Landwirtschaft Kraftfutter für Bienen
Wie Ackerland, das nicht bewirtschaftet werden darf, sinnvoll genutzt wird, zeigt ein Landwirt aus Stendal: Er legt Wiese für Bienen an.
Stendal l Wie kleine Kinder durchstreifen vier gestandene Männer eine Wiese inmitten von Kornfeldern. „Schau, hier ist eine Biene“, sagt Lutz Güldenpfennig. Imker Kurt Springel schüttelt den Kopf und entgegnet dem Landwirt: „Das ist keine von meinen Bienen.“ Horst Bremer, Chef der Altmarksaaten GmbH, und sein Außendienstmitarbeiter Axel Hensel sind verdutzt - bis der Imker aufklärt: Eine Wildbiene habe sich unter die Arbeitsbienen seiner 15 Völker gemischt, die am Feldrand stehen.
Das Quartett hat jedoch nicht zum Pressetermin mit der Volksstimme eingeladen, um auf Insektenjagd zu gehen, sondern eine – aus ihrer Sicht sehr gelungene – Premiere vorzustellen. In Kooperation zwischen dem Landwirtschaftsbetrieb von Lutz Güldenpfenning aus dem Stendaler Ortsteil Dahrenstedt und dem Saatgutproduzenten in der Hansestadt entstand auf einer Ackerfläche ein neuer Lebensraum für Bienen und andere Insekten.Damit nicht genug. Nutznießer des drei Hektar großen Blühstreifens inmitten der altmärkischen Feldflur sind „auch Rebhühner, Fasane und Hasen“, weiß Lutz Güldenpfennig.
In erster Linie, so der Plan des Landwirts, sollte auf einer Brachfläche Kraftfutter für Bienen angebaut werden. Dazu entschied sich der 67-Jährige im Frühjahr. „Ich hätte den Boden auch einfach liegen lassen können“, sagt Güldenpfenning und zeigt auf die benachbarte ökologische Vorrangfläche, wie Brachland genannt wird, dass der Landwirt laut einer EU-Richtlinie nicht bearbeiten darf, um die Agrarförderung in vollem Umfang zu erhalten. Fünf Prozent der Landwirtschaftsfläche eines Betriebes müssen es sein.
Der Dahrenstedter erfüllt seit Jahren die Vorgabe, wollte aber nun mehr tun: „für die Bienen und für das Image der Landwirte.“ Er wollte mal „gegensteuern“, den Leuten zeigen, dass Landwirte sehr wohl etwas zum Artenschutz beitragen können. Im Altmarksaaten-Geschäftsführer Horst Bremer fand Güldenpfennig einen Partner, der bei der Zusammensetzung der richtigen Mischung an Honigpflanzen half. „Für uns ist dieser Versuch auch ganz neu, deshalb waren wir gespannt, ob das Experiment gelingt“, sagt Bremer.
Hauptbestandteil der einjährigen Saatgutmischung sind Phacelia. Hinzugefügt wurden verschiedene Kleesorten, Korn- und Ringelblume, Klatschmohn, Dill, Schwarzkümmel und Sonnenblumen. Bevor die 30 Kilo Saatmischung ausgestreut wurde, hat der Landwirt den Boden dreimal grubbern müssen. „Das Unkraut sollte raus, damit es eine ordentliche Wiese wird“, sagt Güldenpfenning. Als die Phacelia in voller lila Blüte stand, habe er gespürt: „Der Aufwand war es wert.“ Um ihn herum summten Bienen und Hummeln um die Wette. Etwa 250 Euro pro Hektar habe er investiert, wobei die Kostenfrage nie im Vordergrund stand. Wichtig sei ihm gewesen, dass die Bienen Nutznießer sind.
„Sie sind es“, sagt der Hobby-Imker aus Groß Schwarzlosen. Beim Schütteln der Waben habe Kurt Springel festgestellt, dass schon reichlich Honig produziert wurde. Wie viel? „Das lässt sich jetzt noch nicht sagen“, so der 66-Jährige, der seit 1973 das Hobby betreibt. In der Regel ernte er zehn bis zwölf Kilogramm Honig pro Volk, also 20 handelsübliche Ein-Pfund-Gläser. Auch wenn der volle Ertrag auf dieser Blühwiese nicht erreicht wird, können der Landwirt und Saatgut-Sponsor gewiss sein, vom Imker mit einer Kostprobe, dem sogenannten Honigpflaster, belohnt zu werden.
Kurt Springel zeigt sich von der Pflanzenmischung begeistert. „Sie ist einwandfrei, sehr ausgewogen und schmackhaft für die Honigbienen.“ Dann breitet er die Arme aus und fragt in die Runde: „Seht ihr noch irgendwo so eine blühende Landschaft?“ Nein.
Wohl deshalb haben die Mitstreiter des ersten gemeinsamen „Feldversuchs“ Infotafeln und einen Fahnenmast aufgestellt. Weithin sichtbar weht eine Flagge über den neuen Lebensraum für Bienen inmitten von reifen Getreidefeldern.