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Analyse Schulessen im Abwärtstrend

Immer weniger Kinder und Jugendliche beteiligen sich im Landkreis Stendal am Schulessen. Kreistagsmitglieder wollen die Ursachen ergründen.

Von Regina Urbat 06.10.2019, 01:01

Stendal l Fast 300 Schüler mehr, aber weniger Kinder und Jugendliche, die sich am Schul-essen im Vergleich zu 2014 beteiligen. Besonders auffallend ist der Abwärtstrend im Landkreis Stendal im Bereich der Sekundarschulen, nur etwa elf Prozent der Lernenden nehmen in ihrer Schule eine warme Mittagsmahlzeit ein, vor fünf Jahren waren es 15,5 Prozent.

Eingebüßt haben auch die Gymnasien, bei denen die Teilnehmerquote bei 19,7 Prozent liegt; und selbst die Grundschulen mit einer Quote von 59,5 Prozent haben Federn lassen. In den Förderschulen ist eine leichte Steigerung zu verzeichnen, hier nehmen 54,1 Prozent der Schüler am Mittagessen teil (siehe Infokasten). „Insgesamt liegt der Rückgang beim Schulessen im Landkreis Stendal gegenüber 2014 bei knapp vier Prozent“, sagt Denis Gruber (SPD). Laut einer landesweiten Studie, die vor zwei Jahren erfolgte, liege der Landkreis Stendal bei den Schulessern in allen Bereichen unter dem Durchschnitt in Sachsen-Anhalt, führte der 1. Beigeordnete des Landrats weiter aus.

In der Sitzung des Kreisausschusses für Schule, Sport und Kultur stellte Denis Gruber die neuesten Ergebnisse einer Analyse vor. Befragt wurden die staatlichen Schulen im Landkreis; Angaben zur Teilnahme am Mittagessen, zur Qualität der Mahlzeit, zum Preis und zur Lieferung sowie zu den Pausenzeiten für die Einnahme des Schulessens wurden erfasst. Eine insofern ausführliche Darstellung, die Denis Gruber den Kreistagsmitgliedern und sachkundigen Einwohnern des Ausschusses vorstellte und die genügend Stoff für eine Diskussion bot.

Den Istzustand im Vergleich zu den zurückliegenden Jahren bezeichnete die Ausschussvorsitzende Edith Braun (Pro Altmark) als „erschreckend“. Für andere Ausschussmitglieder war die Analyse ziemlich ernüchternd, wobei Einigkeit bestand, die Ursachen für den Abwärtstrend zu ergründen. Im Fokus sollen die staatlichen Schulen stehen, für die die Kreisverwaltung verantwortlich ist. Dazu zählen Sekundar- und Gemeinschaftsschulen, Förderschulen und Gymnasien im Landkreis Stendal.

Von Interesse seien vor allem die „Ausreißer“, bei denen der prozentuale Anteil am Schulessen an niedrigsten ist: Sekundarschule Komarow in Stendal mit rund drei Prozent sowie die Sekundalschule Bismark und Gemeinschaftsschule Tangerhütte mit jeweils rund acht Prozent.

Ein Faktor, der bei der weiteren Ursachenforschung eine Rolle spielt, könnte der Preis für das Schulessen sein, der je nach Schule und Anbieter zwischen 2,63 und 3,05 Euro liegt. Selbst bei dem teuersten Essen erscheine es für Peter Ludwig (SPD) schwierig, „für 3,05 Euro pro Portion schmackhaft zu kochen“.

Für Steffi Friedebold (sachkundige Einwohnerin der Fraktion FDP-Bündnis90/Grüne-Landwirte) sei wichtig, dass die Pausenzeiten lang genug sind. Sie halten 20 Minuten für fraglich, vor allem wenn die Schüler direkt nach dem Sportunterricht das Essen einnehmen müssen. 30 bis 45 Minuten Pause halte sie für angebracht. „Oftmals ist der Hauptgrund für den Verzicht auf das Schul-essen einfach Stress, den sich die Kinder nicht antun wollen.“

Berufsschullehrer Ulf Hamann, sachkundiger Einwohner für die AfD, führte einen Vergleich zu Frankreich an, wo Essen zelebriert werde und eine Esskultur in Schulen gepflegt werde, die hier ihres Gleichen sucht. Diesem Vergleich erteilte Horst Janas eine klare Abfuhr. „So etwas bekommen wir hier nicht“, sagte der sachkundige Einwohner der Linken.

Janas warnte vor einer Pauschalisierung, dass beispielsweise das Essen nicht schmecken würde oder der Anbieter wegen der Kosten keine vernünftige Mahlzeit zubereiten könnte. Er selbst nehme an der Schulspeise teil und betonte: „Sie sehen, ich lebe noch.“ Ausschlaggebend sei nach seiner Ansicht die Einstellung der Eltern gegenüber dem Schulessen allgemein. Andererseits, so Janas weiter: „Immerhin essen Kinder noch in der Schule.“

Dass sei kein Trost. „Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir Reserven ergründen“, warf Peter Ludwig ein. Die Hochschule sollte bei der Ursachenforschung mit ins Boot geholt werden. Und man sollte die Kinder fragen, was sie sich wünschen.

Denis Gruber empfahl die Befragung zu weiteren Details per Interview vorzunehmen. Die Kreisverwaltung könnte bei der Erstellung von Fragebögen, die dann per E-Mail verschickt werden, helfen. Auf jeden Fall, so der Vorschlag von Annegret Schwarz (CDU) sollte die Befragung anonym erfolgen. Die Bürgermeisterin der Einheitsgemeinde Bismark wolle übrigens selbst gern wissen, warum in ihrer Sekundarschule nur acht Prozent der Kinder in der Schule essen. „Womöglich kocht die Oma und die Schüler essen zu Hause warm.“