einheimische Glaubensgemeinschaft feiern, fasst Meyer aus den Erzählungen zusammen.
1944, als viele Mütter mit ihren Kindern aus dem bombengefährdeten katholischen Rheinland evakuiert worden seien, die Gottesdienste besuchen wollten, haben die Räumlichkeiten nicht aus gereicht, beendet Meyer seinen kleinen Exkurs in die Entstehungsgeschichte der katholischen Kirche in Hecklingen und deutet erneut auf die Mühle, die auf dem Bild im Hintergrund zu sehen ist, aber heute nicht mehr existiert.
„Am Friedhofsberg war eine Turmwindmühle, sie ähnelte den Holländer Mühlen. Müller Carl Pfennig verkaufte sie um 1930 an den Müllermeister Reiss.“ Bei Umbauten, so sei es übermittelt worden, solle sie abgebrannt sein.
Noch so vieles mehr könnte der Hecklinger noch über seinen Heimatort erzählen. Dass es noch viele unerzählte Geschichten gibt, spornt Meyer an, weiter in der Vergangenheit zu forschen. „Vielleicht habe ich ja Interesse bei dem ein oder anderen wecken können.“