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Amtsgericht Mutter soll Baby misshandelt haben

Stendalerin bestreitet vor dem Amtsgericht ihr elf Monate altes Baby misshandelt zu haben.

Von Wolfgang Biermann 18.04.2016, 16:33

Stendal l Weil sie ihr zur Tatzeit elf Monate altes Kind misshandelt haben soll, steht eine Stendalerin derzeit vor dem Amtsgericht der Kreisstadt. Zum Prozessauftakt am vergangenen Freitag sagte sie: „Ich würde meinem Kind nie im Leben etwas antun.“ Dem widerspricht aber ein rechtsmedizinisches Gutachten eindeutig.

„Verletzungen habe ich erst am Morgen nach dem Aufziehen der Gardinen gesehen.“ (Angeklagte)

Zur Anklage: Die unter Betreuung stehende 33-Jährige, die ihre Tochter im August 2014 zur Welt brachte, wird beschuldigt, im Zeitraum vom 15. bis 19. Juli vorigen Jahres mit einem (bislang unbekannt gebliebenen) gefährlichen Werkzeug entweder geschlagen oder so gedrückt zu haben, dass der Säugling Verletzungen am Kopf sowie an Brust und Bauch davontrug und deshalb wochenlang in der Kinderklinik behandelt werden musste.

Die Angeklagte äußert sich wie folgt: Am Abend des 18. Juli hätte sie sich selbst gegen 21 Uhr ins Bett begeben wollen. Ihre Tochter habe im selben Zimmer schon seit etwa 19 Uhr gelegen. Sie hätte bemerkt, dass die Kleine „in die Windeln gemacht“ habe, und sie neu gewindelt. Das Kind hätte geweint und sich nicht beruhigen können. Deshalb hätte sie es auf den Arm genommen und versucht zu beruhigen. Dabei habe sie plötzlich selbst einen Drang verspürt und die Toilette aufsuchen müssen. Zuvor will sie ihre Tochter noch auf einer Decke an einem Fuß ihres Wohnzimmertisches abgelegt haben.

Von der Toilette aus will sie „ein Heidengeschrei“ gehört haben. Daraufhin hätte sie die Kleine „hochgenommen und getröstet“. Verletzungen am Kopf hätte sie erst am Morgen – „nach dem Aufziehen der Gardinen“ – gesehen. Sie gibt an, den getrennt von ihr lebenden Kindesvater angerufen zu haben. Gemeinsam habe man besprochen, die Kinderklinik aufzusuchen.

Erst im Verlauf der Untersuchung im Krankenhaus will die Mutter die Verletzungen an Brust und Bauch des Mädchens gesehen haben. Die Untersuchung selbst habe sie keinesfalls behindert, gibt sie an.

Anders die Klinikärztin. Die vermerkt im Protokoll, dass die Kindesmutter die Untersuchung des Kindes nicht will und dabei den Bauchraum ihres Kindes verdeckt. Sie informiert die Polizei und nimmt das elf Monate alte Baby zu weiteren Untersuchungen stationär auf. Noch am Abend untersucht der von der Polizei benachrichtigte Rechtsmediziner Knut Brandstädter von der rechtsmedizinischen Fakultät der Universität Magdeburg das Kind.

Vor Gericht sagt Knut Brandstädter aus, dass der Säugling an der rechten Schläfe und an der Wange stumpfe Gewalt erlitten habe – entweder durch einen Schlag oder durch Drücken mit einem Gegenstand. Die Verletzungen am Oberkörper seien gleichermaßen strukturiert wie die am Kopf und höchstens einen Tag alt gewesen. „Dafür gibt es keine plausiblen Erklärungen“, so der Rechtsmediziner.

Alle möglichen Varianten der Selbstverletzung durch das Kind, wie Aufrichten am Tischbein und Sturz, sowie auch die Hergangsversion der Mutter schließt er auf eindringliches Befragen ebenso aus wie ein etwaiges Fallen vom Tisch. „Die Verletzungen dafür wären unverhältnismäßig.“

Eine Babyrassel, die aus dem Asservatenlager in den Gerichtssaal geholt wird, weil die zur fraglichen Zeit neben dem Kinde gelegen haben soll, könne „auch nicht ansatzweise“ ursächlich für die Verletzungen sein.

„Das Kind war nur motorisch etwas faul, das ist aber nicht unnormal.“ (Kinderärztin)

Die Angeklagte war mit ihrem Kind stets zu den turnusmäßigen Untersuchungen bei einer niedergelassenen Kinderärztin, letztmalig am 15. Juli. Demnach sei die Kleine normal entwickelt gewesen, „nur motorisch etwas faul“. Soll heißen, sie habe die Fähigkeit zum Krabbeln wohl gehabt, sie aber noch nicht genutzt. Das sei nicht unnormal und hätte sich jederzeit ändern können, sagt die Kinderärztin und stützt sich dabei auf ihre Erfahrungen.

„Ich musste sie erst überreden, mit dem Kind in die Klinik zu gehen.“

Kindesvater

Von einem „faulen Kind“ spricht auch die Familienhebamme, die regelmäßig bei Mutter und Kind vorbeischaute. Hebamme und Ärztin schildern die Angeklagte als liebevolle Mutter, die nicht überfordert wirkte. Der Kindesvater gibt dazu aber an, dass sie zuweilen doch etwas „genervt gewesen“ sei. Er schildert den 19. Juli anders als die Angeklagte.

Demnach hätte er sie dazu überreden müssen, mit der Tochter in die Klinik zu gehen. Er sei darin von seine Mutter bestärkt worden, die den Gang in die Klinik nahezu angeordnet habe, wie sie als Zeugin aussagte. Derzeit lebt das Kind bei Pflegeeltern. In der Prozessfortsetzung sollen zwei Klinikärztinnen, zwei Kriminalistinnen und eine Betreuerin aussagen.