Maskottchen Um das Kalinchen wird es still
Bürger hatten die Idee, Staßfurt ein Maskottchen zu geben. Inzwischen werden keine neuen Kalinchen mehr aufgestellt.
Staßfurt l Große Kulleraugen schauen einen freundlich an, langgezogene Ohren lassen schmunzeln, drollig kommt das kleine Wesen daher. Man möchte es einfach nur knuddeln, das Staßfurter Kalinchen. Doch das wird schwierig, viele der kleinen Figuren gibt es inzwischen gar nicht mehr. Sie sind zerstört oder waren so reparaturbedürftig, dass sie abgebaut werden mussten. Dass ein neues Kalinchen öffentlichkeitswirksam aufgestellt wird, ist selten geworden. Zuletzt hat das Stadt- und Bergbaumuseum im April einem der drolligen Figuren ein neues Zuhause gegeben. Hartmut Hoffmann gestaltete es.
Dabei hatte alles mit den Staßfurter Identifikationsfiguren recht verheißungsvoll angefangen. „Eine Stadt stellt sich einer kreativen Herausforderung!“ hieß es 2004 in einem Aufruf. Anne Stoya vom Salzlandtheater und andere Kulturschaffende der Salzstadt hatten eine private Kunstinitiative auf die Beine gestellt. Vorbilder waren ähnliche Stadt-Aktionen in Berlin, Köthen, Magdeburg, Ulm oder Leipzig. Staßfurt sollte ein Symbol bekommen, einen liebevollen Hingucker, der Stadtgeschichte aufgreift und Vermarktung katalysiert. Als erstes hatte das Kuratorium die Bürger der Stadt aufgefordert, sich an der Suche nach einer geeigneten Figur und einem Namen zu beteiligen. Aus den zahlreichen Vorschlägen wurde dann das Lamm ausgewählt. Für die Gestaltung wurden die Werbeagenturen der Salzstadt aufgefordert, Vorschläge sowohl für die Figur als auch für die Ausführung einzureichen. Das Kuratorium entschied sich für den Entwurf der Firma Bohna Werbung und Design. Als Inspiration für die Figur diente die Staßfurter Fahne mit dem Stadtwappen sowie dem Heiligen Johannis der Täufer mit dem Lamm. Die Idee dazu hatte der ehemalige Geschäftsführer des Achslagerwerke Heinz-Jürgen Luig.
Der Geologe Karl Wächter, damals Vorsitzender des Kulturbundes, schlug den Namen „Salinchen“ vor, um an die Bergbaugeschichte der Stadt zu erinnern. Nach Einspruch aus Schönebeck, wo bereits ein Stadtsouvenir diesen Namen trägt, einigte man sich auf „Staßfurter Kalinchen“ – ebenfalls ein Vorschlag von Karl Wächter. Dieser Name erinnert an die Wiege des Kalibergbaus. Die ganze Aktion wurde vom damaligen Bürgermeister unterstützt, das Rathaus sagte kostenfreie Ausstellflächen für die Kunstobjekte im Stadtgebiet zu.
Am 14. Januar 2006 war es soweit. Das erste große Kalinchen wurde der Stadt vom Kuratorium zum Neujahrsempfang übergeben. Künstler Borchu Bawaa hat ihm mit Lackfarben Leben eingehaucht. Staßfurter Motive zierten die rund einen Meter große Plastik aus stabilem glasfaserverstärkten Kunststoff, auf einem Betonsockel stehend. Nun waren Einrichtungen, Firmen und Institutionen aufgefordert, Kalinchen zu erwerben und sie fantasievoll zu gestalten. Die Vermarktung übernahmen die Staßfurter Stadtwerke.
Und heute? Wie viele Kalinchen es genau gibt, kann Elke Heitmann, Sprecherin der Stadtwerke, leider nicht genau sagen. – Die Stadtwerke Staßfurt, die Lebenshilfe Staßfurt, RiRo, das Museum Staßfurt, das Theater Staßfurt, das ehemalige Kombinatsgebäude des Fernsehgerätewerkes, am Löderburger See nennt Elke Heitmann als Beispiele. „Die jeweiligen Firmen, die die Kalinchen gekauft haben, haben individuell Künstler engagiert, die die Kalinchen bemalt haben. Das Kalinchen der Stadtwerke wurde von Mitgliedern des Staßfurter Kulturbundes, hauptsächlich vom Maler Herbert Heinicke bemalt.“ Auch Schulen beteiligten sich, wie der Volksstimme-Beitrag zeigt.
Doch manchen Figuren war keine lange Lebensdauer beschert. Die damalige Kreissparkasse Aschersleben-Staßfurt hatte Anfang 2006 drei Figuren erworben. „Sie wurden vor der Hauptstelle der Sparkasse und vor zwei Geschäftsstellen aufgestellt“, berichtet Ute Cziesla, Sprecherin der Salzlandsparkasse. Ein weiteres Kalinchen kam 2007 dazu.
Doch der Zahn der Zeit nagte an ihnen. „Leider mussten alle vier Exemplare bereits relativ bald mehrfach repariert werden. Bedingt durch die Herstellung und Konstruktion gab es immer wieder Risse in den Skulpturen, die auch eine Gefährdung darstellten“, so Ute Czielsa. Denn die Kalinchen bestanden aus zwei zusammengeklebten Einzelteilen, die auseinanderbrechen konnten. So passiert beim Kreditinstitut.
Aus Sicherheitsgründen wurden die Figuren abgebaut, in den mehrfach entstandenen Rissen hätte man sich einklemmen und Verletzungen zuziehen können. Die Kalinchen waren ja öffentlich zugänglich. Ute Cziesla: „Deshalb gibt es leider bei der Sparkasse die Kalinchen nicht mehr. Das ist sehr schade, waren sie doch ein toller Blickfang und eine Identifikationsfigur für Staßfurt.“ Sie berichtet, dass die Sparkasse die Figuren auch mehrmals neu bemalen oder besprühen ließ. „Die Gestaltung wurde von einem damaligen Mitglied des Begabtenteams cash‘n fun Talents vorgenommen: Sebastian Höger aus Schadeleben hat eine große künstlerische Begabung beim Zeichnen und Malen, er hat im Salzlandkreis Graffiti-Kurse angeboten, zahlreiche öffentliche Flächen gestaltet und inzwischen auch beruflich einen künstlerischen Weg eingeschlagen.“
Elke Heitmann von den Stadtwerken berichtet, dass es inzwischen keine neuen Kalinchen mehr gebe. Die letzte Aktion, eine Figur im Ausstellungsgarten des Stadt- und Bergbaumuseums aufzustellen, hätte der kommunale Versorger begleitet. „Weitere Aktionen sind nicht geplant“, so die Sprecherin.