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9. November 1938 Gedenken an Reichspogromnacht: Diese Veranstaltungen sind in Stendal geplant

Mit mehreren Veranstaltungen wird in Stendal an die Gewalt vom 9. November 1938 erinnert. Den Auftakt gab es im Domstift mit einem Vortrag über die NS-Rassenpolitik. Was noch geplant ist.

Von Leon Zeitz 08.11.2024, 18:00
Pfarrer i.R. Reinhard Creutzburg hat im Domstift in Stendal einen Vortrag zum Gedenken an die Reichspogromnacht gehalten.
Pfarrer i.R. Reinhard Creutzburg hat im Domstift in Stendal einen Vortrag zum Gedenken an die Reichspogromnacht gehalten. Foto: Leon Zeitz

Stendal - In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in Deutschland die Synagogen. Es war die Nacht, in der organisierte Schlägertrupps unzählige jüdische Geschäfte und Gotteshäuser in Brand setzten, Tausende Juden wurden verhaftet, misshandelt und getötet.

Um an die Reichspogromnacht von 1938 zu erinnern und der Opfern zu gedenken, finden in Stendal mehrere Veranstaltungen statt. Den Auftakt gab es am 6. November 2024 im Domstift der Hansestadt. Dort hielt Reinhard Creutzburg im Cordatussaal einen Vortrag zum Thema „Kirchenbücher, Ariernachweis und NS-Rassenpolitik - Praxis und Hintergrund in Stendaler Kirchengemeinden 1933-1945“.

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Dabei ging der Pfarrer im Ruhestand darauf ein, wie Kirchen damals mit der NS-Rassenpolitik umgegangen sind. „Ein Thema, das lange Zeit in der Kirchengeschichte nicht stattgefunden hat“, sagt Reinhard Creutzburg.

Im Frühjahr 1933 wuchs das Interesse an Kirchenbüchern in den verschiedenen Gemeinden. Der Grund: das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums oder kurz das Berufsbeamtengesetz. „Beamte, die eine andere Abstammung als arisch hatten, sollten so in den Ruhestand versetzt werden.“ Als „nicht arisch“ galten Menschen mit jüdischen Großeltern. Die Beamten mussten einen Ariernachweis vorlegen.

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Da es keine andere Möglichkeit gab, die Abstammung nachzuvollziehen, wurde auf die Einträge in den Kirchenbüchern zurückgegriffen, um politische Gegner beziehungsweise getaufte Juden ausfindig zu machen – auch in der östlichen Altmark. Im Dom in Stendal wurden beispielsweise im Jahr 1934 2.799 Anträge gestellt, die „fraglos und gehorsam von der Kirche“ erfüllt worden sind.

Konzentrierte sich das Berufsbeamtengesetz zunächst nur auf Beamte, breitete es sich schnell auf andere Bereiche wie beispielsweise Vereine aus. „Das Ziel des NS-Staates war es, die jüdische Bevölkerung aus dem beruflichen und privaten Leben auszugrenzen“, erklärt Reinhard Creutzburg in seinem Vortrag. Die Flut der Anträge überforderte die Kirchen und setzte sie unter Druck. „Gleichzeitig erhielten sie dadurch auch Anerkennung. Schließlich hatten sie Informationen, die der Staat wollte.“ Die Kirche wurde somit zum „Handlanger der NS-Rassenpolitik“, fasst Creutzburg zusammen.

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Am 9. November 2024 finden weitere Veranstaltungen zum Pogromnachtgedenken in Stendal statt. In der Kleinen Markthalle stellt die Geschichtswerkstatt um 17 Uhr jüdische Schicksale in der Hansestadt vor. Die Mitglieder der Geschichtswerkstatt haben dafür 21 jüdische Biografien von Personen erforscht, die die Stadt durch Flucht, Vertreibung oder Deportation verlassen mussten. An sie soll 2025 mit der Verlegung von Stolpersteinen erinnert werden.

Anschließend geht es in die Karlstraße 2. Dort wird ein Erklärschild am Haus der ehemaligen Rechtsanwaltspraxis Julius Charigs angebracht und eingeweiht. Um 19 Uhr gibt es in der Kleinen Markthalle ein Konzert des Arbeiter:innenchors.