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Arbeitsmarkt Salzlandkreis: Viele freie Jobs und trotzdem mehr Arbeitslose

„Wir haben auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr die Situation, dass Angebot und Nachfrage zusammenpassen“, sagt Anja Huth, Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit Sachsen-Anhalt West.

Von Arno Zähringer 04.08.2023, 12:00
In einer Lehrwerkstatt feilt eine Auszubildende im ersten Lehrjahr an einem Werkstück im Schraubstock. Das ist allerdings − auch im Salzlandkreis − eher die Ausnahme als die Regel.
In einer Lehrwerkstatt feilt eine Auszubildende im ersten Lehrjahr an einem Werkstück im Schraubstock. Das ist allerdings − auch im Salzlandkreis − eher die Ausnahme als die Regel. Foto: DPA

Staßfurt - Die Arbeitslosenquote in der Region Staßfurt lag im Monat Juli bei 8,6 Prozent. Die Region liegt damit 0,2 Prozentpunkte über der Durchschnittsquote im Landkreis. In absoluten Zahlen bedeutet dies: Im Juli ist die Zahl derer ohne festes Arbeitsverhältnis um 103 auf 1771 Menschen gestiegen. Noch größer fällt der Vergleich zum Vorjahr auf. Seit Jahresbeginn gab es 2321 Arbeitslosmeldungen – ein Plus von 196. Anja Huth, Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit Sachsen-Anhalt West, erklärt diesen Umstand damit, dass die Arbeitslosigkeit im Sommer immer ansteige. „Hintergrund ist überwiegend der nicht reibungslose Übergang aus Ausbildung in Arbeit.“

Im gleichen Zeitraum gab es 2278 Abmeldungen von Arbeitslosen (plus 52). Zwar meldeten Arbeitgeber in und um Staßfurt im Juli 24 Stellen – vier mehr als im Vorjahr – , doch insgesamt ist der Bestand an offenen Arbeitsplätzen um 10 auf 209 gesunken.

Andererseits bezeichnet Huth die Palette der Jobangebote in der Region Staßfurt als „sehr breit und zieht sich über alle Branchen“. Natürlich sei die Pflegebranche hervorzuheben, aber auch kaufmännische Berufe beziehungsweise Jobs im produzierenden Bereich wie Elektriker, Konstruktions- und Zerspanungsmechaniker und Mechatroniker. Weitere Angebote gibt es im Bereich der Logistik oder auch im Baubereich.

Zurück zum Salzlandkreis: Dort waren im Juli 7586 Menschen arbeitslos – ein Plus von 274 gegenüber Juni. Das waren 814 mehr als zum selben Zeitpunkt 2022. Das entspricht einer Quote von 8,4 Prozent und damit 0,9 Prozent über dem Durchschnitt des Landes Sachsen-Anhalt. Ihnen stehen 1190 offene Stellen gegenüber. Doch warum kommen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zusammen?

Angebot vorhanden, aber keine Bewerber

„Wir haben auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr die Situation, dass Angebot und Nachfrage zusammenpassen. Hintergrund ist, dass das Angebot dort besteht, wo wir keine passenden Bewerber haben und umgekehrt“, sagt Anja Huth, Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit Sachsen-Anhalt West. Dies mache den Vermittlungsprozess langwieriger, weil vorab beispielsweise noch entsprechende Qualifizierungsbedarfe umgesetzt werden müssen – etwa von der Einzelhandelskauffrau zur Pflegefachkraft.

Hinzu komme, dass ein Großteil der Arbeitsuchenden ein oder mehrere sogenannte Vermittlungseinschränkungen mitbringen. Seien es gesundheitliche Einschränkungen, die erst geprüft werden müssen, sei es die fehlende Mobilität – eines der größten Hemmnisse – oder fehlende Flexibilität aufgrund von Betreuungszeiten für die Kinder oder für pflegebedürftige Angehörige. „Viele unsere Unternehmen arbeiten in Schichtsystemen, die einen hohen Anspruch an Mobilität und Flexibilität haben“, weiß Huth.

Auch beim Jobcenter im Salzlandkreis liegen für den vergangenen Monat neue Zahlen vor. Dort ist die Zahl der Menschen, die ohne Arbeit sind, im Vergleich zum Juni um 161 gestiegen. Insgesamt handelt es sich um 5255 Personen, 441 mehr als im Vorjahr.

Weiter ungleich verteilt bleibt die Arbeitslosigkeit mit Blick auf die Geschlechter. Im Juli waren 55,2 Prozent der Arbeitslosen Männer, aber nur 44,8 Prozent Frauen. Warum ist das so? „Hier spiegelt sich auch die Flexibilität aufgrund von Betreuungsumständen wider. Hinzu kommt eine nennenswerte Zahl an Frauen mit Migrationshintergrund – beispielsweise Ukraine –, die noch auf Sprach- und/oder Integrationskurse warten.“

Hoffnung für viele Ausbildungsstellen

Im Juli waren 646 Jugendliche arbeitslos. Der Anteil der Jugendlichen an allen Arbeitslosen lag im Salzlandkreis bei 8,5 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahresmonat waren 116 Jugendliche mehr arbeitslos gemeldet. „Wir haben im Salzlandkreis insgesamt das Bild, dass wir deutlich mehr Ausbildungsstellen haben, als Bewerber. Dieser Trend wird sich aufgrund des demografischen Wandels weiter verschärfen“, hat Anja Huth beobachtet. Dafür verzeichne die Arbeitsagentur im Salzlandkreis noch mehr als 300 Ausbildungsstellen. Die gibt es noch im Verkauf, im Maschinenbau, im Metallbau, im Bereich Energietechnik sowie im Hochbau.

In diesem Bereich macht die Agentur für Arbeit Hoffnung. Denn viele Ausbildungsstellen können besetzt werden, weil sich Azubi und Arbeitgeber über ein Praktikum oder einen Ferienjob kennengelernt haben. Romy Stühff, Teamleiterin der Berufsberatung in der Agentur für Arbeit Sachsen-Anhalt West, meint dazu: „Egal ob Job oder Praktikum – beides verschafft einen Einblick in den Arbeitsalltag und ist auch ein Realitätscheck.“ Denn mit einem Ferienjob könne man sein Taschengeld aufbessern. Bei einem Praktikum stehe die Orientierung für eine Ausbildung oder ein Studium im Vordergrund. Fragen Praktikanten am Ende nach einem qualifizierten Zeugnis, könnten sie damit in jedem Fall die Bewerbungsmappe für die Ausbildungssuche aufwerten.

Trotzdem: Das Handwerk stöhnt. Nicht nur, dass es an allen Ecken und Enden an Fachkräften mangelt; auch im Bereich der Ausbildung haben Betriebe immer größere Schwierigkeiten, geeigneten und qualifizierten Nachwuchszu finden. Und das, obwohl Handwerker und deren Dienstleistungen mehr denn je angesagt sind. Hinzu kommt: Die Zahl junger Mädchen und Frauen, die sich für eine Lehrstelle im Handwerk interessieren und dann auch in diesem Beruf arbeiten wollen, sinkt zunehmend.

Das Image des Handwerks hat gelitten

Zudem: „Viele Berufe sind stark männerdominiert, die Tätigkeiten sind körperlich schwer. Damit steht ein Handwerksberuf nicht an erster Stelle für junge Frauen“, stellte Jens Schumann, Geschäftsführer der Handwerkskammer Halle, bereits im Herbst vergangenen Jahres fest. Und: Das Image des Handwerks habe gelitten und kämpfe mit Vorurteilen. Eltern würden ihren Kindern raten, erst mal studieren zu gehen. Doch letztlich scheint es wichtig zu sein, Rollenbilder in den Köpfen aufzubrechen.