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Post Sommer 1948 in Stendal: Ein Stempel, die 20 und „neue“ Briefmarken

Die Währungsreform vor 75 Jahren zwang die Post in der sowjetischen Besatzungszone zum kreativen Handeln. Seltene Zeugnisse dafür sind auch in Stendal zu finden.

Von Donald Lyko 07.07.2023, 06:00
Währungsumstellung Ende Juni, Anfang Juli 1948: Die alten Briefmarken, nur noch ein Zehntel wert, durften noch genutzt werden. Mit einem sogenannten Bezirkshandstempel wurden sie abgeschlagen und bekamen so ihre neue Gültigkeit.
Währungsumstellung Ende Juni, Anfang Juli 1948: Die alten Briefmarken, nur noch ein Zehntel wert, durften noch genutzt werden. Mit einem sogenannten Bezirkshandstempel wurden sie abgeschlagen und bekamen so ihre neue Gültigkeit. Foto: Sammlung Helge Schinkel

Stendal - Als Philatelist kennt sich Helge Schinkel aus Stendal in einigen Fachgebieten aus - vor allem aber mit den Tagen der Währungsumstellung 1948. Und wenn er sagt: „Diese Tage waren unglaublich. Es waren 17 Tage voller Kuriositäten“, dann darf man ihm getrost glauben.

Denn der Stendaler beschäftigt sich seit 25 Jahren damit, wie die Post in der Ostzone in den Tagen der Währungsreform 1948 improvisieren musste. Unter deutschen Briefmarkensammlern gilt Helge Schinkel, Vorsitzender des Philatelistenverbandes Nordost, als ausgewiesener Fachmann für dieses Gebiet. Am Wochenende hat er dazu in Berlin einen Fachvortrag gehalten. Und wenn alles läuft, wie er es plant, erscheint noch im Jahr 2023 ein Buch über diese spannenden Tage vor 75 Jahren.

Diese Paketkarte für ein 9,5 Kilogramm schweres Paket, abgeschickt in Meßdorf, hat auf Vorder- und Rückseite überstempelte Briefmarken.
Diese Paketkarte für ein 9,5 Kilogramm schweres Paket, abgeschickt in Meßdorf, hat auf Vorder- und Rückseite überstempelte Briefmarken.
Foto: Sammlung Helge Schinkel

Breiten Raum wird darin die Altmark einnehmen. Denn auch dort musste quasi über Nacht auf die Währungsreform reagiert werden. Zum 21. Juni 1948 führten die Westalliierten für ihre Zonen die Deutsche Mark ein, die Reichsmark wurde abgeschafft. Drei Tage später zog die sowjetische Besatzungszone (SBZ) nach, auch dort zog die D-Mark ein. Auf alte Scheine wurde ein Coupon geklebt. Trotz Namensgleichheit blieb ein Unterschied: Die West-Mark war frei konvertierbar (umtauschbar in andere Währungen), die Ost-Mark war ausschließlich eine Binnenwährung.

Seit 25 Jahren vom Forschungsgebiet gefesselt

Die Situation damals für die Post: Es gab zwei Sorten Geld und eine Sorte Briefmarken. Da in der Kürze der Zeit keine neuen Marken gedruckt und verteilt werden konnten, wurde das Problem in der SBZ ab dem 24. Juni 1948 mit den sogenannten Bezirkshandstempeln gelöst. Heißt: Die alten Marken wurden weiterhin auf den Umschlag geklebt – der Entwertung des Geldes folgend das Zehnfache vom neuen Wert – und mit Bezirksstempeln abgeschlagen, wie der Fachmann sagt. Da jedes Postamt solche Stempel mit der jeweiligen Bezirksnummer und dem Namen des Postamtes für Postanweisungen besaß, ließ sich das schnell umsetzen.

Helge Schinkel aus Stendal, Vorsitzender des Philatelistenverbandes Nordost,  beschäftigt sich seit 25 Jahren mit diesem Thema.
Helge Schinkel aus Stendal, Vorsitzender des Philatelistenverbandes Nordost, beschäftigt sich seit 25 Jahren mit diesem Thema.
Foto: Donald Lyko

Für Stendal galt damals die Leitzahl 20. Das altmärkische Gebiet war der Oberpostdirektion Halle/Saale zugeordnet worden. Insgesamt 184 Postämter nutzten diese Leitbezirksnummer.

Der Stendal-Aufdruck hatte bei der Entwertung eine große Reichweite, denn außer direkt in Stendal galt sie unter anderem für Arneburg, Grosz-Möringen (damals so geschrieben), Meßdorf, Uchtspringe, Schinne, Bellingen, aber auch Jävenitz und Packebusch im heutigen Altmarkkreis Salzwedel. Eigene Bezirksstempel-Aufdrucke gab es auch für die Orte Bismark, Goldbeck, Osterburg und Seehausen. Tangermünde musste den Stempel mit der alten Leitzahl „29“ für die Oberpostdirektion Magdeburg nutzen, Tangerhütte hatte die „29“ und die „30“, es war ein Doppelbezirk geschaffen worden. Havelberg gehörte zum Bereich Potsdam und musste darum den Aufdruck „36“ zum Namen nutzen.

Für das Postamt Stendal wurde zum Ortsnamen die „20“ aufgestempelt, die Leitbezirksnummer der Oberpostdirektion Halle.
Für das Postamt Stendal wurde zum Ortsnamen die „20“ aufgestempelt, die Leitbezirksnummer der Oberpostdirektion Halle.
Foto: Sammlung Helge Schinkel

Das sind nur die groben Daten, seine Recherchen hat Helge Schinkel vertiefend für alle Postbezirke vorgenommen. Seit 1998, als die Philatelisten in Stendal dem 50. Jahrestag der Währungsreform eine Veranstaltung widmeten, forscht Helge Schinkel zum Thema. Er ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Bezirksstempelaufdrucke SBZ 1948, die Mitglieder in aller Welt hat und sich einmal jährlich trifft.

Am 2. Juli 1948 endeten die Aufdrucke, wegen des Restverkaufs behielten sie bis zum 10. Juli ihre Frankaturgültigkeit. Zum 3. Juli wurde der Aufdruck „Sowjetische Besatzungszone“ eingeführt. Damit die alten Bestände – zum Beispiel in Betrieben – noch genutzt werden konnten, war eine Zehnfach-Frankatur der alten Marken sogar noch bis zum 31. Juli des Jahres möglich. Ein Normalbrief kostete 24 Pfennig, ein Doppelbrief mit mehr Gewicht 48 Pfennig. Ein Ortsbrief ging mit einem 16-Pfennig-Porto zum Empfänger, für einen Ortsbrief als Einschreiben mussten aber 76 Pfennig auf den Tisch gelegt werden.