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Kanal- und Schachthersteller wird vorläufig von Hamburger Rechtsanwalt verwaltet Drei Insolvenzanträge für Firma Meyer

Von Reinhard Opitz 16.02.2012, 04:22

Nach der gestrigen Betriebsversammlung bei Meyer Rohr und Schacht herrscht unter den rund 70 Mitarbeitern in Stendal und Lüneburg etwas mehr Klarheit. Das Insolvenzverfahren ist (gleich dreifach) beantragt, ein vorläufiger Verwalter hat seine Arbeit aufgenommen.

Stendal l Der Hamburger Rechtsanwalt Bertold Brinkmann ist bis auf weiteres Chef bei Meyer Rohr und Schacht am Hohen Weg. Nachdem zuerst die Kreissparkasse Stendal, in der vergangenen Woche die Geschäftsführung des in Lüneburg beheimateten Unternehmens und gestern auch noch die AOK die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt haben, hat das Amtsgericht Lüneburg Brinkmann zum vorläufigen Insolvenzverwalter - bis zur Eröffnung des Verfahrens - bestellt. Gestern war er wie auch Dr. Michael Neuenburg als Vertreter der Meyer-Geschäftsführung zur Betriebsversammlung nach Stendal gekommen.

Wie berichtet, zahlt die Firma ihren 50 Mitarbeitern in Stendal und den nach Produktionsverlagerung verbliebenen 20 in Lüneburg seit Monaten keine Löhne und Gehälter mehr. Daraufhin machten die Mitarbeiter ab 18. Januar von ihrem so genannten Zurückbehaltungsrecht ihrer Arbeitskraft Gebrauch, sprich: sie legten den Betrieb still.

Auf einer Pressekonferenz im Anschluss an die Betriebsversammlung erneuerte Gewerkschaftsfunktionär Thomas Waldheim von der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) gestern den Vorwurf der Insolvenzverschleppung an die Geschäftsführung. Das hatte die Geschäftsführung gegenüber der Volksstimme zurückgewiesen. Zumindest seien die Mitarbeiter nicht rechtzeitig über die Situation der Firma informiert worden, sagte Waldheim.

"Wenn man seine Löhne nicht mehr zahlen kann, stellt man Insolvenzantrag", so Rechtsanwalt Bertold Brinkmann gestern zur Volksstimme. Angesichts dessen, dass die Firma Meyer seit Mitte Dezember ihre Mitarbeiter nicht mehr bezahle, sei der Antrag spät gestellt worden, sagte er. Den gegenwärtigen Zustand des geschlossenen Unternehmens habe die Geschäftführung zu verantworten.

Brinkmann wird nun in den nächsten Wochen bemüht sein, dieses geschlossene Unternehmen "wieder zum Laufen zu bringen", sich nach möglichen Investoren umzusehen. "Die Leute wollen arbeiten", versicherte Gesamtbetriebsratsvorsitzender Frank Meyer gestern auf der Pressekonferenz in den Räumen des DGB an der Stadtseeallee. Er habe einen sehr positiven Eindruck vom vorläufigen Insolvenzverwalter und sein Bauchgefühl sage ihm: "Es geht weiter mit der Firma."

Indes fühlen sich viele Mitarbeiter in einer Zwickmühle. Wenn der Betrieb nicht bald wieder anläuft, drohen ihnen Verluste beim Insolvenzausfallgeld, weil der Antrag so spät gestellt wurde und die Dreimonatsfrist seit der letzten Lohnzahlung abläuft. Abwenden könnten sie dies durch eine fristlose Eigenkündigung, die allerdings ihre Situation bei möglichen künftigen Neueinstellungen verschlechtert. Nur einige wenige Mitarbeiter hätten nach Informationen von Thomas Waldheim gestern gekündigt. Die große Mehrheit hoffe auf positive Nachrichten auf der nächsten Betriebsversammlung am 5. März.

Die Auftragslage der Firma Meyer wird von allen Beteiligten als gut bezeichnet. Der Kanalrohr- und Schachthersteller produziert Abwasseranlagen aus Polymer- und Stahlbeton, die weltweit begehrt sind. Meyer-Rohre liegen unter dem Roten Platz in Moskau ebenso wie in Venedig. Von den Aufraggebern schon angezahlt ist ein Großauftrag für die Stadt Honolulu auf Hawaii (USA). Gestern reisten laut Betriebsrat amerikanische Geschäftsleute in Stendal an, um nachzuschauen, wo die bestellten Rohre bleiben.