Chef der UWGn Wiest und Landtagsabgeordneter Rothe sehen kritikwürdiges Verhalten Verstößt Zok mit der Genehmigung seines eigenen Urlaubs gegen die Gesetze?
Dulden die Kreistage sowie die Stadt- und Gemeinderäte in Sachsen-Anhalt schon seit mehr als 20 Jahren massenhaft Dienstrechtsverletzungen, in dem sich die hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte ihren Urlaub selbst genehmigen?
Staßfurt l Das behauptet der Vorsitzende der Unabhängigen Wählergemeinschaft "Salzland" (UWGn) Hartmut Wiest.
Der Urlaubsanspruch von hauptamtlichen Bürgermeistern und Landräten ist in der Verordnung über den Urlaub der Beamten im Land Sachsen-Anhalt (Urlaubsverordnung) in der aktuellen Fassung vom 26. November 2012 geregelt. Diese Verordnung gilt für Beamte im Sinne des Paragrafen 1 des Landesbeamtengesetzes, also auch für die mittelbaren Landesbeamten in den Kommunen, Zweckverbänden und Anstalten des öffentlichen Rechts. Auf Ehrenbeamte findet sie jedoch keine Anwendung.
Wiest: "Entsprechend Pragraf 1 Absatz 4 dieser Verordnung setzt die Gewährung von Urlaub zwingend einen Antrag voraus, den der Dienstvorgesetzte gemäß Paragraf 3 Absatz 3 des Landesbeamtengesetzes vom 17. Februar 2012 für den Dienstherrn zu bescheiden hat. Dienstvorgesetzter bei Bürgermeistern ist der Gemeinde- beziehungsweise Stadtrat, bei Landräten der Kreistag."
Durch eine Regelung in der Hauptsatzung der Kommune sei es möglich, einzelne Dienstvorgesetztenbefugnisse, wie zum Beispiel die Entscheidung über den Urlaubsantrag auf einen beschließenden Ausschuss oder auch auf den Ratsvorsitzenden zu übertragen. Dies sei deshalb sinnvoll, damit nicht für jeden Urlaubsantrag des Hauptwahlbeamten der komplette Rat einberufen werden müsse.
Die Entscheidung über den Urlaubsantrag trägt den Charakter eines Verwaltungsakts gegenüber dem Beamten, weil der Urlaubsanspruch hierfür durch öffentliches Beamtenrecht geregelt wurde, sagte Wiest. Dem Antrag stellenden Beamten sei es aufgrund seines Mitwirkungsverbots gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz ausdrücklich nicht erlaubt, sich selbst den Urlaub genehmigen zu dürfen oder an der Entscheidung mitzuwirken, betonte Wiest. Auch der Vertreter des Wahlbeamten dürfe diesen Urlaubsantrag nicht entscheiden, weil dieser kein Dienstvorgesetzter sei.
Wiests Fazit lautet: "In Sachsen-Anhalt dulden und fördern die großen Parteien CDU, SPD, die Linke in den Gemeinde-/Stadträten und Kreistagen massenhaft das ungenehmigtes Fernbleiben vom Dienst ihrer Hauptwahlbeamten ohne dass dieses jeher zu Konsequenzen geführt hätte.Ein Angestellter wäre bei ungenehmigtem Fernbleiben von der Arbeit schon längst entlassen worden."
Der Rechtsexperte der SPD, der Landtagsabgeordnete Bernward Rothe räumte ein, dass die Praxis hier schon seit Jahren von der Rechtslage abweicht. Rein rechtlich gesehen seien der Kreistag und der Stadtrat die Dienstvorgesetzen des Hauptverwaltungsbeamten und nur sie könnten die Genehmigung für den Urlaub erteilen. Die Praxis habe sich aber so entwickelt, dass der Landrat oder die Bürgermeister die Kreistage oder Stadträte von sich aus rechtzeitig über ihren Urlaub in Kenntnis setzen.
"Kritikwürdig ist, wenn der Hauptverwaltungsbeamte einen längeren Urlaub nimmt ohne den Kreistag oder den Stadtrat rechtzeitig darüber zu unterrichten", sagte Rothe.
Der stellvertretende Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt, Heiko Liebenehm, verteidigte die derzeitige Praxis. Nach seiner Rechtsauffassung müssen die Kreistage und Gemeinderäte den Urlaub der Landräte und hauptamtlichen Bürgermeister nicht genehmigen.
"Nach der Urlaubsverordnung für Beamte in Sachsen-Anhalt steht diesem Personenkreis ein Rechtsanspruch auf Urlaub zu. Wenn sichergestellt ist, dass die Dienstgeschäfte in dieser Zeit weiter geführt werden können, muss sich der Landrat oder Bürgermeister nur mit seinem allgemeinen Vertreter abstimmen", meint Liebenehm.
Auf die Situation in Staßfurt angesprochen, sagte Oberbürgermeister René Zok (parteilos), dass er den Stadtratsvorsitzenden Dr. Walter Blauwitz (Linke) über seine Urlaubspläne informiert habe. Er sieht nicht ein, darüber im Stadtrat auch noch abstimmen zu lassen.
FDP-Fraktionschef Johann Hauser sagte: "Die Stadtverwaltung müsste in dieser Angelegenheit genau so pingelig sein, wie sie gegen andere ist, denn vor dem Gesetz sind laut Verfassung alle gleich. Wenn der Normalbürger sich das kleinste Vergehen erlaubt, hat er die Verwaltung schon am Hals."
SPD-Fraktionschef Michael Hauschild kann sich in den ganzen langen Jahren seiner Stadtratstätigkeit nicht daran erinnern, dass ihm jemals ein Urlaubsantrag des Bürgermeisters vorgelegt wurde. "Der Oberbürgermeister hat einen Stellvertreter, so dass die Angelegenheit in den richtigen Händen ist. Dafür haben wir ihn ja gewählt", sagte er.