In Ku-Klux-Klan-Montur Entsetzen über Paintball-Schüsse auf Autobahngegner im Bahnhof Seehausen
Szenen wie in einem Horrorfilm spielen sich auf dem Bahnhof Seehausen ab. Ein Vermummter, der das Kostüm des rassistischen Ku-Klux-Klans trägt, schießt mit einer Paintballwaffe auf Nutzer des Bahnhofs. Ein 20-jähriger Mann und ein 12-jähriges Kind werden verletzt.
Seehausen - Eine weiße Gestalt steigt die Treppen zum Bahnsteig des Bahnhofs von Seehausen empor. Die Person trägt einen Waffe in der Hand und eröffnet sofort das Feuer auf Menschen, die sich vor dem Bahnhofsgebäude aufhalten. Schreiend rennen die Angegriffenen davon. Festgehalten ist die Tat im Video einer weiteren Person, die sich am Freitag, 18. Juni, zur Tatzeit, gegen 21.50 Uhr, auf dem Bahnsteig befindet. Begleitet von hämischem Gekicher hält der Unbekannte weiter die Kamera seines Smartphones auf die Szene.
Dieser Angriff von Freitagabend ist die nächste Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung um die Waldbesetzung von Seehausen, ihrer Unterstützer, vor allem aber ihrer Gegner.
Unbekannter filmt weiter mit dem Smartphone
Nach den ersten Schüssen laufen zwei erwachsene A-14-Gegner dem flüchtigen Schützen hinterher. Die Jagd geht über die Gleise hin zu einem Auto – laut Zeugenaussagen einem dunklen VW Passat. Der Schütze springt in den Wagen und verlässt fluchtartig den Tatort. Die Person, die das beängstigende Geschehen weiter filmt, hält bis zum Schluss mit der Handykamera drauf.
Die Polizei leitet sofort die Fahndung ein, die Gegend wird sogar per Hubschrauber abgesucht – bisher ohne Erfolg. „Wir ermitteln wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz“, sagt Polizeisprecherin Beatrix Mertens.
Bei den Opfern handelt es sich um den Grünen-Politiker Zoltan Schäfer und einen Jungen, der den Polizeiangaben zufolge 12 Jahre alt sein soll.
Grüne und Linke zeigen sich entsetzt
Vertreter politischer Parteien zeigen sich entsetzt von der Tat. David Elsholz (Bündnis 90/Die Grünen), Stadtrat in Osterburg, schreibt: „Mit Entsetzen und absoluter Fassungslosigkeit habe ich aus der Zeitung von dem feigen Anschlag auf friedliche Menschen am Seehäuser Bahnhof erfahren. Menschen müssen in der Altmark augenscheinlich um ihr Leben fürchten, wenn sie sich für Klimaschutz und alternative Verkehrswege einsetzen.“ Er erwarte, dass die Behörden mit all ihnen zu Verfügung stehenden Mitteln gegen diese menschenverachtenden Angriffe vorgehen. „Spätestens jetzt, wo sogar nicht mal mehr vor Kindern halt gemacht wird, fordere ich die verantwortlichen Kommunalpolitiker vor Ort auf, sich klar gegen solche Gewalttaten zu stellen und diese auf das schärfste zu verurteilen. Es muss unverzüglich aufhören, dass einzelne Personen, das Recht in die eigene Hand nehmen und ihrer Gesinnung freien Lauf lassen dürfen.“
Der Kreisvorstand der Linken schreibt: „Die Nachricht von Angriffen mit sogenannten Softair-Waffen auf einen Jugendlichen und ein Kind am Seehäuser Bahnhof hat uns mit Entsetzen erreicht und macht uns betroffen. Der gewaltsame Übergriff auf friedliche Demonstranten, die sich gegen den Weiterbau der BAB 14 im Raum Seehausen engagieren, setzt die Kette krimineller Angriffe auf die Umweltaktivisten fort.“
AfD „lehnt Gewalt ab“
Vor allem der AfD wird vorgeworfen, mit ihren Äußerungen und Aktionen den Boden für die Eskalation der Gewalt zu bereiten. Landtagsabgeordneter Ulrich Siegmund sagt „Gewalt ist in jeder Form abzulehnen. Das gilt aber auch für diejenigen, die uns und unsere Wahlplakate immer wieder angreifen.“
In den sozialen Medien überwiegen Kommentare, die die Tat verharmlosen, ja sogar den Einsatz realer Schusswaffen fordern.
Betroffener ist wütend auf Angreifer
Milan Bölke, Ansprechpartner für die Autobahngegner im Bahnhof Seehausen, schreibt „Ich bin sehr wütend auf die Menschen die uns da so dreist, feige und dumm attackiert habe. Wütend, dass mit diesem Terror Furcht verbreitet wird und Unbeteiligte betroffen sind. Schon wieder sind ich und andere damit beschäftigt, uns gegen Gewalt zu schützen, die Ereignisse zu verarbeiten, die Bürger aufzuklären, was wirklich passiert ist, und gegen Gerüchte aus den sozialen Medien anzukämpfen. Wann hört das auf? Wann können wir uns endlich darauf fokussieren, uns zivilisiert über die Themen auszutauschen, mit denen der Bahnhof eigentlich belebt werden soll?
Die Polizeiinspektion Stendal will den Bahnhof Seehausen nach dem jüngsten Vorfall „besonders im Auge behalten“, wie Sprecherin Beatrix Mertens sagt. Eine Ku-Klux-Klan-artige Maskerade wie die des Täters sei bisher in der Altmark noch nicht beobachtet worden.