1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Staßfurt
  6. >
  7. Staßfurt verliert auch noch Justiz

Staßfurt verliert auch noch Justiz

Die Tage von Staßfurt als Gerichtsstandort sind gezählt. Wie vor Jahren schon das Amtsgericht Staßfurt sollen bald auch das Zentrale Mahngericht für die Länder Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, der Soziale Dienst der Justiz und das Grundbuchamt Aschersleben-Staßfurt nach Aschersleben wechseln.

Von René Kiel 05.07.2021, 17:55
Im Sparkassenschiff in Staßfurt haben das Zentrale Mahngericht der mitteldeutschen Länder, das Grundbuchamt und der Soziale Dienst der Justiz seit Jahren  ihren Sitz.
Im Sparkassenschiff in Staßfurt haben das Zentrale Mahngericht der mitteldeutschen Länder, das Grundbuchamt und der Soziale Dienst der Justiz seit Jahren ihren Sitz. Foto: René Kiel

Staßfurt - Mit dem geplanten Umzug des Zentralen Mahngerichts, des Grundbuchamtes und des Sozialen Dienstes der Justiz nach Aschersleben werden im Sparkassenschiff in Staßfurt bald weitere Räumlichkeiten leer stehen.

„Das Kabinett hat Anfang des Jahres einer Vorlage aus dem Finanzministerium zugestimmt, wonach das Amtsgericht Aschersleben konzentriert unterzubringen ist unter Zusammenlegung des Grundbuchamtes, des Zentralen Mahngerichts und des Sozialen Dienstes“, sagte der Sprecher des Justizministeriums, Detlef Thiel, auf Anfrage der Volksstimme. Eine Zeitschiene, wann der Neubau fertiggestellt ist und wann der Umzug erfolgen werde, sei noch nicht definiert.

In diesem Zusammenhang erinnerte Thiel daran, dass das Gesetz über die Neugliederung der Amtsgerichte aus dem Jahr  2000 festlege,  Zweigstellen aufzulösen, sobald die baulichen und räumlichen Voraussetzungen dafür erfüllt seien. „Es geht im Kern um  die Verbesserung der Unterbringungssituation des Amtsgerichts Aschersleben, die den Abläufen in der Justiz  und den Bürgern nutzt“, sagte Thiel. Er nannte hier beispielhaft eine gute Erreichbarkeit. Darauf angesprochen, wie teuer das neue Justizzentrum des Landes in Aschersleben wird, sagte der Pressesprecher: „Die Kosten müssen noch im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung ermittelt werden.“

Während die Nachricht über den Justizneubau in Aschersleben für Jubel sorgte, herrscht in Staßfurt Trauerstimmung. „Ich bin enttäuscht, dass die Justiz aus dem Sparkassenschiff auszieht. Ich hätte es gern gesehen, wenn sie bei uns geblieben wäre“, sagte Oberbürgermeister Sven Wagner (SPD), den diese Nachricht kalt erwischt hat. Aus seiner Sicht wird der Umzug der Justiz den Bürgern der Region weitere Wege und der Stadt einen Kaufkraftverlust bescheren.

Der Landtagsabgeordnete Sven Rosomkiewicz (CDU) sagte: „Der beschlossene Neubau eines Justizzentrums am Standort Aschersleben stärkt den Standort Aschersleben nachhaltig, was für Aschersleben und damit auch den Salzlandkreis natürlich sehr gut ist und was ich deshalb auch sehr begrüße. Dass dies allerdings einmal mehr auf Kosten des Mittelzentrums Staßfurt, welches wiederum nachhaltig geschwächt wird, geschieht, kann ich natürlich nicht gutheißen.“ Der CDU-Politiker wünscht sich, dass das Land oder alternativ der Kreis bis zur geplanten Fertigstellung des Justizzentrums im Jahr 2024 für einen adäquaten Ersatz am Standort Staßfurt sorgt. Die Räumlichkeiten im „Schiff“ stünden dafür dann zur Verfügung. „Ich werde meinen Teil dazu beitragen, damit dies hoffentlich gelingt“, versprach Rosomkiewicz.

„Ich finde das schlimm, dass Staßfurt weiter abgehangen werden soll“, kommentierte sein Kollege Matthias Büttner (AfD) die Pläne des Justizministeriums. Aus seiner Sicht wäre es besser statt einen millionenteuren Neubau in Aschersleben zu errichten, mit dem derzeitigen Vermieter in Staßfurt, der Salzlandsparkasse, Gespräche über die Konditionen für eine weitere Einmietung aufzunehmen.

Johann Hauser (FDP), der erneut in den Landtag einzieht, kritisierte, was „Geheimbundstrategen und Hinterzimmervisionäre“ auf Landesebene entschieden hätten. „Die Stadt Staßfurt wird dadurch geschwächt und blutet mit der Zeit langsam aus“, sagte Hauser. Er zählte auf, welche Behörden und Institutionen Staßfurt in den letzten Jahren verloren hat. Er nannte die Außenstelle des Bergamtes und das Katasteramt, das Amtsgericht, die Frauen- und die Kinderklinik. „Für mich“, so Hauser, „war es bedeutend, dass Staßfurt nach der Kreisfusion 2007 nur mit einer Mehrheit von zwei Stimmen den Hauptsitz der Salzlandsparkasse erhalten hat. Das war damals ein kleines Weltwunder.“ Dazu sei es aber nur gekommen, weil die Steuereinnahmen auf die großen Städte aufgeteilt wurden.

„Staßfurt hat nach der Wende und nach der Kreisgebietsreform 1994 den Kürzeren gezogen“, so Hausers Fazit. „Solche Negativentwicklungen sehe ich als meine Aufgabe an“, sagte er zu den Umzugsplänen.

Der ehemalige Innenminister Manfred Püchel (SPD), der damals dafür gesorgt hatte, dass das Zentrale Mahngericht nach Staßfurt kam, bezeichnete die Neubau-Pläne als „für mich nicht nachvollziehbare Entscheidung.“ „Während die meisten Kommunen nicht mehr in der Lage sind, ihre Haushalte auszugleichen, scheint es dem Land noch sehr gut zu gehen, dass man sich einen solchen Luxus leisten kann“, sagte er. Obwohl Aschersleben seit 2007 keine Kreisstadt mehr sei, werde die Kommune vom Land so behandelt, als wäre sie immer noch das Zentrum der Region. Dabei seien Aschersleben und Staßfurt zwei gleichstarke Mittelzentren.

Püchel: „Während Bayern den entgegengesetzten Weg geht und Landesbehörden dezentralisiert, um den ländlichen Raum zu stärken, lässt man hier die Kommunen ausbluten.“ Gesamtgesellschaftlich gesehen seien die Pläne des Landes ein Irrsinn.

Kommentiert von René Kiel: Justizzentrum überflüssig

Mit einem wohl mehrere Millionen Euro teuren neuen Justizzentrum – die genauen Kosten stehen noch nicht fest – will die Landesregierung die Stadt Aschersleben stärken. Damit nimmt sie billigend in Kauf, dass damit das gleichstarke Mittelzentrum Staßfurt, das durch die Kreisfusion mit Aschersleben ausgeblutet ist, immer weiter geschwächt wird. Hinzu kommt, dass es den Altkreis Aschersleben-Staßfurt, für den der Neubau geplant ist, gar nicht mehr gibt. Wenn es der Finanzminister ernst damit meint, dass Sachsen-Anhalt angesichts der enormen Finanzprobleme in den nächsten Jahren eisern sparen muss, dann sollte er bei dem Projekt in Aschersleben den Rotstift ansetzen. Denn dieser Neubau ist überflüssig wie ein Kropf.