Holzhausen Altes Umspannwerk im Kreis Stendal soll Veranstalungsort werden
Vor 14 Jahren wurde der Holzhausener „Strom-Tempel“ vom Netz genommen. Der neue Besitzer Norbert May plant, das denkmalgeschützte Umspannwerk künftig von März bis Oktober der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Holzhausen - „Das Ding hat mich gefunden“, blickt Norbert May auf das einstige Umspannwerk in Holzhausen. Der Berliner hatte in der Altmark etwas für die Familie gesucht. Dabei stieß er in einer Annonce auf das Umspannwerk in Dähre. „Das ist längst weg“, erklärte eine Avacon-Mitarbeiterin am Telefon. „Wir haben da aber noch etwas, das keiner will.“ May schaute in Holzhausen vorbei und begutachtete das Objekt.
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Es folgte ein Besichtigungstermin mit der Avacon. „Der Fußboden war bis zu 20 Zentimeter hoch mit Vogelscheiße und Tierkadavern bedeckt“, erinnert sich Norbert May an den Anblick, als sich die große Stahltür öffnete. „Und unzählige Schwalben flogen herum. Unvorstellbar.“ Doch der Dreck interessierte May wenig. „Den kann man wegmachen.“ Ihm fielen andere Sachen auf. Jeweils sieben Boxen aufgereiht an zwei Gängen, unzählige Haken an der Decke, zahlreiche architektonische Details und etliche Hinterlassenschaften aus der Betriebszeit des Umspannwerkes. „Ideale Räumlichkeiten für Ausstellungen“, so der May-Befund. „Ein Knaller.“

Norbert May (61) war langjähriger Produzent beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) und zuletzt zehn Jahre regional und international als Projektleiter unterwegs. Der gebürtige Ost-Berliner interessiert sich für Immobilien und deren mögliche (Um-)Nutzung. Ein bemerkenswertes Gebäude am Ortsrand, weites Feld, ein 100-Tonnen-Weg auf dem Gelände und „gegenüber der Friedhof für den letzten Umzug“ – 2022 übernahm May den einstigen Holzhausener „Strom-Tempel“ von der Avacon.
Zu der erworbenen Immobilie gehört aber nicht der Gebäudeteil mit den zwei Wohnungen für die ehemaligen Schaltwärter. „Da haben die beiden Wärter gewohnt“, weiß Norbert May zu berichten. Aufgrund der fortschreitenden Automatisierung wurden die beiden Schaltwärter nicht mehr benötigt. „Das, was früher in großen Schränken untergebracht war, passt heute in eine Wasserflasche“, erklärt May. Derzeit wohnen hier Gudrun Rulff, die Tochter der letzten Schaltwärterin in Holzhausen, und Christa Kminek, einst Bürgermeisterin im Ort.
Unmengen an Vogeldreck beseitigt
Gemeinsam mit seiner Ehefrau beseitigte Norbert May im Vorjahr die Unmengen an Vogeldreck und reinigte die Innenwände. In der Folge legte er auch weiterhin Hand an. „Was ich handwerklich selbst machen kann, das mache ich auch“, erklärt May. „So lerne ich das Objekt besser kennen.“ Mittlerweile wurde ein Brunnen gebohrt und das einstige Umspannwerk ist wieder am Stromnetz. Bei seinen Aktivitäten stößt der Berliner überall auf Hilfe und Unterstützung. „Die Leute bringen was vorbei oder erzählen mir etwas aus der Geschichte des Umspannwerkes“, berichtet May.
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Neben eigenen Recherchen suchte Norbert May auch den Kontakt zu ehemals für das Bauwerk verantwortlichen Personen. So wie zum Beispiel Günter Brandt, der inzwischen pensionierte letzte Ingenieur des Umspannwerkes Holzhausen, der bereits mit seiner Ehefrau vorbeischaute. Brandt begleitete die Geschichte von der Schaltstation zum Umspannwerk bis hin zur Außerbetriebsetzung 2009 über viele Jahrzehnte. „Ein großartiger Mensch und Ansprechpartner“, so May. Brandt wohnt in Letzlingen, wechselseitige Besuche sollen folgen.
Norbert May interessiert sich nicht nur für die Historie des denkmalgeschützten Umspannwerkes, sondern auch für das Drumherum der Stromversorgung. Als er erfuhr, dass die Überlandmasten, die einst vom Umspannwerk in alle Himmelsrichtungen verliefen, an der Straße nach Bismark entfernt werden sollen, meldete er sich umgehend bei der Avacon. „Die alten Holzmasten sollten in Richtung Bismark wenigstens bis zur Waldkante stehen bleiben“, so der Wunsch des Neu-Holzhauseners. Avacon und Einheitsgemeinde Bismark sicherten Unterstützung zu, notwendig war ein Antrag an die Landesstraßenbaubehörde Nord, da die Masten an der Landesstraße 28 standen.
Antrag geht im Dschungel der Bürokratie unter
Der notwendige Antrag scheint im Bürokraten- und Verwaltungs-Dschungel verloren gegangen zu sein. „Ich bekam von meiner Nachbarin einen Anruf: Die nehmen die Kabel runter und bauen die Masten ab“, erinnert sich Norbert May. Nach weiteren Telefonaten erfuhr May, dass auch der Gittermast direkt vor seinem Grundstück verschwinden soll. Dank des zügigen Handelns des Landesdenkmalamtes wurde der Gittermast unbürokratisch unter Denkmalschutz gestellt. Die Holzmasten waren nicht mehr zu retten.
Norbert May möchte das Umspannwerk der Öffentlichkeit mit außergewöhnlichen Angeboten zugänglich machen. „Ich möchte nichts Monothematisches“, erklärt May. „Es soll auch kein Museum für Elektrotechnik werden. Wer hierherkommt, soll überrascht werden, auch von den Blickwinkeln.“ Allein die oben erwähnten 14 Boxen eröffnen May eine Spielwiese für 14 Überraschungen. Neben einer großen Bilder-Ausstellung soll es aber selbstverständlich auch um den Weg des Stroms vom Kraftwerk zur Steckdose oder aber auch um das große Thema Sicherheit in einem Umspannwerk gehen. Bei Letzterem präsentiert May den „Schüttelzipp“, einen nach dessen Erfinder Karl Hermann Zipp benannten Hochspannungsanzeiger.

„Zum diesjährigen Tag des offenen Denkmals möchte ich schon die ersten Sachen präsentieren“, sagt Norbert May. „Vor allem Sachen, die sich selbst erklären.“ Am Sonntag, 10. September, soll das Umspannwerk Holzhausen von 9 bis 18 Uhr offen stehen. Die Premiere zum Denkmal-Tag 2022 verlief vielversprechend. Norbert May, der begnadete Erzähler und Erklärer führte mit Berliner Charme stündlich über sein Anwesen. „Es waren fast 100 Leute da, alles ohne Werbung und meine Frau hat Eierkuchen gemacht“, erinnert sich May.
Im kommenden Jahr soll das einstige Umspannwerk von März bis Oktober offen stehen. Norbert May sucht für seine Vorhaben, die auch touristischer Art sein werden, Mitstreiter. „Es muss alles beherrschbar sein“, weiß May, dass nicht alle Ideen kurzfristig umsetzbar sind. Eines hat sich der Berliner aber fest vorgenommen: „Leute, die in die Region kommen, müssen wissen, dass Holzhausen ein Ort ist, den man unbedingt besucht haben muss.“