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Hartmut Köhler fertigt Augenprothesen aus Glas Der "Augenmacher" aus Lauscha ist sogar in China gefragt

Von Klaus Pohlmann 10.08.2012, 03:13

Stendal l Man muss schon genau hinschauen, um festzustellen, dass Karl Heinrich, wie etwa 100 andere in der Altmark, ein Glasauge hat. Für eine perfekte Prothese als Kopie des gesunden Auges sorgt der Okularist Hartmut Köhler, der alle vier Wochen aus Lauscha anreist und über ein Bestellsystem die Patienten in die Räume der AOK Stendal einlädt. Einmal im Jahr, wenn gewünscht auch öfter, lassen Köhlers Kunden ihre Augapfel-Prothesen kontrollieren oder neu anpassen.

Durch Umwelteinflüsse, Veränderungen der Augenhöhle oder aus anderen Gründen müssen die Glasprothesen gepflegt, verändert oder durch neue ersetzt werden. Der Okularist kann dabei aus einer Auswahl von über 1000 Rohlingen in unterschiedlichsten Größen, Farbverläufen oder Helligkeitsstufen wählen.Diese werden aus Spezialglas mit besonderer Oberfläche und Härte sowie Nachbildungen von feinen Äderchen in Lauscha produziert. Der Erfinder Müller-Uri hatte hier um 1835 mit der Produktion von Glasaugen begonnen.

Wenn Hartmut Köhler, wie jüngst wieder in Stendal, ein Glasauge beim bestellten Patienten in die Augenhöhle gleiten lässt, sitzt ihm gelegentlich auch Karl Heinrich aus Klein Schwechten gegenüber, der durch eine Krankheit zum Prothesenträger wurde. Er und sein Nachbar, der durch eine Fremdeinwirkung ein Auge verlor, bescheinigen dem Okularisten eine gute Arbeit, so dass sie schmerzlos und ohne wesentliche Einschränkungen am täglichen Leben teilnehmen können.

Nach der Auswahl des Rohlings modelliert der "Augenmacher" diesen mit Fingerfertigkeit und Erfahrung in der etwa 700 Grad heißen Flamme des Bunsenbrenners in die richtige, individuelle Form. So wird jede Augenprothese zum Unikat, wobei die blaue Iris am häufigsten vorkommt. Nach rund 30 Minuten hat der Rohling dann die passende Form, und wenn die Prothese nach der Abkühlung in die Augenhöhle eingesetzt wird und der Patient beim Blick in den Spiegel zufrieden nickt, ist auch ein Lächeln im Gesicht des Fachmannes zu sehen.

Im anschließenden Gespräch mit Köhler war zu erfahren, dass die Zahl der Betroffenen rückläufig ist, weil Kriegsgeschädigte verstorben seien und durch die moderne Medizin verletzte Augen oftmals gerettet werden können. Der Terminplan des Okularisten ist trotzdem ausgefüllt, denn sein Wissen und Können ist auch im europäischen Ausland und sogar in China gefragt.