Vandalismus Zeugen haben Angst auszusagen
Am Stadtsee in Staßfurt wurden Bäume verschandelt. Obwohl es Zeugen gibt, wollen diese bei den Ermittlungen nicht helfen.
Staßfurt l Eine merkwürdige Geschichte in der Staßfurter Innenstadt. Am Stadtsee, auf einer Anhöhe in Richtung Steinstraße, wurden mehrere Bäume angesägt. Ihre Äste hängen hässlich nach unten, das letzte Stück hat der Verursacher dann doch nicht gemacht. Das Szenario schaut ein wenig aus wie „auf frischer Tat“ ertappt oder wie ein schlechter Scherz.
In der Sache handelt es sich tatsächlich um eine Sachbeschädigung. Denn das Stückchen Wiese gehört der Stadt Staßfurt, also auch die Bäume.
Die musste sich jetzt erst vor dem Stadtrat rechtfertigen, was das soll. Wer das veranstaltet hat und was das darstellen soll, wollte Stadtrat Hartmut Wiest von der Verwaltung wissen.
Dort stellte sich heraus, dass das Ganze wirklich seltsam ist: „Die Fläche gehört der Stadt, aber keiner hat das angeordnet“, erklärte Anke Michaelis-Knakowski von der Stadtverwaltung. Die Stadt hat daher Anzeige gegen Unbekannt bei der Polizei erstattet.
Ob man keine Zeugen suchen könne, fragte Hartmut Wiest. Die Stelle am Stadtsee sei doch stark frequentiert und das sei schon ein ziemlicher Frevel.
Mit den Zeugen sieht es allerdings schlecht aus. „Wir haben Zeugen“, sagt Susanne Henschke als Leiterin des Staßfurter Ordnungsamtes, „aber die trauen sich nicht als Zeugen auszusagen.“
Die Stadt hat ihre Vorarbeiten also schon geleistet, sich offenbar sogar erkundigt und mit möglichen Zeugen gesprochen. Auch eine Anzeige bei der Polizei wurde erstattet.
Dass die Zeugen aber nicht aussagen wollen – aus Angst vor wem oder was auch immer – ist wiederum das Aus für die Ermittelungen der Polizei.
Denn, wie Polizeisprecher Marco Kopitz erklärt, „werden Anzeigen oft eingestellt, wenn sich überhaupt kein Ermittlungsansatz für die Polizei ergibt.“ Nimmt man es genau, war dann auch die Anzeige eigentlich für die Katz.
In dem Fall wird es sich so verhalten haben: Die Stadt Staßfurt hat die Anzeige bei der Polizei erstattet, aber nicht erklärt, dass es dabei Zeugen gibt. Eben zum Schutz der Zeugen, die Angst haben. „Wir versuchen nach solchen Anzeigen immer, Zeugen zu ermitteln“, so Marco Kopitz. „Als letztes Mittel bleibt uns auch noch eine öffentliche Meldung über die Presse, aber dann nicht mehr viel.“ Meldet sich dann immer noch niemand bei der Polizei, ist – ohne das Wissen der Zeugen – kaum ein Ansatzpunkt da, um den Täter zu finden.
Warum scheuen sich heute immer mehr Menschen, eine Aussage als Zeuge zu machen? „Es ist tatsächlich so, dass viele Menschen sich eher nach ihrem subjektiven Sicherheitsgefühl richten, anstatt nach der Realität“, sagt der Polizeisprecher. „Da stellen sich die Menschen die wildesten Szenarien vor.“ Dass der Täter die Zeugen zuhause aufsucht, einbricht, ihnen oder ihrer Familie Gewalt antut. „Das ist aber so gut wie nie der Fall.“ .
Klar ist, dass die Polizei die Namen und Daten von Zeugen während ihrer Ermittlungsverfahren für sich behält. Bis es zum Gerichtsverfahren, oft Monate oder Jahre später, kommt, sind die Daten unter Verschluss. Erst vor Gericht treffen Zeugen und Täter eventuell zusammen.
Generell ist es übrigens nicht so, dass eine Zeuge eine Aussage machen muss. „Richtig ist, dass, wenn man Zeuge ist, verpflichtet ist, die Wahrheit zu sagen“, so Marco Kopitz.
In Ausnahmefällen oder bei besonders schweren Straftaten kann die Staatsanwaltschaft auch durchsetzen, dass bestimmte Zeugen aussagen müssen. Bei einer sogenannten „Beugehaft“ kann ein Zeuge, der nicht aussagen will, bis zu sechs Wochen eingesperrt werden.
Das ist aber bei schweren Straftaten der Fall – bei den Bäumen am Stadtsee handelt es sich „nur“ um eine Sachbeschädigung. Hier wird sich ohne Zeugen wohl nichts mehr ergeben.