Projektstart Mit jedem Euro blüht Stendal auf
Nicht nur Obst und Gemüse verkaufen die Stallbaums in ihrem Scheunenladen in Stendal. Sie bieten auch Blühwiesen an.
Stendal l Unter Blitzlichtgewitter fällt eine Zwei-Euro-Münze in eine Box. „Das Geld ist nicht aus der Staatskasse, sondern von mir privat“, betont Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert. Die Grünen-Politikerin genießt sichtlich den Pressetermin im Scheunenladen in Stendal zu einer Projekteröffnung und macht keinen Hehl daraus, dass sie gern die Schirmherrschaft für „diese tolle Idee“ übernommen habe.
Initiator für „Nen Euro für die Vielfalt“, wie das Projekt heißt, ist André Stallbaum, der Junior-Chef des landwirtschaftlichen Familienunternehmens, das seit 25 Jahren am nördlichen Stadtrand von Stendal Acker-, Obst- und Gemüsebau nebst angeschlossener Direktvermarktung betreibt. Während seine Eltern Carola und Uwe Stallbaum mit dafür sorgen, dass der Betrieb beständig läuft, „verzapfe ich die modernen, verrückten Sachen“, sagt der 30-Jährige.
Mit seinem „neuesten Clou“ verkaufen die Stallbaums sozusagen Blühwiesen, also Flächen, die für Landwirte unwirtschaftlich und teuer sind. Da auch staatliche Förderprogramme für die Stallbaums zu unflexibel seien, um mit ihnen zu arbeiten, „haben wir den Spieß einfach umgedreht, um als moderner Landwirtschaftsbetrieb etwas für Artenschutz und Vielfalt zu tun“, sagt der Juniorchef und zeigt auf eine große grüne Sammelbox.
Hier können Bürger einen Betrag ihrer Wahl einwerfen, sei es das Wechselgeld, ein Schein oder das schwere Kleingeld im Portemonnaie. „Es ist völlig egal, wieviel, nur mit einem Hosenknopf können wir nichts anfangen“, witzelt André Stallbaum und erläutert dann die Verwendung des gesammelten Geldes.
Für jeden Euro soll eine fünf Quadratmeter große Blühwiese zur Frühjahrsaussaat 2020 auf dem Acker neben dem Hofladen der Stallbaums entstehen. „Dort wächst dann bis zum Herbst eine für jedermann sichtbare Mischung aus Blumen, Kräutern und Gräsern anstelle von Mais, Weizen oder Roggen.“ Abgestimmt werden soll die Aussaat der Blüh- mischung mit Imkern und Naturschützern. Der Zuschnitt der Flächen hänge davon ab, wie hoch der eingesammelte Geldbetrag ist. Platz genug hätten die Stallbaums, die 300 Hektar Ackerfläche ihr Eigen nennen. Und wenn diese nicht ausreichen sollte, „dann suchen wir uns einen Bauern als Kooperationspartner“, sagt der Juniorchef, der sich auf Nachfrage der Journalisten weder zu Schätzungen noch Wünschen hinreißen lässt. „Ich bin einfach nur gespannt, wie das Projekt angenommen wird.“
Das sind auch die Eltern, die hinter der Intension ihres Sohnes stehen. So möchten die Stallbaums eine Brücke über vermeintlich tiefer werdende Gräben zwischen Bürgern und deren Ansprüche an die moderne Landwirtschaft und Landwirten mit den Zwängen eines globalisierten Marktes schlagen. Gespräche mit Kunden im Hofladen hätten sie dazu ermutigt, zu zeigen, dass ein moderner Landwirt trotz rationalisierter Wirtschaftsweise durchaus etwas für Artenschutz und Vielfalt tun kann.
Für die Kreisbauernverbands-Chefin Kerstin Ramminger, die als Gast geladen war, ist „Nen Euro für die Vielfalt“ ein „toller Beitrag“ für einen „umweltbewussten Landwirtschaftsbetrieb“.