Volksstimme-Serie "Menschen im Krankenhaus" / Heute: Stillbeauftragte Eva Klöppel Ein Plädoyer für das Urvertrauen
Das Johanniter-Krankenhaus Genthin-Stendal ist fest in der Altmarkmetropole verwurzelt. 1861 öffnete es seine Pforten, um Menschen in Not zu helfen. Die Zeiten haben sich gewandelt, der Anspruch ist geblieben. Die Volksstimme stellt Personen vor, die dem Krankenhaus ein Gesicht geben. Heute: die Stillbeauftragte Eva Klöppel.
Stendal l "Kinder sind was Besonderes", erklärt Eva Klöppel im Brustton der Überzeugung. Eine Einstellung, die die 48-Jährige schon seit einer gefühlten Ewigkeit zu besitzen glaubt. Sie seien daheim fünf Kinder gewesen, und "ich habe mich da wohl gefühlt", blickt sie zurück. So reifte schon früh der Wunsch, "etwas mit Kindern zu machen". 1983 begann sie in Seehausen die Ausbildung als Kinderkrankenschwester, seit 1985 arbeitet sie in Stendal.
Seit 1999 ist die Stendalerin Stillbeauftragte in der Johanniter-Frauen- und Kinderklinik. Dort und in den beiden Stillgruppen, die sie einmal pro Woche gemeinsam mit Katrin Esstedt betreut, berät sie nicht nur Mütter rund ums Stillen. Die Beratung umfasst weit mehr, reicht von der Verhütung über Beschwerden wie Drüsenerkrankungen bis zu Ernährungsfragen. Und sie beinhaltet selbst den Austausch von Koch- und Backrezepten.
"Ich möchte den Müttern beim Hineinwachsen in die Mutterrolle helfen", erklärt Eva Klöppel. Wichtig sei es, dass die Kinder ein Urvertrauen zu den Müttern aufbauen, fügt sie hinzu. "Und dafür ist ein richtiger Start ganz wichtig." Viele Frauen, spürt Eva Klöppel immer wieder, seien unsicher. Sie sollten auf ihr Inneres hören, nicht auf "kluge Bücher" oder Zeitschriften vertrauen.
Muttermilch als Drei-Gänge-Menü
Richtig fuchsig kann Eva Klöppel werden, wenn Stillenden gesagt wird, sie sollten doch dem Kind endlich etwas Vernünftiges zu essen geben. Sie hält dagegen: "Kinder sollten in den ersten sechs Lebensmonaten ausschließlich von Muttermilch leben." Die biete nämlich ein vorzügliches "Drei-Gänge-Menü": eine Suppe, eine mit fett angereicherte Hauptmahlzeit und ein Dessert. Nach diesen sechs Monaten solle eine Beikost die Muttermilch ergänzen. "Beikost, nicht Breikost", betont die Stillbeauftragte und sagt: "Mit einem halben Jahr kann man dem Kind eigentlich alles geben."
Aufklärungsbedarf sieht sie nicht nur beim Thema Stillen selbst, sondern ebenso beim gesellschaftlichen Umgang damit. "Wenn eine Frau, die während des Einkaufs in einem Geschäft um einen Platz zum Stillen bittet, auf die Toilette geschickt wird, spricht das doch für sich." Stillen sei normal. Eva Klöppel wünscht sich da ein Besinnen auf die Natur. Davon spricht sie auch, wenn sie an einige Klischees denkt. Zum Beispiel hält sie es für einen Irrglauben, ein Neugeborenes dürfe nicht zu lange bei der Mutter liegen.
Dabei beruft sich die Altmärkerin, selbst verheiratete Mutter von zwei Söhnen, auf wissenschaftliche Grundlagen. Immerhin schloss sie ihre anderthalbjährige Zusatzausbildung mit einem Examen und der Internationalen Anerkennung als Still- und Laktationsbeauftragte (kurz: IBCLC) ab. Inzwischen besuchte sie nicht nur Kongresse in halb Europa, sondern legte das Examen ein zweites Mal ab. Das IBCLC verlangt nämlich jährlich Ausbildungsnachweise und alle zehn Jahre eine neue Prüfung.
Entspannung im Chor und mit Mankell
"Das ist auch richtig so, gibt es doch immer wieder neue Erkenntnisse", so Eva Klöppel. Und für sie ist es auch ein Anspruch, wie sie gern zugibt. "Wir sind als babyfreundliches Krankenhaus zertifiziert, möchten die Mütter, aber auch unsere Mitarbeiter gut anleiten", begründet die Frau, die 1965 selbst in der Stendaler Klinik das Licht der Welt erblickte.
Kinder sind für Eva Klöppel etwas Besonderes, der Beruf deshalb wohl auch Berufung. Doch das Leben der Stendalerin mit dem trockenen Humor ist reicher. Das beinhaltet nämlich Mann, Söhne und Hund Oskar sowie einige Hobbys. So singt Eva Klöppel im Stendaler Theaterchor und liest gern Krimis, vorzugsweise skandinavische, wobei der schwedische Autor Henning Mankell ihre Nummer 1 ist.