Modelleisenbahn Volldampf am Zaun

In Neundorf staunen Passaten am Gartenzaun über eine Modellbahn. Uwe Tillner hat akribisch an ihr gebastelt.

Von Daniel Wrüske 09.01.2016, 00:01

Neundorf l „Du bist verrückt!“ Uwe Tillner hat diesen Satz immer wieder gehört, als er Freunden und Bekannten von seiner Idee erzählte. „Alle waren skeptisch und fragten, welche Flausen ich mir nun wieder in den Kopf gesetzt habe“, berichtet der Neundorfer. Doch gerade weil alle ihn kennen, um seine Bastel- und Begeisterungsfähigkeit wissen, hätten sie ahnen müssen: Was sich Uwe Tillner erst einmal vornimmt, das zieht er auch durch. Im speziellen Fall sollte sich der Vorgarten am Neundorfer Gänseanger 85 in eine übergroße Modeleisenbahn-Landschaft verwandeln. „Ich habe mir überlegt, man könnte doch mal etwas besonders machen. Etwas, das anderen eine Freude bereitet.“ Zunächst hatte er die eigenen Enkelkinder dabei im Blick, doch die Ambitionen wuchsen zeitgleich mit Uwe Tillner eigener Begeisterung.

Den ersten Anlass für das Bahnbauprojekt vor der Haustür bot das Halloweenfest. Der 51-Jährige legte die ersten Schienen, ließ Züge mit speziell spaßig-gruselig gestalteten Wagons fahren. „Die Reaktionen waren da schon ganz gut“, und Uwe Tillners Ehrgeiz geweckt. In der Advents- und Weihnachtszeit sollten die Augen von Kindern und anderen Passanten am Gartenzaun leuchten. Getreu dem Motto: Lichterketten ans haus bringen, kann jeder. Der Neundorfer hat deshalb die Strecke aufwendig ausgebaut. Die Schienen liegen auf einem selbstgebauten Fundament.

Die Bahn schlängelt sich über die Terrasse an den großen Wohnzimmerfenstern vorbei, über den Steingarten und kleine Beete, ja sogar über eine kleine Brücke, die das „Tal“ zu einer Kellertür überbrückt. „Ich habe einfach probiert, was man machen kann, drauf los gebaut und wollte eine ansprechende Gestaltung erreichen“, sagt Uwe Tillner.

Von Hause aus ist der Neundorfer Tischler. Das erklärt seine handwerkliche Kreativität. Nicht aber seine Liebe zur Eisenbahn. Die ist, das gibt der Bastler freimütig zu, auch erst spät geweckt worden. „Meine Frau hat mir zum 50. Geburtstag eine Startset geschenkt.“ Und damit den Grundstein gelegt für das, was jetzt vor dem Haus herumfährt und im Sommer auch im Garten. Denn die Teile waren nichts für die Modellplatte, sondern in Spur G wie Gartenbahn.

Uwe Tillners Ideen sind, was die Gestaltung angeht, schrankenlos. Brücken, Häuser, Bäume, Wege. Die Enkel haben mitgeholfen, und eigene Baubeiträge geleistet. Nur eine Grenze ist gesetzt: die Finanzen. „Die Bahnmodelle kosten Geld. So muss alles nach und nach kommen.“ Von Anfang an war für Uwe Tillner klar, dass er seine Weihnachtsbahn mit allein teilen will. Am Gartenzaun ist ein kleines Podest angebracht, damit die jüngsten Passanten etwas sehen. Wenn man einen Knopf, so groß wie ein Lichtschalter, drückt, setzt sich die Bahn in Bewegung. Licht leuchtet auf, und Musik ertönt – ganz klar „Eine Insel mit zwei bergen“, der Klassiker aus der Augsburger Puppenkiste, Titellied zu den Stücken um Lukas den Lokomotivführer.

Gerade kommen wieder Zaungäste. Doch es hat geschneit. Die kleine Bahn schiebt sich über die verschneiten Schienen, sie bleibt stecken, wenn Uwe Tillner nicht nachhilft. „Es ist wie bei der echten Bahn“, ruft der „Streckenposten“ seinen Nachbarn zu. Die können für die Havarie im Kleinen mehr Verständnis aufbringen, als so mancher Reisender in den Originalen.

Die Bahn ist zu einem Magnet geworden. Gleich im ersten Jahr ihres Fahrplans. Nicht nur in Krähenstedt. „Die Leute kommen sogar von weither“, sagt Uwe Tillner und beweist das mit der Aufzählung der Nummernschilder an den Autos, die schon an seinem Gartenzaun angehalten haben. Halle, Magdeburg, Harz.

In den nächsten Tagen soll aber Schluss sein mit den Fahrten der Mini-Dampfrösser im Garten. Uwe Tillner will die Bahn wieder abbauen. „Das soll etwas Besonderes sein und bleiben - zu Weihnachten. Deshalb muss man sich auch ein bisschen rar machen können.“ Seine Freunde und Bekannten blicken schon wieder mit so mancher Skepsis auf den Neundorfer. Denn der heckt schon die nächsten Ideen aus. „In diesem Jahr soll alles noch spektakulärer werden.“ Der 51-Jährige bewirbt sich bei einem privaten Fernsehsender, der in der Vorweihnachtszeit drei Hausbesitzer zum Schmückwettbewerb aufruft. Uwe Tillner hofft, dass er nach seiner Meldung dabei ist. Und dann …