Meyer-Nachfahre Klaus Hoffmann schenkt der Stadt ein Buch aus dem Jahr 1729 "300 Jahre Geschichte der Stadt sind nun in den besten Händen"
Grund zum Feiern gab es am Freitag in Tangermünde. An diesem Tag feierte Klaus Hoffmann, Nachkomme der Familie Meyer, die einst die Zuckerraffinerie in Tangermünde betrieb, seinen 75. Geburtstag. Zu seinem Jubiläum übergab er an die Stadt das Buch "Antiquitates Tangermundenses". Es wurde im Jahr 1729 gedruckt und stammt aus dem Bücherregal seiner Mutter. Sigrid Brückner, Leiterin des Stadtarchivs, nahm das Buch dankend entgegen.
Tangermünde. "Der Wurm ist raus", sagte Klaus Hoffmann am Freitag auf der Störtebeker. In der Hand hielt er ein Buch aus dem Jahr 1729. "Das habe ich aus dem Bücherschrank meiner Mutter. Jedes Mal, wenn wir sie besucht haben, durften wir uns ein Buch mitnehmen. Nun steht es schon fast 20 Jahre bei mir, doch ich denke, in Tangermünde ist es besser aufgehoben", sagte der Jubilar. An seinem 75. Geburtstag machte sich Klaus Hoffmann damit selbst ein Geschenk. Sigrid Brückner, Leiterin des Stadtarchivs, freute sich sehr über diese Schenkung und blätterte zusammen mit Hoffmann in "Antiquitates Tangermundenses". Dabei entdeckten die beiden handschriftliche Notizen, die es nun zu entziffern gilt.
Brückner legt Buch dem Restaurator vor
"Ich habe ein ähnliches Buch aus dem Jahr 1726, doch dieses enthält noch einige neue Details und ist eine wichtige Grundlage für die Geschichtsforschung", sagte Brückner. So enthält das Buch ein Kapitel von Kaspar Helmreich. Er war einst Bürgermeister der Stadt und hat das Thema Grete Minde grundlegend beleuchtet. Ein weiterer Teil des Buches wurde von Andreas Rittner verfasst und handelt vom 30-jährigen Krieg. Im dritten Kapitel werden Denkwürdigkeiten von Küster beschrieben. "Über 300 Jahre Geschichte der Stadt sind nun in den besten Händen", sagte Hoffmann. "Ich werde es recht bald dem Restaurator vorlegen und wir werden den Signierungen auf den Grund gehen", versicherte Brückner.
Klaus Hoffmann war zufrieden, sein Geschenk hat die richtige Adresse gefunden und er konnte mit Freunden seinen Geburtstag auf dem Schiff Störtebeker feiern.
Er kehrt gern in die Stadt seiner Kindheit zurück. Schlechte Erinnerungen bis an das Ende des Krieges hat Hoffmann nicht. "Wir hatten ein unbeschwertes Leben hier", sagte er. Bis heute kann er jedoch nicht verstehen, warum seine Eltern im Jahr 1948 die Stadt verlassen mussten. "Sie hatten doch nichts Unrechtes getan", sagte er. Doch das neue Regime war da anderer Meinung. "Meine Eltern durften hier nicht mehr sein, weil meine Mutter eine Meyer war", erzählte der 75-Jährige.
So gingen sie 1948 über die grüne Grenze in den Westen. Nach Hamburg ging es weiter nach Dortmund. Dort gingen Klaus Hoffmann und seine Geschwister zur Schule. Nach seinem Architekturstudium zog Hoffmann noch mehrmals um. Seit 36 Jahren ist er jedoch in Ludwigsburg bei Stuttgart zu Hause.
Fabrikchefs Meyer müssen hinter Gitter
Wesentlich schlechter erging es seinen beiden Onkeln Friedrich-Theodor und Walter. "Als die Briten 1945 die Stadt vor dem Einmarsch der Russen verlassen wollten, boten sie beiden an, sie mitzunehmen. Doch meine Onkel wollten ihr Familienerbe nicht aufgeben", erzählte Hoffmann. Leider sollten die Briten recht behalten. Die neue Besatzungsmacht sperrte die Fabrikbesitzer ein. "Walter starb, Friedrich-Theodor wurde jedoch nach drei Jahren entlassen. Schließlich war ihm nichts vorzuwerfen", so der Jubilar. Natürlich hätten auch in der Tangermünder Fabrik Fremdarbeiter gearbeitet, doch die Firmeneigner hätten keine Wahl gehabt. "Hätten sie sich geweigert, wären sie auch ins KZ gekommen", sagte Hoffmann. Auch wenn es Arbeiter aus anderen Ländern waren, behandelt wurden sie nach Auffassung von Hoffmann genauso wie jeder andere Arbeiter auch.
Nach der Entlassung im Jahr 1948 kam der Meyer-Nachfahre nur bis Fischbeck und rief bei den Hoffmanns in Tangermünde an. "Komm bloß nicht hier her, hat mein Vater zu ihm gesagt", erzählte Klaus Hoffmann. Friedrich-Theodor Meyer folgte diesem Rat und ging nach Hamburg. Dort baute er die Feodora wieder auf. Dass die Marke so bezeichnet werden durfte, ist einem Abkommen mit Kaiser Friedrich III. geschuldet. Seine Enkelin von Sachsen-Meiningen (1879–1945) und Urenkelin von Königin Victoria trug diesen Namen. Mit dem Wiederaufbau wurde zumindest der Name, den die Zuckerraffinerie in Tangermünde hervorgebracht hat, erhalten.
Im Jahr 1826 begann die Geschichte des Familienunternehmens mit der Gründung der Zuckersiederei von Friedrich Theodor. Das Unternehmen expandierte und verarbeitete seit 1849 auch Rübenzucker. Im Jahr 1876 wurde eine neue Fabrik erbaut. Fünf Jahre später brannte sie wegen technischer Mängel nieder und wurde schon ein Jahr später wiedereröffnet. Im Jahr 1900 standen 1256 Männer und 354 Frauen in Lohn und Brot. 1903 kam eine Obstkonservenfabrik hinzu und ein Jahr später die bekannte Schokoladenfabrik.
Auch wenn es heute keine Fabrik mehr in Tangermünde gibt, die Zuckerraffinerie Tangermünde ist bis heute am Markt tätig und kümmert sich beispielsweise um den Vertrieb von "Fisherman‘s Friend". Feodora gehört seit sechs Jahren zu Hachez aus Bremen.