Gerhard Jorns (65) war über 41 Jahre Schwimm-Meister am Bismarker Kolk 2000 Kindern das Schwimmen beigebracht
"Im Wasser ist es wärmer als an der Luft", sagt Gerhard Jorns und trocknet sich nach einem Bad im Bismarker Kolk ab. Über 41 Jahre war er der Schwimm-Meister an dem Naturgewässer, heute badet der 65-Jährige als Gast.
Bismark l Am 30. September hatte Gerhard Jorns (65) seinen letzten Arbeitstag. Vornehmlich als Gemeindearbeiter von Bismark, aber auch als Schwimm-Meister am Kolk. "Vertraglich" bleibt Jorns mit der Einheitsgemeinde verbunden. Nicht mehr per Arbeitsvertrag, aber immer noch per Mietvertrag. Denn er bewohnt mit Ehefrau Anita (62) auch weiterhin das kleine Häuschen am Kolk. "1972 sind wir hier eingezogen und können auch weiter darin wohnen", erzählt Gerhard Jorns.
Der waschechte Bismarker war über 41 Jahre am Kolk als Schwimm-Meister tätig. Über 2000 Kindern hat er das Schwimmen beigebracht. Darunter auch Franziska Schenk, als Eisschnellläuferin zweifache Weltmeisterin sowie Bronzemedaillen-Gewinnerin bei Olympia und heute MDR-Moderatorin. Die gebürtige Erfurterin besuchte zu Kinderzeiten in den Sommerferien ihre Großeltern (Eheleute Loyal) in Bismark. Dabei lernte sie bei Gerhard Jorns das Schwimmen. "In den Sommerferien haben mich aber beim Unterricht auch die Sportlehrer Ilse Breitenstein, Else Hamann und Rolf Tempel unterstützt", erklärt der 65-Jährige mit Blick auf die zum Teil täglich 100 Kinder, die im Kolk ihre ersten Schwimmbewegungen machen wollten.
Im Mittellandkanal und nicht im Kolk schwimmen gelernt
Jorns selbst hat nicht im Bismarker Kolk schwimmen gelernt. Mit acht Jahren kam er eher unfreiwillig im Mittellandkanal in den Genuss. "Ich war Trommler im Bismarker Spielmannszug", erzählt Gerhard Jorns. "Wenn wir in Magdeburg aufgetreten sind, haben wir auf der Rückfahrt immer am Mittellandkanal haltgemacht." Dann wurde auch der Kanal überquert. Klein Gerhard war auf dem Rücken der Erwachsenen dabei. Bis sie ihn auf einer Uferseite stehen ließen und er den Kanal nun notgedrungen allein schwimmend durchqueren musste.
Gerhard Jorns besuchte von 1953 bis 1963 die Polytechnische Oberschule (POS) in Bismark. Bis 1965 lernte er in Gardelegen den Beruf des Landmaschinen- und Traktorenschlossers, arbeitete danach bis 1970 im Kreisbetrieb für Landtechnik (KfL) Bismark. Die folgenden drei Jahre machte er neben der täglichen Arbeit seinen VE (volkseigenen)-Meister als Schlosser.
Im Februar 1971 ließ sich Gerhard Jorns in Magdeburg zum Schwimm-Meister ausbilden. "Werner Simon, der Leiter der Elbe-Schwimmhalle, war mein Lehrer", erinnert sich Jorns. Nach der vierteljährlichen Schulung in Magdeburg durfte der Bismarker sogar selbst Rettungsschwimmer ausbilden. Seine Leidenschaft für den "Zweitberuf" entdeckte Gerhard Jorns aber wesentlich früher: "Mit elf Jahren war ich bereits junger Rettungsschwimmer im DRK Bismark."
Aber nicht nur das Schwimmen hatte es ihm in Kinderjahren angetan. Von 1955 bis 1963 war Gerhard Jorns jährlich Kreismeister im Geräteturnen, er spielte Fußball bei Lok Stendal und trommelte im Spielmannszug.
Beruflich ging es für Gerhard Jorns ab dem 1. August 1970 beim Rat der Stadt Bismark weiter. "Ich wurde von Theo Meurer, dem Leiter der allgemeinen Verwaltung, vom KfL abgeworben", erinnert sich Jorns. Eingesetzt war er als Kraftfahrer, dazu übernahm Schwimm-Meister Jorns als Nachfolger von Jürgen Höft den Kolk. In den Wintermonaten war er zudem mit vielerlei weiteren Tätigkeiten betraut.
Wie zum Beispiel mit dem Winterdienst. "Den hatten wir mit den primitivsten Mitteln zu erledigen", erinnert sich Gerhard Jorns. "Jeden Morgen musste ich um 4 Uhr Uwe Pickler vom Rat des Kreises Kalbe anrufen und den Straßenzustand durchgeben", berichtet Jorns. Danach wurden alle städtischen Grundstücke bearbeitet. "Den Rest des Tages habe ich dann die Technik repariert, die morgens regelmäßig kaputtgegangen war", schüttelt Jorns heute noch den Kopf.
Daneben hat Gerhard Jorns mit dem Barkas B 1000 Essen ausgefahren (500 am Tag), Wäsche nach Gardelegen gebracht und Fleisch von Stendal geholt. Oder "überbetrieblich" Gabelstapler für die Pflanzenproduktion gefahren, Eierhorden in der Brutmaschinenfabrik geschweißt und Getränke für die Brauerei-Niederlassung in Bismark herangefahren.
In den 80er Jahren war der Tausendsassa sogar einmal für ein halbes Jahr Leiter der allgemeinen Verwaltung beim Rat der Stadt. Als er auch noch den Parteisekretär der Stadt geben sollte, lehnte Jorns ab. "Da hatte ich große Diskussionen mit dem Kreml", erinnert sich Jorns an heftige Überzeugungs-Gespräche mit den Parteioberen. Infolgedessen musste er den Leiter-Posten abgeben und war seitdem wieder Schwimm-Meister am Kolk.
Als eben dieser Schwimm-Meister beendete Gerhard Jorns am 3. September seine letzte Badesaison am Bismarker Kolk. "Am nächsten Tag waren zwar noch einmal 30 Grad, es sollte aber nicht mehr geöffnet werden", erzählt Jorns. "Ich habe auf dem Gelände gewohnt und mich hier um alles gekümmert." Die Zukunft des Kolks ist offen. Wenn es im nächsten Jahr einen Badebetrieb geben sollte, kommt Jorns nicht mehr als Schwimm-Meister, sondern als Gast. "Und Eintritt bezahle ich natürlich auch."