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"Andere Länder, andere Sitten": Feuerwerk ist am Nationalfeiertag gigantischer als zu Silvester 4. Juli: Zur Unabhängigkeit hängt heute jeder Amerikaner sein Fähnchen vors Haus

Von Sibylle Sperling 04.07.2012, 03:22

In unserer Serie "Andere Länder, andere Sitten" entführen wir Sie in ferne Länder und fremde Kulturen. Menschen, die in Deutschland eine zweite Heimat gefunden oder eine Zeitlang im Ausland gelebt haben, stellen landestypische Traditionen vor. Heute: Birgit Richter, die in den USA in Detroit gelebt hat.

Stendal l Zwei Hubschrauber fliegen von einem großen Scheinwerferkegel begleitet in den Nachthimmel. Sie ziehen jeweils eine große Flagge hinter sich her. Eine amerikanische und eine kanadische. Dies ist keine Szene aus einem Roland-Emmerich-Film, sondern jährt sich über dem Detroit-River Jahr für Jahr. Denn ihren Unabhängigkeitstag begehen die Detroit-Einwohner, deren Stadt an dem gewaltigen Fluss und an der Grenze zu Kanada liegt, gemeinsam mit den Kanadiern.

Auch wenn man für diesen Tag Synonyme wie Unabhängigkeitstag oder Independence-Day im Ohr hat, würden die Amerikaner ihren Nationalfeiertag niemals so benennen: "Sie sagen fourth of July", erklärt Birgit Richter. Die stellvertretende Schulleiterin der bilingualen Grundschule von Stendal weiß, wovon sie spricht. Sie hat neun Jahre in Detroit gelebt und diesen Festtag oft genug miterlebt.

"Alle haben frei, auch die Börse. Man trifft sich mit seiner Familie."

Der Stichtag für die Unabhängigkeit Amerikas von England war der 4. Juli 1776, die Unabhängigkeitserklärung wurde unterzeichnet. Wenn die Englischlehrerin von diesem Nationalfeiertag erzählt, hat man das Gefühl, dass man in Amerika an ihm nicht vorbeikommt. "Alle haben frei, auch die Börse. Man begibt sich in ein verlängertes Wochenende oder trifft sich ganz traditionell mit der Familie oder mit Freunden."

Alle Häuser werden rot-weiß-blau geflaggt, eine Selbstverständlichkeit für den patriotischen Amerikaner. Da musste sich Birgit Richter schon so manches Mal erklären. Denn die Deutschlandfahne hängt am 3. Oktober nicht vor ihrer Haustür. "Wir haben einfach keine Fahne zu Hause", gestand sie damals schmunzelnd.

Wirklich jeder geht an diesem Feiertag zur morgendlichen Parade, jeder noch so kleine Ort veranstaltet eine. "Die ganze Familie steht dann am Rand, winkt mit Fähnchen dem Bürgermeister und dem Schulchor zu." Auch Menschen in Traditionsgewändern gehören zur Parade, sie erinnern an die Zeit der Unabhängigkeit und spielen typische Szenen nach.

Nachdem die Fähnchen geschwenkt wurden, zieht die Familie weiter und trifft sich meist in einem öffentlichen Park, auf einer großen grünen Wiese, mit Freunden. Mit dabei: der Picknickkorb. Ein Traditionsessen wie zu Thanksgiving gibt es an diesem Tag zwar nicht, aber der Korb hält trotzdem allerlei Landestypisches bereit. Sandwiches, Würstchen, Brownies oder Muffins und Selleriestangen, Brokkolie oder Paprika zum Dippen. Wer sich jetzt noch ein kühles Bierchen genehmigen möchte, kommt nicht auf seine Kosten, denn: Der Alkoholgenuss ist in den USA in der Öffentlichkeit untersagt. "Ich fand das super", gesteht Richter und ergänzt mit Inbrunst: "Und die Amerikaner haben trotzdem ihren Spaß und feiern ausgelassen." Entwarnung für alle die, die gerade enttäuscht wurden und den 4. Juli nicht in den USA verbringen möchten: In einigen wenigen Städten ist das Alkoholtrinken in der Öffentlichkeit erlaubt.

Konzertbesuche am Abend gehören ebenso zum 4. Juli wie das obligatorische Feuerwerk. Nicht zur Jahreswende, also Silvester, knallen die Amerikaner so richtig, sondern am 4th of July. Jede noch so kleine Community, eine Nachbarschaft, organisiert ihr eigenes Feuerwerk, aber es gibt auch die ganz großen Ereignisse wie das Feuerwerk über dem Detroit-River. "Ich will nicht lügen, aber ich habe noch nie so ein gigantisches Feuerwerk gesehen." Das gemeinsame Feuerwerk der Amerikaner und Kanadier wird schon vor dem 4. Juli, am 23. Juni, gemacht. Denn Kanada erlangte seine Unabhängigkeit etwas eher als die USA. Und eben diese Hubschrauberszene über dem Detroit-River, mit der das Feuerwerk eingeleitet wird, ist Birgit Richter in besonderer Erinnerung geblieben.

Seit sechs Jahren lebt sie mit ihrer Familie wieder in Deutschland, unterrichtet Englisch an der bilingualen Grundschule in Stendal. Auch wenn sie den 4-th of July hier nicht feiert, drückt sie an diesem Tag zumindest einen Knopf. Den des Fernsehers. Dann verfolgt sie auf CNN für ein paar Minuten das patriotische Treiben in ihrer ehemaligen Heimat.