Hilfe für Bedürftige Tafel Stendal - Mit Losglück zu Lebensmitteln?
Immer mehr Bedürftige teilen sich weniger Lebensmittel: Den Tafeln geht es wie ihren Kunden, es reicht vorn und hinten nicht. Im Land Brandenburg verlosen einige Tafeln bereits Plätze für Neukunden. Droht das auch in Stendal?

Stendal - Es gab einen Punkt, da musste die Stendaler Tafel ihre Arbeit einstellen. Die Lebensmittelpreise erklommen unbekannte Höhen, Supermärkte gaben weniger und die Schlange vor der Ausgabe wurde immer länger.
Ähnlich und noch schlimmer ist die Situation im brandenburgischen Neuruppin. Die dortige Tafel sieht sich dazu gezwungen, neue Plätze nur noch zu verlosen.

„Ganz so schlimm ist es bei uns nicht“, sagt Tafelchefin Melanie Märtens. „Die Lage hat sich seit der Krise im April Mai wieder etwas stabilisiert“, erklärt sie. Vor allem Discounter und Supermärkte würden verlässlich Lebensmittel zur Verfügung stellen.
Dennoch herrscht auch in den Ausgabestellen der Stendaler Tafel in Stendal, Osterburg, Tangermünde und Tangerhütte, kein Überfluss. „Wir versorgen zunächst unsere Stammkunden, das heißt Menschen, die ihre Bedürftigkeit nachgewiesen haben und einen Tafelausweis besitzen“, sagt die Leiterin.
Nachfrage von Ukrainern sorgte für Engpässe
Engpässe hat es ihr zufolge auch gegeben, weil viele Menschen aus der Ukraine sich melden und ebenfalls für wenig Geld mit Lebensmitteln versorgen. „Der Unmut war groß, weil die Stammkunden das Gefühl hatten, die Menschen aus der Ukraine bekommen alles, und ihnen bleibt nichts genug“, sagt die Tafelchefin. „Da gab es auch das eine oder andere Mal Konflikte.“
Um die Lage zu entspannen, ist die Stendaler Tafel dazu übergegangen, gesonderte Ausgabezeiten für Ukrainer anzubieten.
Die Zahl der Bedürftigen, die von der Stendaler Tafel mit Lebensmitteln versorgt werden, ist seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine von 750 bis 800 auf knapp 1200 gestiegen. Wie handhabt es die Stendaler Tafel, wenn neue Kunden zu den Ausgabestellen kommen? „Sie müssen warten“, erklärt Melanie Märtens. Erst wenn die Stammkunden ihren Ware erhalten haben, könnten die meist ehrenamtlichen Tafelhelfer sehen, was sie noch herausgeben können.

Abgewiesen wird niemand, doch wer keinen Tafelausweis hat, muss sich in Geduld üben – so ähnlich wie Patienten, die ohne Termin zum Arzt gehen müssen. Dennoch ist auch ein Tafelausweis kein Freifahrtschein. „Wir haben uns neulich einmal die Berechtigungsnachweise zeigen lassen und dabei durchaus einige schwarze Schafe entdeckt“, sagt Melanie Märtens.
Kontrolle entlarvt schwarze Schafe
Da seien Kinder angegeben worden, die längst nicht mehr zu Hause wohnen oder Kunden erschienen, die gar keine Sozialleistungen mehr beziehen. „Wir haben vorher nie auf Einkommensgrenzen geachtet, aber das werden wir jetzt ändern“, kündigt Melanie Märtens an.

Die Stendaler Tafel will sich an der Bemessungsgrenze orientieren, die auch bundesweit Maßstab für die Tafeln ist. Demnach darf ein Mensch in einem Einzelhaushalt nicht mehr als 1251 Euro im Monat zur Verfügung haben, wenn er Lebensmittel von der Tafel bekommen möchte. Bei einem Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern darf die Grenze 2627 Euro monatlich nicht übersteigen.

Ob Tafelplätze in Stendal verlost werden müssen, wie in Neuruppin, kann Melanie Märtens nicht ausschließen. Bisher jedoch haben die 25 ehrenamtlichen Helfer, zwei Bundesfreiwilligendienst Leistende und drei Teilnehmer von Maßnahmen des Jobcenters ihre Arbeit ohne Losglück bewältigt.