Fahrten mit der "Chlorodont-Schaukel" von Hecklingen aus einst im 20-Minuten-Takt Straßenbahn bis 1957 unterwegs: Einwohner kann sich an die Bimmel noch gut erinnern
Einst fuhr durch Hecklingen eine Straßenbahn. Dazu gibt es sogar ein Gedicht aus dem Jahr 1965. Viele weitere Informationen können in einem Buch ("Straßenbahn in Staßfurt") nachgelesen werden. Auch Zeitzeugen erinnern sich gern an die Bimmel.
Hecklingen l Als Bernhard Schirmer 1947 als Zwölfjähriger nach Hecklingen kam, war die Straßenbahn vor der Tür - sie fuhr durch die Hermann-Danz-Straße - für den jungen Burschen eine kleine Sensation. Für einen Groschen, erinnert er sich, fuhr er von der Hecklinger Endhaltestelle (Gaststätte "Zum Pferdestall") nach Löderburg. "Über Staßfurt und Neu-Staßfurt", denkt der 77-Jährige gern an die Zeit zurück. Auch der Spitzname der Straßenbahn ist ihm im Gedächtnis geblieben. "Chlorodont-Schaukel", berichtet er und erklärt, dass eine Reklame für Zahnpaste der Straßenbahn ihren Namen im Volksmund einbrachte. Und noch etwas weiß Bernhard Schirmer: Die Straßenbahn fuhr alle 20 Minuten. Den Worten des Mannes nach bis 1957. Danach sei Schluss gewesen. Busse ersetzten das Transportmittel auf Schienen.
"Vor über 100 Jahren verlangte die aufstrebende Salzstadt ein modernes Verkehrsmittel, das vorwiegend der Beförderung der Arbeiter (...) dienen sollte."
Im Buch "Straßenbahn in Staßfurt" (Autoren sind Mario Schatz, Rolf-Roland Scholze, Jens Karkuschke, erschienen im Verlag Kenning/ ISBN 3-933613-35-3) sind viele weitere Informationen über die Historie des einst für die Region bedeutenden Schienenfahrzeugs nachzulesen. "Vor über 100 Jahren verlangte die aufstrebende Salzstadt (Staßfurt) ein modernes Verkehrsmittel, das vorwiegend der Beförderung der Arbeiter zu den Kohle- und Salzbergwerken und den Chemiefabriken dienen sollte. 1898 begannen Verhandlungen mit einigen Anbietern zum Bau einer elektrischen Straßenbahn, die schließlich im Jahr 1900 eröffnet werden konnte." Geboren war die Überlandlinie: Hecklingen - Staßfurt - Löderburg. Dazu habe nur wenige Jahre auch eine kurze Zweigstrecke zum Bahnhof Staßfurt gehört, schreiben die Autoren des Buches. Und: In den ersten Jahren ihres Bestehens soll die Bahn auch Postsendungen befördert haben, quasi als Gütertransport.
Schließlich geht aus der Literatur ebenfalls hervor, dass die Staßfurter Straßenbahn als erste der DDR wieder eingestellt wurde.
Die Verfasser des Buches informieren über die Hintergründe der Stilllegung. Sie schreiben vom "aussichtslosen Kampf des Betriebsleiters und der Belegschaft um den Erhalt der Straßenbahn." Ferner haben sie den drei Staßfurter Werkbahnen (erste elektrische Grubenbahn in einem Salzbergwerk, Roßbahn, Kalkbahn Sodawerk) eigene Kapitel gewidmet.
Auch versetzen sie sich zurück ins Jahr 1900. Eine Fahrt mit der Straßenbahn über die gesamte Strecke wird beschrieben. Als die Bahn aus Staßfurt kommend in Hecklingen einfährt, ist zu lesen: "Die ersten Gebäude (...) gehören zum Chemiewerk Wüstenhagen Co. und stehen dicht an der Fahrbahn, an deren Rand das Gleis wechselt. Auch die Fahrgäste müssen nach links auf die Fahrbahn aussteigen." Die gesamte Fahrt durch den Ort wird weiter im Detail mit allen Besonderheiten beschrieben.