Schließungspläne der insolventen Drogeriekette sorgen für Ungewissheit und Angst Schlecker-Mitarbeiter bangen um ihren Job
Die insolvente Drogeriekette Schlecker will jede zweite Filiale schließen. Welche es trifft, hat das Unternehmen noch nicht bekannt gegeben. So zittern auch die Schlecker-Mitarbeiter im Raum Stendal um ihre Arbeitsplätze
Stendal l Mit einem Aushang empfangen die Schlecker-Filialen in Stendal und weiteren Orten des Landkreises ihre "lieben Kundinnen und Kunden". Darin danken sie, "dass Sie uns in diesen turbulenten Tagen so vielfach die Treue halten." Zudem erklären die Mitarbeiter, dass sie gern im Schlecker-Markt arbeiten. Das begründen sie unter anderem mit der Nähe zum Kunden, mit einem Tarifvertrag, mit Schlecker als verlässlichen Arbeitgeber und mit einer offenen Unternehmenskultur.
"Wie soll es mir in der Situation schon gehen? Beschissen."
Und in dem Aushang versichern "Ihre Familie Schlecker und Mitarbeiter": "Diesen Weg möchten wir weiter gehen!" Doch augenscheinlich weiß niemand von den Schlecker-Verkäuferinnen vor Ort und den Kunden, wie und vor allem wo es weitergeht. Nach der Ankündigung der Drogeriekette, 3000 seiner 6000 Geschäfte zu schließen und 11750 Beschäftige zu entlassen, herrscht Ungewissheit und Angst. Die war bei den Visiten der Volksstimme gestern in den Filialen in Stendal sowie in Bismark, Tangerhütte und Tangermünde spürbar. "Wir dürfen dazu gar nichts sagen", heißt es in einer Filiale.
Mit Namen will sich keine Mitarbeiterin der Zeitung wiederfinden. Zu groß ist die Angst, zusätzlichen Grund für eine Entlassung zu liefern. Aber was sollen sie auch groß sagen? "Wir wissen auch nur, was in der Zeitung steht", erzählt eine Schlecker-Angestellte. Das hören wir auch in einer anderen Filiale, und auf die Frage nach der Gefühlslage heißt es nur kurz: "Wie soll es mir in der Situation schon gehen? Beschissen."
"Die Arbeit macht Spaß; wir werden nach Tarif bezahlt."
Natürlich hofft jeder Mitarbeiter, dass er vom Arbeitsplatzabbau verschont bleibt. "Ich möchte gern bleiben. Das Arbeiten macht Spaß; wir werden nach Tarif bezahlt", so eine Mitarbeiterin, die geahnt hat, dass "etwas passiert". Und sie fügt hinzu: "Ich hoffe auf Gerechtigkeit bei den Entlassungen und nicht, dass es nach der Nase geht."
In einer weiteren Filiale haben die Mitarbeiterinnen am Mittwoch ein Fax erhalten. "Doch da stand nur das drin, was auch jeder im Internet lesen konnte", berichtet eine von ihnen. Zur Zukunft im Unternehmen befragt, zuckt sie mit den Schultern: "Abwarten und Tee trinken." Zwei Kolleginnen, die hier arbeiten, sind seit fast zwei Jahrzehnten im Unternehmen beschäftigt, die Kundschaft kennen sie gut. "Wahrscheinlich wird es uns treffen", befürchten sie. Denn es sollen wohl die älteren Kollegen sein, die die Kündigung erhalten, wird gemunkelt.
"Sozialverträgliche Lösungen werden angestrebt."
Das Unternehmen strebe "sozialverträgliche Lösungen" an, erklärte Phillip Kübber von der Schlecker-Pressestelle gestern auf Volksstimme-Nachfrage. Nach seinen Aussagen steht fest, welche Filialen dicht machen. Aber bevor das Unternehmen damit an die Öffentlichkeit gehe, werde es erst mit den Mitarbeitern reden, macht er klar.
Einen Tag X für die flächendeckende Schließung wird es nicht geben. Schließungen und damit einhergehende Entlassungen sollen "zeitnah" beginnen, so Kübber weiter. Habe doch Schlecker das Ziel, "ab April wieder schwarze Zahlen zu schreiben" und sich damit für Investoren interessant zu machen.
Das Interesse der Kunden hat die Schlecker-Insolvenz längst gefunden. In Bismark sagt eine Frau, sie würde eine Schließung von Schlecker bedauern, sei er doch der einzige Drogerie-Markt im Umkreis. Und in Stendal fragte gestern ein Kundin in einer Filiale eine Verkäuferin: "Wie geht es denn nun bei Ihnen weiter?" Antwort: "Keiner weiß Bescheid." Und mit bittersaurer Miene schob sie einen Abzählreim hinterher, der mit den Worten endet: ... und weg bist du.