Rund 6000 Kundgebungsteilnehmer sind sich mit Brigitte Köplin einig: "Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Klinik ausblutet"
Eine so machtvolle Demonstration wie die Protestaktion zur Verhinderung der weiteren Leistungsreduzierung am Klinikstandort Staßfurt hatte es in Staßfurt seit der politischen Wende im Jahr 1989 nicht mehr gegeben. Laut Polizeiangaben waren am frühen Mittwoch-abend rund 6000 Menschen aus dem gesamten Altkreis Staßfurt dem Aufruf von Oberbürgermeister René Zok (parteilos) sowie der Fraktionsvorsitzenden des Stadtrates gefolgt.
Staßfurt. Angeführt vom Kinder- und Jugendfanfarenzug der Wema Aschersleben sowie vom Spielmannszug aus Schadeleben setzte sich der beeindruckende Zug um 18 Uhr am Neumarkt in Richtung Krankenhaus in Bewegung.
An der Spitze marschierten der Oberbürgermeister, seine Amtskollegen aus Hecklingen, Hans-Rüdiger Kosche (CDU), der Egelner Mulde, Michael Stöhr, und der Gemeinde "Bördeaue", Peter Fries, sowie die Fraktionsvorsitzenden des Stadtrates. "Finger weg vom Krankenhaus", so lautete ihre Botschaft, die sie in Form eines großen Transparentes mit sich führten.
Auf der anschließenden Kundgebung vor der Klinik, an der auch Mitarbeiter des Hauses und Patienten teilnahmen, bezeichnete der Oberbürgermeister das vom Aufsichtsrat der Salzlandkliniken beschlossene Zukunftskonzept als "Beruhigungspille" für die Staßfurter.
"Wir fordern die Politiker des Landes und des Landkreises auf: Schaut auf diese Holding! Wir vermuten, hier findet eine Verschwendung von Steuergeldern statt." Damit spielte das Stadt-oberhaupt auf die geplante Schließung der Chirurgie und des OP-Traktes an, die nach Aschersleben verlagert und dort für viel Geld erweitert werden sollen. Die Stadt fordere den Erhalt des Krankenhausstandortes einschließlich der Chirurgie, sagte Zok unter dem Beifall der Teilnehmer und drohte dem Aufsichtsrat im Falle der Weigerung mit weiteren Demonstrationen.
Wenn der Landkreis den Standort Staßfurt nicht auslasten wolle, dann solle er ihn aus dem Klinikverbund herauslösen, damit man einen privaten Betreiber suchen könne, sagte Zok.
Der stellvertretende CDU-Fraktionschef, Heinz Czerwienski, der für den gesamten Stadtrat sprach, sagte, es sei "beschämend und bedauerlich", dass diejenigen, die "uns zu dieser Demo gezwungen haben, sich einen Dreck um unsere Probleme scheren." Der Klinikleitung in Aschersleben und Landrat Ulrich Gerstner (SPD) warf er "unfaire Machenschaften" vor. Die Geschäftsleitung in Aschersleben habe den Standort Staßfurt seit Jahren demontiert, um das eigene Haus zu retten.
Der Landrat kenne den Landkreis und seine Probleme nicht und wolle sie offenbar auch nicht kennenlernen, wenn er das Klinikkonzept an den Betroffenen in Staßfurt und am Kreistag vorbei im stillen Kämmerlein ausarbeiten und beschließen lasse, monierte Czerwienski.
Verantwortungslos und eine Verschwendung von Steuergeldern sei der geplante Neubau von OP-Kapazitäten in Aschersleben für zwölf Millionen Euro, wo doch in Staßfurt all das vorhanden sei. Der Landrat solle endlich den Willen der Staßfurter akzeptieren, verlangte Czerwienski.
Der Geschäftsführer des Sodawerkes, Ulrich Eichhorn, der die Demo angeregt hatte, sagte, er sei stolz darauf, dass es gelungen sei, annährend 6000 Menschen auf die Beine zu bringen. "Wir wollen diesen Standort erhalten, weil er wirtschaftlich ist und über eine sehr gute Verkehrsanbindung verfügt", sagte der Firmenchef, der beim Landrat Führungsstärke vermisst. "Es ist Führungsschwäche, wenn ich ein Konzept erarbeiten lasse und es dann nicht mit denen bespreche, um die es geht", so Eichhorn.
Den Kundgebungsteilnehmern versicherte er: "Ich werde alle meine Möglichkeiten nutzen, um zu verhindern, dass weitere Gelder an Klinikstandorten am Rand des Landkreises eingesetzt werden." Zudem kündigte Eichhorn an, den Bund der Steuerzahler sowie den Landesrechnungshof anzuschreiben, "um diesen Unsinn zu verhindern."
Brigitte Köplin, Mitglied des Seniorenbeirates der Stadt Staßfurt, rief den Anwesenden zu: "Wir dürfen nicht zulassen, dass unser modernes Krankenhaus von langer Hand zum Ausbluten vorgesehen ist!"
Sie sei empört darüber, dass bisher jede Strukturveränderung zum Nachteil der Region Staßfurt erfolgt sei. "Staßfurt wird immer mehr platt gemacht", so Köplin. Als jüngstes Beispiel führte sie die vom Kreistag beschlossene Schließung der Notarzstandorte Staßfurt und Egeln an. "Das ist skandalös", meinte die Seniorin.
Bestürzt und empört sei sie auch über das Verhalten des Landrates, der sich nicht öffentlich den Fragen seiner Wähler stellen wolle, was einige Kundgebungsteilnehmer mit den Worten "Feigling" und "Abwählen" kommentierten.
Köplin: "Wir sind nicht bereit, weiterhin eine Basta-Politik zu akzeptieren." Und an die Adresse von Gerstner und des Klinik-Aufsichtsrates gerichtet fügte sie hinzu: "Auch wir Senioren können noch kämpfen."