Stadtgeschichte Stadtsee in Stendal - Wie aus einer „Pfütze“ das bekannte Gewässer wurde
Zuletzt erregte der Stadtsee in Stendal wegen eines weiteren Fischsterbens große Aufmerksamkeit. Vor hundert Jahren war an so etwas noch gar nicht zu denken. Der See glich einem Sumpf und Fische gab es noch keine.
Stendal - Hand in Hand gleitet eine Gruppe aus fünf Männern und Frauen über die vereiste Oberfläche. Das Foto, das Silke Junker vom Altmärkischen Museum bei ihrer Recherche zur Geschichte des Stendaler Stadtsees herausgesucht hat, überrascht. Schlittschuhlaufen auf dem Stadtsee? Heutzutage eher undenkbar.
Den Stadtsee in Stendal konnte man damals im Jahr 1905 wohl noch nicht See nennen. „Dort war eher eine Wiese mit einer großen Pfütze drauf“, sagt die Museologin und lacht.
Im Jahr 1911 gab es die ersten Überlegungen in Stendal für ein „See-Projekt“. Der damalige Stadtbaurat Hermann Krüger hatte die Idee im Rahmen der Wohnbaugewinnung, da es zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter anderem auch in der Stadt Stendal ein großes Bevölkerungswachstum gab. Daher sollte das eher sumpfige Gebiet am Rande des Walls in einen künstlichen See umgewandelt werden.
Gaststätte als Namensgeber
Dieser „Sumpf“ trug damals den Namen „Petersburger Wiesen“. Eine Burg hat es in Stendal jedoch nicht gegeben. Der Name stammt von der Gaststätte „Petersburg“, auch als „Haus am See“ bekannt. Sie befand sich ganz in der Nähe des sumpfigen Gebietes. Ursprünglich handelte es sich dabei um das Wohnhaus eines alten Offiziers aus Russland, der sich in einer einsamen Siedlung an der Uchte Ende des 18. Jahrhunderts niedergelassen hatte. Der Mann hatte seinen Alterswohnsitz nach der russischen Hauptstadt Petersburg benannt.
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Im Laufe der Zeit wurde der Wohnsitz ein öffentliches Haus, das von den Stendalern gern besucht wurde. Es war eine sogenannte Tabagie, ein Lokal, in dem geraucht werden durfte. In den meisten Lokalen und selbst auf der Straße war das Rauchen wegen der hohen Brandgefahr nicht gestattet. Die „Petersburg“ als Gaststätte wurde im Dezember 1958 geschlossen.
Anders erging es dem See-Projekt, jedoch brauchte es einige Jahre für die Umsetzung. „Vermutlich aus finanziellen Gründen“, sagt Silke Junker.
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Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Stelle, wo heute der Stadtsee ist, ein gut besuchter Ort. Vor allem im Winter, um darauf Schlittschuh zu laufen. „Wenn der Sumpf zugefroren war, wurde auch Eis für die Eiskeller herausgebrochen“, sagt die 58-Jährige. Heutzutage ist das Schlittschuhfahren auf dem See verboten und Eis wird nicht mehr herausgefischt. Noch bis in die 1960er Jahre wurde auf dem See Eishockey gespielt. In den 1990er Jahren nutzten Fußgänger den zugefrorenen See als Abkürzung, wie Zeitungsberichte aus dem Stadtarchiv in Stendal belegen.
Stadtsee in Stendal entsteht in den 1930er Jahren
Das See-Projekt wurde erst 20 Jahre später wieder aufgegriffen, von Stadtbaurat Wolfgang Triebel. „1933 wurde die Umwandlung der ‚Petersburger Wiesen‘ in einen See beschlossen.“ Gleichzeitig sollte Siedlungsgelände geschaffen werden.
Am 30. Mai 1935 wurde der See unter dem Namen Adolf-Hitler-See samt Park eingeweiht. Das Gelände umfasste etwa 16 Hektar (acht Hektar Wasser und etwa acht Hektar Grünfläche). Laut Ralf Krüger vom Stendaler Anglerverein soll es zu dieser Zeit auch schon Fische im See gegeben haben. „Diese kamen durch die Zuläufe der Uchte in den See. Es wurden aber auch Fische vom Anglerverein beigesetzt. Zum Beispiel Hechte, Karpfen und auch Aale.“
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1949 erfolgte dann die Umbenennung in Stadtsee. Drei Jahre später wurde der See zum 70. Geburtstag von Stalin in Stalin-See umbenannt. Die Rückbenennung zum Stadtsee erfolgte schließlich 1961.
In den 1960er und 1970er Jahren soll es laut Ralf Krüger auch schon die ersten Fischsterben gegeben haben. „Das ist menschliches Versagen. Der See wurde zu flach angelegt“, sagt er.