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Gesetzgebung Warum Massieren nicht gleich Massieren ist

Physiotherapien haben mit der Corona-Krise zu kämpfen - viel schlimmer trifft es aber Massagestudios.

07.04.2020, 09:29

Staßfurt l Dass weniger Patienten Physiotherapie in Anspruch nehmen, muss auch Thomas Koeppe, der eine solche Praxis in Förderstedt betreibt, zurzeit vermehrt feststellen. 30 bis 40 Prozent weniger Rezepte gingen bei ihm ein. Zudem darf er aktuell keine kosmetische Fußpflege, die er eigentlich auch anbietet, durchführen.

Noch seien sie und ihre Kollegen zwar ausgelastet, berichtet Anke Buchholz-Gerecke, die in Staßfurt eine Praxis für Physiotherapie und Osteopathie betreibt. Doch das liege auch daran, dass eine Kollegin aktuell im Krankenstand sei, viele der Patienten ihrer Praxis Langzeitpatienten sind, weshalb die Praxis ausbleibende Patienten durch verschobene Operationen nicht übermäßig treffe – noch nicht.

Schätzungsweise 70 Prozent der eigentlichen Patientenzahl nehmen Behandlungen von der Staßfurter Praxis noch in Anspruch „Tendenz abnehmend“, wie Anke Buchholz-Gerecke aber anmerkt.

Auf Null gesetzt sind derweil vom Gesetzgeber die Dienstleistungen von Massagestudios.

Fanny Schlehf füllt einen Gutschein aus. Es ist zwar etwas mehr als Beschäftigungstherapie. Aber entspannt wie sonst, wirkt die Staßfurterin nicht. „Wir haben die gleiche hygienischen Auflagen zu erfüllen“, versteht die Inhaberin von „Mananda-Massagen“ die ungleiche Behandlung durch die Schließungsverfügung nicht. Bei ihrer Ausbildung zur Massagetherapeutin hatte sie die gleiche Ausbildung im Fach Hygiene. In ihrem Studio zeigt sie auf verschiedenste Desinfektionsmittel für die verschiedensten Oberflächen. Die junge Frau, die erst kürzlich ihr Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen hat, könnte zudem auch eine therapeutische Praxis betreiben.

Ganz so hart trifft Fanny Schlehf die Situation derzeit nicht: Sie unterstützt ihre Mutter zeitweise in deren Arztpraxis in der Altmark. Ihre Angestellte musste die Staßfurterin allerdings in Kurzarbeit schicken. Die Güstenerin beschäftigt sich zurzeit mit dem Nähen von Mund-Nase-Schutzmasken.

Dass Fanny Schlehf Gutscheine ausfüllt, beruhigt sieht sie derweil mit gemischten Gefühlen. Klar, im erstem Moment sieht das nach einer Alternative aus. Aber mit den Gutscheinen verdoppelt sich die Zeit letztendlich nicht, die sie für deren Umsetzung in der Zeit nach Corona bräuchte.

Warum werden nun zwei zumindest stark verwandte Branchen, bei denen Dienstleister und Kunden/Patienten ohne Körperkontakt während der Behandlung nicht auskommen, so unterschiedlich vom Gesetzgeber behandelt?

Dr. Britta Krause, Referentin im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration Sachsen-Anhalt, erklärt: „Hintergrund der Unterscheidung ist die medizinische Notwendigkeit. Die Öffnung von Dienstleistungsbetrieben der Körperpflege, wie beispielsweise nichtmedizinische Massagepraxen, ist untersagt, weil in diesem Bereich eine körperliche Nähe unabdingbar ist und damit Infektionsketten nicht wirksam unterbunden werden.“ In Abwägung notwendiger Hilfeleistungen müssten demgegenüber medizinisch notwendige Behandlungen weiter möglich bleiben, weshalb Physiotherapien öffnen dürfen, wenn dies in konkreten Einzelfällen medizinisch zwingend notwendig ist.

Bleibt also sowohl für Massagestudios als auch Physiotherapien nur zu hoffen, dass die Coronalage baldigst neu bewertet und aktualisiert werden kann. Britta Krause dazu: „Die Dritte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung tritt mit Ablauf des 19. April 2020 außer Kraft. Es ist davon auszugehen, dass die Situation vor Außerkrafttreten der Verordnung neu bewertet wird und gegebenenfalls Änderungen der aktuell bestehenden Regelungen erfolgen werden.“