Rüdiger Laleike ist seit 25 Jahren freischaffender Designer / Zusammen mit Graepel Seehausen wurde er ausgezeichnet Dieser Mann macht Technik schön
Der Stendaler Designer Rüdiger Laleike hat in 25 Jahren Selbstständigkeit viele Spuren in Stendals Stadtbild hinterlassen. Jetzt wurde er zusammen mit der Firma Graepel ausgezeichnet.
Stendal l Das "Wiener Schokoladenmädchen" kennt jeder. Und was hat es in den Händen? Ein Tablett mit einer Tasse heißer Schokolade und einem Glas Wasser. So jedenfalls war es beim Originalpastell von Jean-Etienne Liotard Mitte des 18. Jahrhunderts. Rüdiger Laleikes Schokoladenmädchen trägt ganz souverän-elegant einen blanken Blechprofilrost in den Händen. Auch Dürers "Großes Rasenstück" wächst bei ihm durch einen Blechprofilrost. Und statt Uhren wie im Original von Dali zerfließen auf Laleikes Interpretation - richtig: Blechprofilroste.
All diese digital erstellten Adaptionen von Kunstwerken - zu sehen in der Firma Graepel Seehausen - symbolisieren genau das, was Rüdiger Laleikes Arbeit ausmacht: das Spannungsfeld von Kunst und Technologie. Von Form und Funktion. Von gestalterischer Idee und praktischem Nutzen. Und in ihnen emulgiert die langjährige Zusammenarbeit des Stendaler Designers mit Graepel, die vorige Woche mit einem Preis gekrönt wurde, einem dritten Platz beim "Bestform Award Sachsen-Anhalt". Seit elf Jahren bearbeitet Laleike Aufträge der Seehäuser Firma, hat zum Beispiel deren Eingangsgebäude entworfen, wo sich eben jene Blechrost-Ausstellung befindet.
"Jury hat genau an meinem Geburtstag getagt"
Bei der Bewerbung um den Preis, der "kreative Köpfe und Unternehmergeist" zusammenbringen soll, haben Laleike und Graepel das von ihm neu entworfene Produktpräsentationsgebäude samt Fahrradgarage sowie ein mobiles Ausstellungssystem und einen Handmusterkoffer für Firmenvertreter eingereicht.
"Dieser Preis ist für mich das i-Tüpfelchen auf ein langes Arbeitsleben", sagt Laleike, der seit 25 Jahren als frei- schaffender Produkt- und Grafikdesigner arbeitet und am 29. Oktober 65 Jahre alt geworden ist. "Genau an dem Tag hat die Jury für den Bestform-Award getagt. Wenn es noch Zeichen und Wunder geben sollte - das war zumindest ein Zeichen."
Schaut Laleike auf sein bisheriges Leben zurück, dann tut er das voll innerer Ruhe. Mit Blick auf den Leiter-Mann, eine kleine Skulptur in seinem Büro, findet sich Laleike genau in dessen Situation wieder. Er hat sich Sprosse für Sprosse vorangebracht, kein Schritt ging daneben - und bei einem kurzen Innehalten hat er festgestellt: "Ich habe mein Leben aus vielen richtigen Entscheidungen zusammengebastelt." Angefangen von der Wahl des Studiums an der Hochschule für Industrielle Formgestaltung in Halle, seiner Arbeit für ein Landmaschinenkombinat und für Stima Stendal über die Entscheidung, sich 1988 selbstständig zu machen, bis zu der zufriedenstellenden Tatsache, sich in den 25 Jahren gut etabliert zu haben. Und Spuren hinterlassen zu haben. Sei es das rote, an Backsteingotik erinnernde Stadtsignet Stendals, das Tiergartenlogo, die Markenzeichen verschiedener Firmen oder auch die weinroten Bushaltestellen in der Rolandstadt.
Der Leiter-Mann in Laleikes Büro sitzt zwar ganz oben, und Laleike selbst scheint auch angekommen zu sein. Aber fertig ist er noch längst nicht. Da kann ihn auch die 65 vom diesjährigen Geburtstag nicht bremsen. War es anfangs vor allem die Gestaltung von Firmenauftritten, macht den Großteil seiner Arbeit jetzt wieder das Gegenständliche aus, Gebäude und technische Geräte. "Das mache ich am liebsten, ich bin ja von Hause aus Techniker, habe neben dem Abitur Lokschlosser gelernt." Wenn er entwirft, dann gehört immer ein Modell dazu. "Da gehe ich in meine Werkstatt und bastle, es ist mir wichtig, dass ich die Dinge auch anfassen kann."
"Ich wünsche mir Austausch und Widerspruch"
Genauso wichtig ist ihm der Austausch mit seinen Auftraggebern. "Die technischen Vorgaben bringen mir gestalterische Impulse, aber ich wünsche mir dann auch Widerspruch und Infragestellen, möchte in meiner Kreativität gefordert werden. Besser, als wenn alle gleich dazu nicken. Denn verbessern kann man immer was." Bei aller Funktionalität, die die Geräte oder Gebäude erfüllen müssen - gestalterischer Freiraum bleibt immer. "Ich arbeite mit der Funktion, integriere sie in die Form."
Freiraum für sich selbst findet Laleike im Musizieren. Seit fünf Jahren spielt er Saxophon. "Das holt mich am Abend runter oder baut mich auf." Das matt glänzende Instrument, das an einem Regal in seinem Büro hängt, ist übrigens einer der wenigen Gegenstände, der nicht schwarz oder rot ist. Der Teppich: rot. Die Regale: schwarz. Die Fliesen im Flur: schwarz. Der Fußabtreter: rot. Der Schirm im schwarzen Ständer: rot. "Das hat sich im Lauf der Zeit so ergeben." Und dann ist da noch das schwarze und das rote Klopapier. Nicht, dass es ihm peinlich wäre, aber klarstellen will er es doch: "Das war ein Geschenk!"