Corona Impfstoff-Nachschub im Landkreis Stendal tröpfelt noch immer vor sich hin
Die Inzidenz im Landkreis Stendal sinkt erfreulicherweise, auch dank fortschreitender Impfungen. Es könnten mehr Menschen immunisiert sein, wenn der Impfstoff bei niedergelassenen Ärzten ankäme.

Landkreis Stendal - Es ist noch immer ein wenig wie die Ziehung der Lottozahlen: Niedergelassene Ärzte bestellen Impfstoff, und müssen zum Anfang einer jeden Woche feststellen, wie viel, oder besser wenig, von den dringend benötigten Impfdosen ankommt. Laut Jörg Böhme, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) des Landes Sachsen-Anhalt, sind die Aussichten gering, dass sich die Lage bessert.
Zwar sollen jetzt auch noch die Betriebsärzte impfen, doch wird die Impfstoffmenge nicht erhöht. „Teilweise werden den Betriebsärzten von 800 in Aussicht gestellten Impfdosen nur 100 geliefert“, sagt der Stendaler Allgemeinmediziner. Wie es weitergeht, vermag der KV-Chef nicht zu sagen. „Bislang haben wir noch keine zuverlässigen Aussagen darüber, mit welchen Mengen wir rechnen können“, beklagt Jörg Böhme. Das größte Problem seien die – im Verhältnis zu den Zweitimpfungen weiter rückläufigen Erstimpfungen. „Das wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern“, schätzt er ein. Daher könne sich jeder, der bereits geimpft ist, glücklich schätzen. „Alles in allem kommen wir mit dem Impfen gut voran. Da kann man ruhig auch einmal ein wenig dankbar sein.“
Havelberg: Ärztin entscheidet, wer dran kommt
In der Hausarztpraxis von Allgemeinmedizinerin Alexandra Schäfer in Havelberg sind bisher um die 400 Frauen und Männer gegen das Coronavirus geimpft worden. Ein Teil bisher einmal, ein anderer Teil zweimal und damit vollständig. In der Praxis verimpft werden Biontech/Pfizer, Astrazeneca und seit der vergangenen Woche auch Johnson & Johnson. „Der Bedarf, also die Impfbereitschaft der Leute, ist groß. Ich bekomme aber wöchentlich leider immer weniger Impfstoff geliefert, als ich eigentlich gebrauchen könnte“, sagt die Medizinerin. Vor allem die Lieferungen von Biontech/Pfizer würden sehr gekürzt. „Die Zweitimpfungen damit sollten abgesichert sein“, sagt die Ärztin. In der nächsten Woche wird die Priorisierung zwar aufgehoben, „aber nicht bei mir“, sagt Alexandra Schäfer. „In der Praxis entscheide immer noch ich, wer an die Reihe kommt. Zuerst sind das nach wie vor die Älteren, Patienten mit Vorerkrankungen und einige Berufszweige, für die eine Impfung sinnvoll ist. Danach können dann auch alle anderen kommen.“

Seehausen: Ab- und Umbestellen der Patienten nervt
Eine Ärztin aus der Verbandsgemeinde Seehausen, die nicht namentlich erwähnt werden möchte, gibt für ihre Praxis 400 erfolgte Erstimpfungen und rund 150 Zweitimpfungen an. Zum Einsatz kommen die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und seit zwei Wochen auch der von Johnson & Johnson. Immer freitags teile die Kassenärztliche Vereinigung mit, wie viel und welcher Impfstoff für die nächste Woche bei der Apotheke bestellt werden könne. Was das Vakzin für die Zweitimpfungen betrifft, laufe meist alles bestens. „Mit den Erstimpfungen ist es leider ein Lotteriespiel“, sagt die Ärztin. Manchmal werde kurzfristig mitgeteilt, dass die Impfstoffe später oder dass weniger als angekündigt kommen. „Dann müssen wir die Patienten wieder ab- oder umbestellen.“ Die ganze Telefoniererei aktuell sei eine große Belastung. Dazu die Bürokratie: „Wenn sie nicht wäre, könnten wir viel mehr Leute impfen“. So denn Impfstoffe da sind. Weil diese aber weiterhin begrenzt sind, werde die Ärztin trotz Aufhebung der Priorisierung weiterhin priorisieren. Nach Alter, chronischen Erkrankungen – wie üblich. Mit Astrazeneca wolle sich fast niemand impfen lassen. „Wir sagen deswegen gleich am Telefon, um welchen Impfstoff es sich handelt. Und: Ein Antikörpertest ist kein Nachweis über eine Genesung. Unter anderem das werde die Praxis derzeit öfter gefragt. Wenn die Corona-Impfungen auch ein Plus an Arbeit sind, bleibe die Motivation doch groß. „Die Patienten sind so froh, wenn sie ihren Piks bekommen, das ist wunderbar.“
Lüderitz: Drei Viertel der bestellten Menge treffen ein
Susann Wittenbecher, Hausärztin in Lüderitz, berichtet, dass derzeit etwa drei Viertel des bestellten Impfstoffes bei ihr in der Praxis ankommen. Geimpft hat sie bisher etwa 700 Patienten, davon haben rund 100 Patienten bereits die zweite Impfung bekommen. Dass die Nachfrage in der Praxis bereits abebbe, weil sich viele schon in verschiedenen Zentren haben impfen lassen. „Bisher lässt sich das Impfen gut händeln. Wie die Nachfrage sein wird, wenn die Priorisierung aufgehoben wird, das sehen wir dann“, sagt sie.
Schollene: Maximal die Hälfte des Impfstoffs wird geliefert
In der Praxis von Ben Güldenpfennig in Schollene kommt derzeit maximal die Hälfte der bestellten Impfstoffe an. Astrazeneca und Biontech werden hauptsächlich für die Zweitimpfungen gebraucht, deshalb gibt es auch hier sehr wenige Erstimpfungen, vor allem mit Biontech. Verabreicht wird jetzt auch Johnson & Johnson, aber auch von diesem Vakzin wird nicht die volle Menge der bestellten Dosen zugeteilt. „Das macht die Planung und Vergabe der Impftermine so schwierig“, sagt der Mediziner. 300 haben die Erstinmmunisierung erhalten, 66 Patienten sind komplett geimpft. Wenn die Priorisierung aufgehoben wird, kommen die Anrufer auf eine Liste und es geht der Reihe nach Zeitpunkt der Anmeldung.
Tangermünde: Bisher kam fast alles wie bestellt
In Tangermünde hat die Praxisgemeinschaft Döhmann/ Grave/Friedrich vom bestellten Impfstoff „bisher, bis auf wenige Ausnahmen, alle Bestellungen zahlenmäßig auch erhalten“, teilt Mediziner Michael Döhmann mit. Damit sei die Praxis gut versorgt, es könnten alle geplanten Impfungen angeboten werden. Der administrative Aufwand mit Aufklärung und 15-minütiger Beobachtungszeit nach der Impfung bringe die Gemeinschaft jedoch an die Kapazitätsgrenze. Kritisiert wird der Punkt, dass „wir erst donnerstags erfahren, wie viele Impfdosen wir am Dienstag darauf folgender Woche erhalten“. Von den bisher in der Praxisgemeinschaft 1429 Geimpften haben 80,6 Prozent die erste und 19,4 Prozent die zweite Impfung erhalten. 71,8 Prozent der Patienten erhielten den Wirkstoff von Biotech Pfizer, 18,7 Prozent das von Astrazeneca und 9,5 Prozent das von Johnson & Johnson.
