Stendal l Vor 100 Jahren wurde das Staatliche Bauhaus von Walter Gropius in Weimar gegründet. Der Stil der Kunstschule ist an vielen Stellen Stendals zu finden. Ein ganz dominierendes Beispiel ist das Kaufhaus Ramelow am Winckelmannplatz. Es gehört zu den Objekten, die für das touristische Netzwerk „Das Bauhaus Dessau und die Orte der Moderne in Sachsen-Anhalt“ ausgewählt worden sind, und ist auch auf der Internetseite der Landeskampagne, www.bauhaus-entdecken.de, zu finden.
1930 wurde das Kaufhaus erbaut, war damals der größte Standort der rund 30 Geschäfte, die damals von den drei Söhnen des Firmengründers Gustav Ramelow betrieben wurden. Er hatte 1872 sein erstes Geschäft im mecklenburgischen Klütz eröffnet. 1900 zog das Unternehmen nach Berlin und eröffnete jedes Jahr ein neues Haus. 1906 öffnete ein kleines Kaufhaus im Fachwerkstil auch in Stendal seine Pforten.
Der Stendaler Anbau war dann das erste Geschäft, das im Bauhausstil errichtet wurde. Die übrigen Geschäfte hatten überwiegend Gründerzeitfassaden. Architekt des Stendaler Hauses war Bodo Ebhardt, Schwiegersohn des Firmengründers. Dominant in der Kaufhausarchitektur sind die großen Lichthöfe und die Oberlichter, die den offenen Charakter des Geschäftes ausmachen. Auch die großzügige Treppe gehört zu dem Gesamtkunstwerk.
Nach Kriegsende führten Wilhelm, Kurt und Hans Ramelow das mittlerweile auf drei Geschäfte geschrumpfte Unternehmen. Nach Kriegsende wurde die Familie enteignet, wenig später bekam sie das Haus zurück, bevor es Ende der 40er Jahre schließlich in Volkseigentum überging und von der HO geführt wurde.
Das Kaufhaus Magnet wurde zu einer wahren Erfolgsgeschichte. „Es ist weit über die Grenzen der Kreisstadt bekannt und beliebt“, schrieb die Volksstimme einst. Der Bau wurde in die Kreisdenkmalliste aufgenommen, doch der Zahn der Zeit nagte kräftig an ihm. „Das Kaufhaus ,Magnet‘ in Stendal, zur Zeit nicht im besten baulichen Zustand, soll in den kommenden Jahren erneuert werden“, stand in der Volksstimme vom 14. Juli 1988 zu lesen.
Und so geschah es, allerdings unter anderen Vorzeichen, als es der Verfasser des Artikels wohl geahnt hätte. Nach der Wende erwarb Wilhelm-Christoph Ramelow, der die Firma mittlerweile in dritter Generation führte, das Haus in Stendal. Er beschloss, dass aus dem Vollsortimenter wieder ein Textilkaufhaus werden soll. 1991 begannen in dem Haus, in dem Wilhelm-Christophs Vater bereits seine Lehrjahre verbracht hatte, umfangreiche Sanierungsarbeiten. Im Spätsommer öffnete es schließlich seine Pforten wieder.
Und damit begannen die Lehrjahre von Annett Noffke. Sie hatte Schneiderin gelernt, wollte ursprünglich Design studieren, doch es war ungewiss, ob sich die Schule in Berlin halten würde. So stellte sie sich bei Ramelow vor. Und das im wahrsten Sinne, denn sie lief dem Seniorchef über den Weg, was ihr nicht bewusst war. So ergab sich ein ungezwungenes Vorstellungsgespräch, an dessen Ende Wilhelm-Christoph Ramelow notierte: „Ich bitte darum, sie einzustellen“. Heute ist Annett Noffke Storemanagerin. Ihre Aufgabe hat sehr viel mit Schreibtischarbeit zu tun. Aber immer noch mischt sie sich gerne unter das Verkaufspersonal in den beiden Etagen. „Ohne das könnte ich gar nicht sein“, meint sie lächelnd im Gespräch mit der Volksstimme. Und Stendal wohl nicht ohne Ramelow.
Das Bauhaus wird 100 Jahre alt. Auf der großen Volksstimme-Themenseite gibt es Geschichten und Termine rund ums Jubiläum und wo Bauhaus den Menschen in Sachsen-Anhalt heute noch begegnet. Themenseite: 100 Jahre Bauhaus