Wahlfälschung Gebhardt will Zeche nicht bezahlen
Stendaler Wahlfälscher benennt den ehemaligen CDU-Kreischef Wolfgang Kühnel als Mittäter. Dieser muss im Untersuchungssausschuss aussagen.
Stendal l Im Strafprozess gegen ihn hat Wahlfälscher Holger Gebhardt keine Namen genannt, wer ihm bei der Manipulation der Briefwahlunterlagen 2014 geholfen hat. Er hat lediglich Andeutungen gemacht, dass er aus dem Büro der CDU-Kreisgeschäftsstelle Unterstützung bekommen habe. Listen mit Personaldaten und Unterschriften habe er dort abgeholt, teilweise seien Stimmzettel bereits ausgefüllt gewesen, sagte er.
Nun hat Gebhardt, der seit Oktober 2017 seine zweieinhalbjährige Haftstrafe wegen Wahlfälschung absitzt, sein Schweigen gebrochen. Über seinen Anwalt Uwe Kühne ließ er im Juni der Stadt Stendal mitteilen, dass diese sich in punkto Schadenersatzforderung doch bitte auch an Wolfgang Kühnel wenden solle. Im Kern lehnt Gebhardt einen Schadensersatz ab, da die Wahlwiederholungen nicht ausschließlich durch ihn – sondern auch durch die Stadt selbst – durch eine Missachtung der sogenannten Viererregel – verursacht worden seien. Bei der Kommunalwahl durften lediglich vier Briefwahlunterlagen in Vertretung abgeholt werden, diese Regel wurde von der Verwaltung missachtet. Außerdem spricht der Gebhardt-Anwalt von einem weiteren Wahlfälscher, dem Sohn Patrick B. eines CDU-Stadtratskandidaten.
Die Stadt hatte Ende vergangenen Jahres eine Schadensersatzklage gegen den ehemaligen CDU-Stadtrat eingelegt, da der Stadt durch die Wiederholung der Briefwahl im November 2014 sowie der gesamten Stadtratswahl im Juni 2015 ein erheblicher Schaden entstanden ist. Die Stadt hatte den Schaden mit rund 50.000 Euro angegeben.
Ganz offensichtlich ist der 44-jährige Holger Gebhardt, der im März 2017 vom Landgericht wegen Wahl- und Urkundenfälschung in mehreren Hundert Fällen verurteilt worden ist, nicht dazu bereit, die Zeche für den größten Wahlskandal des Landes alleine zu bezahlen. Interessant ist, dass der Stendaler Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) das Anwaltsschreiben Ende Juli nicht nur an den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtages weitergereicht hat, sondern in einem Anschreiben an den Ausschussvorsitzenden Matthias Lieschke (AfD) auch noch eine Interpretation mitlieferte. Während Gebhardt seines Wissens, so Schmotz, im Strafverfahren keine etwaigen Mittäter benannt habe, so habe er nun im Zivilprozess Wolfgang Kühnel benannt, der „ihn bei seinen Handlungen unterstützt und angeleitet“ habe, schreibt der Oberbürgermeister.
Heute tagt im Landtag in Magdeburg der Untersuchungsausschuss zur Stendaler Wahlaffäre – und wie es der Zufall will, steht als einer von vier Zeugen Wolfgang Kühnel auf der Liste. Man darf gespannt sein, wie sich der 64-Jährige positionieren wird. Im Strafprozess gegen Gebhardt hat er im Februar 2017 von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Wie es die Prozessordnung vorsieht, muss er nicht aussagen, wenn er sich dadurch selbst belastet. Zuvor war ein Ermittlungsverfahren gegen ihn vorläufig eingestellt worden.
Noch am selben Tag der Gerichtsverhandlung kündigte Wolfgang Kühnel an, dass er nach 27 Jahren als CDU-Kreisvorsitzender sein Amt ruhen lassen werde. Im April 2017 wurde Chris Schulenburg als sein Nachfolger gewählt.
Und noch ein interessanter Zeuge ist für Donnerstag, 9.8.2018, in Magdeburg vorgeladen. Es ist Patrick B., der Sohn eines anderen CDU-Stadtratskandidaten für die Wahl 2014. Laut Gebhardts Anwalt habe der Sohn ebenfalls die Viererregelung durchbrochen und insgesamt 15 Briefwahlunterlagen in Vertretung abgeholt. Der Vater habe bei der Wahl mit rund 50 Prozent der Stimmen aus der Briefwahl ebenfalls ein überdurchschnittliches Wahlergebnis in dem Bereich – wie Gebhardt – erzielt.
Insgesamt waren von zwölf Personen mehr als vier Wahlunterlagen abgeholt worden – einer davon war auch Wolfgang Kühnel.