Theater der Altmark Junger Schauspieler startet in Stendal seine Bühnenkarriere
Das Stendaler Publikum hat Oscar Seyfert gerade als Lillebror in „Karlsson vom Dach“ gefeiert. Seine nächste Rolle am Theater der Altmark: der Kindermörder Bartsch.
Stendal - Ob Maurer, Maler oder Schauspieler, für alle gilt: Das Handwerk muss gelernt und beherrscht werden. Und wenn wir schon mal in die Sprüchekiste greifen: Praxis ist dafür der beste Lehrmeister. Das weiß auch Oscar Seyfert, dem „sehr viel Glück“ beim Berufsstart geholfen habe.
Denn nach dem Abschluss seines Studiums am Europäischen Theaterinstitut (ETI) in Berlin bekam er einen befristeten Vertrag am Theater der Altmark in Stendal. „Dafür kann ich nur dankbar sein, denn es ist mit das Schwerste, nach dem Studium einen Platz zu bekommen“, sagt der 22-Jährige. Auch wenn er nur wenige Monate zum Ensemble gehört, Oscar Seyfert nutzt jede Chance, Bühnenerfahrungen zu sammeln.
Dabei profitiert er von der Zusammenarbeit des TdA mit dem ETI. Nach einer ersten gegenseitigen Vorstellungsrunde und einem Workshop stand fest: Die Absolventen Oscar Seyfert und Josephine Behrens sind in dieser Spielzeit am Stendaler Theater zu sehen. Der lange Prozess des Bewerbens und Vorsprechens an unzähligen Bühnen der Republik war damit erst einmal weggefallen. Das Miteinander mit den Altmärkern habe er von Anfang an als „sehr angenehm“ empfunden.
Nach drei Jahren Studium gab es im Juli die Abschlusszeugnisse, im August begann der Diplomschauspieler mit den Proben am TdA. Erst einmal mit einer kleinen Rolle, der des Frontis in „Mamma Medea“, inszeniert von Intendantin Dorotty Szalma. „Eine kleinere Rolle am Anfang war ganz gut, um das Theater, die Abläufe und die Kollegen kennenzulernen“, sagt Oscar Seyfert.
Für den Soloabend 28 Seiten Text lernen
Mit dem Gelernten ging er die nächste, deutlich umfangreichere Rolle an: den Lillebror im Weihnachtsstück „Karlsson vom Dach“. „Das ist schon eine große Aufgabe für einen Schauspieler, denn Lillebror ist in jeder Szene drin“, erzählt der 22-Jährige. Eine der größten Herausforderungen: „Es ist nicht einfach, ein Kind zu spielen.“ Das ist ihm aber wunderbar gelungen, das Publikum hat ihn und Lillebror gefeiert – fürs Schauspiel und für den Gesang. Die Aufführungen in Stendal und bei Gastspielen zusammengerechnet, wird Oscar Seyfert im März – dann gibt es noch einmal Aufführungen – rund 40-mal in dem Lindgren-Stück auf der Bühne gestanden haben.
Nach zwei Ensembleproduktionen geht Oscar Seyfert für seine dritte Rolle am TdA den Soloweg. Am 4. Januar 2024 hat der Monolog „Bartsch, Kindermörder“ im Rangfoyer Premiere, aufgeführt in der Reihe „Gemeinsam einsam“. Das Angebot des Hauses, sich mit einem Monolog dem Publikum zu präsentieren, hat er gern angenommen. „Es ist wichtig, nun den nächsten Schritt zu machen.“ In Sachen Theatermonolog ist das ein großer. Denn im Studium ging es dabei meist um Auftritte von wenigen Minuten, vorbereitet in einer Übung oder fürs Vorsprechen. Jetzt muss gut eine Stunde gefüllt werden – mit Text und Spiel.
„Den Unterschied spüre ich sehr stark“, blickt der 22-Jährige auf die Proben und aufs Textlernen. Immerhin 28 Seiten sind es. Ganz oft kann man Oscar Seyfert sogar beim Textlernen zuschauen. Denn den heimischen vier Wänden („das ist für mich kein Arbeitsort“) zieht er ein gemütliches Café vor. Da sitzt er dann, Kopfhörer auf und das Textbuch vor sich. Für seinen Soloabend ist es das für „Bartsch, Kindermörder“.
Gemeinsam mit Oberspielleiterin und Schauspielerin Patricia Hachtel, die für diesen Abend Regie führt, hat er nach einem passenden Stoff gesucht – und ihn in dem Text gefunden, den Oliver Reese nach Briefen und Tonbandaufnahmen von Jürgen Bartsch geschrieben hat. Bartsch, der zwischen 1962 und 1966 vier Jungen ermordet hat, ist als „Bestie von Langenberg“ in die Kriminalgeschichte eingegangen.
Warum dieser Stoff? „Wahre Geschichten finde ich immer interessant“, antwortet Oscar Seyfert. Zudem haben Fragen wie: „Wo kommt Schuld her? Warum ist ein Mensch so geworden?“ für ihn Aktualität. Er wird zwar als Bartsch auf der Bühne stehen, in einer Verhörszene, aber: „Wir wollen keine 1:1-Darstellung.“ Vielmehr arbeite der Monolog mit Erinnerungen und Rückblicken.
„Ein tolles Haus und angenehmes Ensemble“
Nach der Premiere am 4. Januar 2024 soll es am 13. April eine zweite Vorstellung geben. Dann ist Oscar Seyfert schon nicht mehr TdA-Ensemblemitglied – oder vielleicht bald wieder? Der 22-Jährige wäre nicht abgeneigt, schwärmt vom „tollen Haus und angenehmen Ensemble“. Jetzt schreibt er fleißig Bewerbungen an Theater deutschlandweit und hofft auf Einladungen zum Vorsprechen, für ein Festengagement oder für eine Gastrolle. Hauptsache Praxis als Lehrmeister. In Sachen Impro-Theater gibt es schon am 31. Dezember 2023 eine Lehrstunde für ihn: in der 21-Uhr-Vorstellung der Silvester-Impro-Show „Selfie einer Utopie“.